«Wir brauchen Hilfe wie beim Tsunami!»

Longer Awar: «Frieden ist in der Luft!» (Fotos: Daniel Gerber).
Aber ansonsten bessert sich die Lage: Diese jungen Menschen (ausser denen vom Befreiungskomitee) mussten als Sklaven dienen. Jetzt sind sie frei.
Der Südsudan kann sehr idyllisch sein.
Die Strassen sind etwas gewöhnungsbedürftig.
Da kann es schon ’mal zu einem Sachschaden kommen.
Oder auch zu einer Panne.

«Es ist Frieden in der Luft», hört man im Südsudan. Und Hunger im Bauch. Ein Landesabschnitt, zwei Realitäten: Hungertote und Aufbruch.

So eng liegen Freiheit und Tod zusammen: Einerseits verhungern Menschen, andererseits kann die Bevölkerung jetzt in Freiheit leben. Dr. Justin Yaac Arop meint, dass die Hälfte des Ölgeldes nun in den Süden fliessen müsse. «Die Teilung dieses Landes hat am Tag eins begonnen.» Das war am 9. Januar 2005, als der Friedensvertrag unterzeichnet wurde. Er sieht vor, dass der Süden während sechseinhalb Jahren teilweise autonom ist. Danach kann der Süden entscheiden, ob er ein eigenes Land werden will.

Man rechnet damit, dass der frühere Kriegsgegner aus dem Norden den Süden nun bei der Stange halten will.* Dr. Justin ist leitender Mitarbeiter der SPLM (Sudan People Liberation Movement) und deren Vertreter in Nairobi. Vorerst rechnet er mit einer gerechten Verteilung: «Am Anfang wird das Geld sicher ausbezahlt. Wie es dann weitergeht, werden wir sehen.» Denn am Anfang werde die Weltöffentlichkeit darauf schauen, ob der Vertrag erfüllt wird oder nicht.

Sogar Kofi Annan schimpfte

Die Region könnte bald eine Zeitlang vom Erdöl leben. Wie wäre es da, wenn man mit diesem Geld die aktuelle Hungersnot stoppen würde? «Es reicht nicht», meint Dr. Justin. «Zu vieles muss gleichzeitig getan werden. Die Trockenheit und der Krieg sind daran schuld; vor allem aber die Trockenheit. Auch während des Krieges konnte man anpflanzen. Wir brauchen Hilfe, wie sie die Welt beim Tsunami gezeigt hat. Dort hat jeder geholfen. Wir brauchen das nun ebenfalls, um diese Herausforderung zu überstehen. Jetzt kommen auch die vielen Deportierten zurück. Um das alles zu bewältigen, brauchen wir die Hilfe der internationalen Gemeinschaft.» Die trifft aber dermassen zögerlich ein, dass UNO-Generalsekretär Kofi Annan die Weltöffentlichkeit dafür gerügt hat.

«Wir sind dankbar für das, was wir kriegen»

Bei der letzten Hungersnot kam ebenfalls zu wenig Hilfe. Warum sollte es diesmal anders sein? Beim letzten Mal sei Krieg gewesen, so Dr. Justin. «Da konnte man keinem trauen. Aber wir sehen, dass die internationale Gemeinschaft überall auf der Welt hilft: nach dem Tsunami, im Irak, in Afghanistan. Ob wir selber genug kriegen oder nicht: Wir sind dankbar für das, was wir erhalten. Wir sind auch dankbar für das, was schon eingetroffen ist.»

Die rosige Zukunft

In den Friedensjahren soll nun ein starker Süden aufgebaut werden. «Wenn der Frieden da ist, können wir Fortschritte machen: Nahrungsmittel ernten, die Trinkwasserversorgung einrichten, Kommunikation aufbauen. Vieles andere wird folgen.»


Der Süden wird vorerst von den Bewohnern «New Sudan» genannt. Der Wille des Volkes wird dann entscheiden, ob der christliche und animistische Süden ein eigenständiges Land wird oder nicht. Seit die Unterdrückung durch den arabisch-moslemischen Norden aufgehört hat, wird nun nach und nach eine Demokratie augebaut. «Wir fangen an. Es soll verschiedene Parteien geben, so dass die Leute wählen können. Seit dem Friedensabkommen ist nun jeder frei. Wir sind ein Land, man kann in der SPLM sein oder eine eigene Partei gründen. Und die Leute können wählen gehen, wie in anderen demokratischen Ländern», verspricht Dr. Justin.

6 statt 40 Millionen Dollar

Einer, der davon sicher Gebrauch machen wird, ist Longer Awar Ring. Es sei Frieden in der Luft, freut sich der 35jährige Lehrer. «Die Menschen merken, dass nun vieles besser werden kann. Aber unsere Leiter fürchten, dass sie in den Monaten bis zur nächsten Regenzeit auf Hilfe von aussen angewiesen sein werden. Der Hunger könnte ähnlich gross werden wie damals 1988.»

Der Wille zu helfen halte sich in Grenzen: «Ich weiss, dass über die Welternährungshilfe im letzten Jahr 40 Millionen Dollar kommen sollten. Das Werk selber erhielt aber nur 6 Millionen. Im Ausland hiess es schnell einmal: Die sind selber schuld. Das ist ein internes Problem in diesem Land.“ Aber damit bestraft man genau die Falschen.»

Ein neuer Showdown?

Fürs erste rechnet Longer – wie viele seiner Landsleute – mit einer friedlichen Zeit. «In den kommenden sechs Jahren wird uns der Norden einen vereinten Sudan schmackhaft machen wollen.» Sollten die Bewohner dann aber einen eigenständigen Süden wollen, «könnte es zu einem neuen Showdown kommen».

Der Lehrer bleibt aber optimistisch. «Wenn wir zusammenstehen, werden wir stark sein. Darum tun wir alles für unsere Einheit. Denn nur so werden wir Erfolg haben und den Südsudan stark machen können.» Er selber will eine Zeitung herausgeben. «Am Anfang zweimal pro Monat. Aber ich brauche noch die Grundausrüstung dafür.»

* Details hierzu im Sudan-Dossier

Aktion Nothilfe Sudan

Die erwähnte Hungerkatastrophe hat inzwischen begonnen; die Hintergründe dazu sind im Dossier ausführlich beschrieben. Bis Ende 2005 könnten mehrere Millionen Menschen unverschuldet Opfer dieses Desasters werden.


Gemeinsam mit verschiedenen Hilfswerken läuft bei Livenet.ch und Jesus.ch die Hilfsaktion Nothilfe Sudan. Sie wird von drei Schweizer Werken unterstützt: CSI (Christian Solidarity International), Frontiers und Vision Africa. Letzteres ist nicht selber in diesem Land tätig, unterstützt diese Aktion aber publizistisch.

Die Kontonummer für Spenden lautet: Postfinance 87-96742-1.
Das Konto lautet auf: CSI Schweiz, Sudan-Hilfe, Zelglistrasse 64, 8122 Binz.

CSI ist seit 1992 im Sudan tätig. Mit dem gesammelten Geld wird Hirse gekauft und an die vom Hungertod bedrohte Bevölkerung verteilt. Karawanen bringen die Lebensmittel zum Beispiel in die Marktstadt Warawar im Südsudan, wo jedes bisschen Nahrung ein Menschenleben retten kann. Die Einkäufe werden vom Werk getätigt und überwacht.

Statistik des Genozids im Südsudan

Tote: über 2 Millionen Menschen
Vertriebene: 5 Millionen Menschen
Versklavte Menschen: rund 200'000
Das Morden geschieht seit 1983; von Januar 2005 an via Hungerkatastrophe.

Statistik – Genozid in der Region Darfur (Westsudan)

Tote: über 300'000 Menschen (gemäss Washington Post)
Vertriebene: 1,8 Millionen Menschen (UN-Schätzung)
Versklavte: noch keine Angaben; gemäss ARD und anderen Quellen passieren Verschleppungen.
Das Morden geschieht seit 2003.

Dank der Dokumentationsarbeit von CSI konnten der Genozid und die Versklavungen im Süden abgebremst werden.

Hintergrundinfos zur Aktion:
www.sudan.livenet.ch
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/493/21137/

Homepages der beteiligten Organisationen
CSI: www.csi-schweiz.ch
Frontiers: www.frontiers.ch
Vision Africa: www.visionafrica.ch

Datum: 07.09.2005
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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