Meditation vorgeburtlich angelegt

Ruhig
Bewegung
Auftanken
Ausdauer
Frau
Prof. Dr. Gerd Schnack

Jeder Mensch ist in seiner Grundstruktur rhythmisch programmiert. Unser Leben gleicht dem Auf und Ab und dem Hin und Her einer Achterbahnfahrt. Der Wechsel ist der eigentliche gesundheitsfördernde Lebensmotor des Menschen, und schon die Bibel hält fest: «Alles im Leben hat seine Zeit.» Aus Sicht der Präventivmedizin könnte dieser Text ergänzt werden: «Zeit für Anspannung und Entspannung, Stress fördernde Aktivität und Stress abbauende Meditation.»

Immer dasselbe macht dumm und krank, auf den richtigen Mix im Leben kommt es an.
Gott hat diese Welt bipolar ausgerichtet. Im Sinne der rhythmischen Spiralkinetik ist eine freie Kraftentfaltung nur dann möglich, wenn unterschiedliche Positionen sich diametral gegenüberstehen, sich jedoch ergänzen und auf diese Weise einen fördernden Entwicklungsprozess einleiten. Balance, Ausgeglichenheit und Harmonie findet der Mensch nur im Wechselspiel zwischen Anspannung und Entspannung. Stress braucht der Mensch für seine Bewegung, für die Antriebsförderung, allerdings in richtiger Dosierung und Qualität. Gesundheitsfördernd ist es, wenn in gleichem Masse die Freiräume für Stille, Ruhe, Entspannung und Meditation gesucht werden.

Für die Gesundheit des Menschen spielen im autonomen, selbstständigen Nervensystem der Sympathikus als der stressfördernde Kampf- und Fluchtnerv und der Regenerations- und Aufbaunerv Vagus oder Parasympathikus eine entscheidende Rolle.

Der Sympathikus als Kickstarter für die antriebsfördernde Bewegung unterliegt einer automatischen Steuerung; er reagiert unmittelbar auf jeden Reiz dieser lauten, hellen und auf Beschleunigung ausgerichteten Welt. Über eine reflexartig geschaltete Hormonkaskade mit der Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin wird das gesamte Bewegungssystem auf die Flucht nach vorne vorbereitet; das Herz beschleunigt seinen Schlagrhythmus.

Der Muskulatur wird auf diese Weise mehr arterielles, sauerstoffreiches Blut zur Verfügung gestellt, die gleichzeitig in Anspannung gerät. Eine schnelle, kurze Flankenatmung versucht, mehr Sauerstoff in den Körper zu pumpen, und die gesamte Aufmerksamkeit des Denkens ist auf Leistung ausgerichtet. Diese «Sympathikus- Peitsche» schlägt also in jeder Stress-Situation zu, und das ohne unser persönliches Engagement. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass diese Reflexschaltung erst das Überleben des Menschen mit all den Gefahren auf dieser Welt ermöglicht hat.

Der Gegenspieler des Sympathikus, der Parasympathikus oder Vagus, ist unser Beruhigungs- und Meditationsnerv, der jedoch keiner automatischen Initialzündung gehorcht, sondern willentlich, bewusst in Gang gesetzt werden will.

Der Entspannungsnerv der Meditation ist der Parasympathikus. Persönlich in Szene gesetzt entfaltet er die ganze Tiefe der Meditation.
Meditation, Ausdauertraining und Gegenschwung-Stretching stellen aus medizinischer Sicht die Strategien dar, um die gesund erhaltenden Parasympathikus-Aktivitäten zu mobilisieren.

Stress ist primär ein Sauerstoffkiller, während durch die unterschiedlichen Entspannungstechniken (s.o.) dem Körper wieder vermehrt Sauerstoff zugeführt wird. Unter Stresseinfluss beginnt das Herz zu rasen. Während der Anspannung des Herzens (Systole) wird der Herzmuskel vorübergehend von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten, eine Sauerstoffnot beginnt. Nur während der Entspannungsphase des Herzens (Diastole) fliesst sauerstoffangereichertes Blut in die Herzkranzgefässe. Unter Einfluss von Meditation und Ausdauertraining sinkt die Herzschlagzahl in Ruhe signifikant ab, und gleichzeitig wird die Zeit der Entspannung (Diastole) deutlich verlängert, sodass eine optimale Sauerstoffversorgung aller Körperzellen die logische Konsequenz ist.

Ein bisschen Chaos braucht der Mensch, wenn er gesund bleiben will, Chaos allerdings in kontrollierter Form.
Über eine zeitlich begrenzte Pulsbeschleunigung durch Ausdauertraining profitiert der Gesamtorganismus. Als Trainingswirkung schlägt das Herz in Ruhe langsamer. Die Folge ist eine Sauerstoffersparnis für den Gesamtorganismus; Leistung und Gesundheit werden wesentlich gefördert. Ausdauertraining ist in dieser Form eine «kontrollierte » Krisensituation mit aufbauenden Strukturen, die nicht nur ein körperliches, sondern auch ein geistiges Wachstum unterhalten.

Laufen mit allen Sinnen und nicht wie von Sinnen ist bewegte Meditation in bewusster Achtsamkeit des Augenblicks.
Gefragt ist aber ein Laufen mit allen Sinnen, kein Jogging, bei dem einem Hören und Sehen vergeht. Meditatives Laufen ist die ungezwungene, entschleunigte Bewegung, die aber immer genügend Freiraum lässt, die Landschaft nicht nur sehend, sondern auch hörend und riechend wahrzunehmen.

Die vorgeburtliche Anlage zur Meditation.
Meditation ist der bewusst erlebte Rhythmus, vornehmlich ausgelöst durch die Atmung, die in ihrer gegensätzlichen Fliessrichtung zwischen Ein- und Ausatmung wechselt. Die Grundlage zur Meditation wird bereits pränatal angelegt, kann doch das Kind ab der 20. Schwangerschaftswoche hören und das Gehörte im Hörzentrum speichern. Das Kind im Mutterleib wird rund um die Uhr mit Tönen, d.h. mit bestimmt ausgelegten Klangschwingungen konfrontiert. Im Vordergrund steht das dunkle Schwingungsmuster der Atmung der Mutter, ausgelöst über das Schwingen der Lungenbläschen (Vesikuläratmen) im ein- und ausströmenden Luftstrom. In der Meditation spielt die Atmung schon deshalb eine zentrale Rolle, weil die vorherrschende dunkle und tiefe Schwingungsebene des Vesikuläratmens eine hohe Entspannungswirkung hervorruft.

Das Kind im Mutterleib wird von einem zweiten Grundrhythmus, ausgelöst durch den Herzschlag der Mutter, nachhaltig beeinflusst. Der erste Muskelton des Herzens klingt dunkel und wird abgelöst durch das helle «Tak»-Geräusch der Herzklappen. Die harte und helle Schlagkombination kann mit ihrem intensiven Frequenzmuster gleich dem hochtonigen Flattern von Segeln im Wind nicht die umfassende Entspannung auslösen wie das tiefe Schwingungsmuster der Lungenbläschen, das wie ein Rauschen des Waldes ist.

Die kindliche Entwicklung wird nicht nur durch Töne und Stimmen nachhaltig beeinflusst; ebenso spielt die aktuelle Stimmungslage, die Atmosphäre im Uterus entscheidend mit. Diese «pränatale Wetterlage» wird bestimmt von Ruhe, Geborgenheit, meditativer Entspannung und Rundumversorgung. Zu keinem Zeitpunkt seiner irdischen Existenz ist der Mensch in einer derart geschützten Umgebung; äussere Stressereignisse werden in deutlich geminderter und gefilterter Form wahrgenommen. Das kindliche Gehirn registriert und speichert also nicht nur Stimmen, sondern auf assoziativem Weg (komplexe Vernetzung) wird die eine Botschaft mit der anderen direkt verbunden, sodass rhythmische Schwingungen, ausgelöst durch Atmung und Herzschlag, automatisch eine meditative Tiefenentspannung bewirken. Die Anlage zur Meditation ist somit angeboren. Das erste Lernprogramm ist unlöschbar in den Gehirnzellen. Auch Wiegenlieder funktionieren nach dem gleichen Modell in ihrem typisch rhythmischen, repetitiven Aufbau.

Das pränatale Lernprogramm kann durch die Assoziationsleistung des Gehirns jederzeit abgerufen werden:

- Vermittlung der körperlichen Leitschiene über die Ein- und Ausatmung mit Konzentration um den Körpermittelpunkt. Die körperliche Leitschiene wird durch die tiefe Entspannungshocke unterstützt, stellt sie doch die gleiche Position dar, in der sich der Mensch im Uterus befunden hat.

- Die geistige Leitschiene ist ein Leitwort, ein Leitgebet oder eine stumm bewegte Leitmelodie mit möglichst einfachen Tonfolgen, gleichzusetzen mit Minimalmusik. Auf diese Weise wird unser Denken fokusartig auf einen Punkt geführt und unsere Sorgen und Ängste als Ausdruck negativen Denkens ausgeblendet. Wirkt bei dieser Konzentrationsübung ein negativer Gedanke von aussen auf uns ein, so gilt es, ihn nicht abzuwehren. Man lässt ihn ganz einfach zu, setzt aber mit Nachdruck die Wiederholungsmelodie fort.

Das Herz-Kreislauf-Risiko lässt sich drastisch reduzieren, wenn durch «Meditation and more» Ausdauertraining und Meditation miteinander kombiniert werden.
Nach neusten Studien hat Meditation eine hohe Gesundheitswirkung auf die noch ständig im Anstieg begriffenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und die Überraschung ist perfekt, wenn die bisherige sportmedizinische Präventionsstrategie, die vom Ausdauertraining bestimmt wurde, durch Meditation übertroffen werden kann. Meditation ist somit ein persönlicher Ruheraum der Stille und Abgeschirmtheit und eine Schutzmauer gegen den Stress.

Topfit durch Nichtstun.
Meditation in ihrer horizontalen Ausrichtung dient der Einstimmung auf Stille, Ruhe und Entspannung. Aus christlicher Sicht folgt nach der horizontalen Ausrichtung die vertikale kontemplative Projektion. Christliche Meditation dient lediglich der Vorbereitung, damit wir Gottes Botschaft nachhaltig wahrnehmen können, und ist auf Jesus fokussiert.

Die eigentlichen Weltmeister der Meditation sind die Buddhisten, Anhänger einer atheistischen Religion, die keinen persönlichen Gott kennt. Buddha weist als Erleuchteter den Weg ins «Nichts» (Nirvana). Der Buddhismus kennt die Kraft des Heiligen Geistes nicht. Die Kraft der Erneuerung wird vornehmlich in der Meditation gesucht, ein entscheidender Grund, dass Buddhisten hohe Fertigkeiten auf diesem Gebiet erreicht haben. Meditation ist somit im Buddhismus das allumfassende Rüstzeug auf dem Weg in ein unpersönliches Nirvana.

Christen sind in dieser Beziehung nicht die besseren Menschen; aber sie sind ganz einfach besser dran, weil im Zentrum der Guten Nachricht die Liebe steht und weil der gläubige Christ auf die Kraft des Heiligen Geistes vertrauen kann. Meditation ist somit ein begrenztes Werkzeug, wenn man so will: eine Leib-Seele-Technik, so dass der Stress abfällt. Meditation und Kontemplation fokussieren den Menschen in seiner Ausrichtung auf Gott; abgeschirmt von dieser Welt kann er die Gute Nachricht besser sehen, hören und in sich aufnehmen. In dieser Hinsicht waren die Mönche auf dem Berg Athos die eigentlichen Vorreiter des kontemplativen Gebetes, wussten sie doch um die enge Verbindung zwischen Körper, Seele und Geist, wonach jede seelische Aktivität Rückwirkungen auf den Körper und umgekehrt das Körperverhalten Einfluss auf seelische Vorgänge nehmen kann. Sie wussten genau, dass eine enge Verbindung mit Gott eine freie Liebesgabe des Allmächtigen ist, die durch keinerlei Körpertechniken erzwungen oder verstärkt werden kann.

TopFit durch Nichtstun ist somit ein Entspannungstraining im Stresszeitalter. Das Programm ist einfach und rund um die Uhr verfügbar. Es geht darum, die ständig auf Empfang ausgefahrenen Antennen zurückzunehmen, um zur Mitte zu kommen, um Einklang zwischen Denken, Fühlen und Atmen zu finden. Das setzt ungeahnte Kräfte frei, fördert Kreativität und ein neues Denken und wirkt leistungssteigernd in Beruf, Freizeit und Sport.

«Gehe in die Stille, setze oder lege dich entspannt hin, schliesse die Augen und konzentriere dich auf die Ein- und Ausatmung.»
Gehe in die Stille, schliesse die Augen, konzentriere dich auf die Atmung, die du über Synchronisation mit einem Leitwort, einem Leitgebet oder einer Leitmelodie verbindest. Nach 15 Minuten wird der vorherrschende Kampfnerv vom Beruhigungs- und Entspannungsnerven Parasympathikus abgelöst.

Meditation ist das Mittel gegen Alltagsstress in seiner ganzen Vielfalt und Fülle, sei es am Arbeitsplatz, auf Reisen, zu Hause, oder zum Ausfüllen von Wachepisoden in der Nacht.

Motivierte und entspannte Mitarbeiter, eine nachhaltige Verbesserung der Wirtschaft in ihrer Produktivität gibt es, wenn mittags am Arbeitsplatz zwischen 13 und 14 Uhr das biologische Tief mit 15 Minuten Meditation ausgefüllt wird.

Stress wird zu einer tödlichen Gefahr, wenn Müdigkeit den Autofahrer überrascht. Nach 15 Minuten Meditation auf einem Rastplatz sind jedoch die körperlichen und geistigen Energiedepots wieder gefüllt. Meditation als Mittagsschlaf über 15 bis 30 Minuten ist Präventivmedizin pur. Allerdings sollte auf diese zeitliche Begrenzung Wert gelegt werden.

Gott hat in jedem Menschen einen inneren Freiraum, ein Vakuum angelegt, das er mit seiner Botschaft füllen möchte. Leider ist dieses Gefäss vielfach randvoll belegt mit eigenem Denken und Wünschen. Meditation ist lediglich das Mittel zum Zweck, damit Gottes Liebe uns erreichen und erfüllen kann.

Prof. Dr. Gerd Schnack, D-Allensbach, Facharzt f. Chirurgie/Unfallchirurgie, Sport-, Musik- und Präventivmedizin verheiratet mit Dr. Kirsten Schnack, Ernährungs- und Präventivmedizinerin zwei erwachsene Töchter.

Autor: Prof. Dr. Gerd Schnack

Datum: 24.06.2005
Quelle: Reflexionen

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