‚Wir brauchen gesunde Böden, nicht gentechnisch veränderte Pflanzen‘
Die Initiative, die am Dienstag den Medien vorgestellt wurde, zielt darauf ab, dass die Schweizer Landwirtschaft „für die Dauer von fünf Jahren nach Annahme dieser Verfassungsbestimmung gentechnikfrei bleibt“. Die Einfuhr und Freisetzung von gentechnisch veränderten vermehrungsfähigen Pflanzen, Pflanzenteilen und Saatgut sollen für diese Zeitspanne verboten werden. Weiter verlangt die Initiative auch ein Verbot gentechnisch veränderter Tiere, „welche für die Produktion von Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestimmt sind“. Hinter der Initiative stehen die Bauernverbände (geschlossen! – nicht nur die Bio- und Kleinbauern, sondern auch der grosse Schweizerische Bauernverband) und Konsumenten- und Naturschutz, insgesamt 23 Organisationen. Politiker aus sechs Parteien von weit links bis ganz rechts ziehen für einmal am gleichen Strick. Bis im Sommer sollen 120'000 Unterschriften gesammelt werden. Damit wollen die Initianten auch Druck auf die laufenden Genlex-Beratungen im Parlament ausüben. Im letzten Jahr hatten National- und Ständerat ein Gentech-Moratorium abgelehnt, aber nur mit knappen Mehrheiten. Der Schweizerische Bauernverband (SBV) tritt gegen die Gentechnik auf, weil er angesichts der ausländischen Konkurrenz und der WTO-Vorgaben „die einheimischen Produkte über einen besonders hohen Qualitätsstandard profilieren“ will. In diesem habe „die Anwendung von Gentechnologie keinen Platz“, schrieb SBV-Präsident Hansjörg Walter kürzlich im Pressedienst des Verbands. Warum sollen gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der Schweiz während fünf Jahren in der Natur verboten sein? Der 63-jährige Meisterbauer Ernst Frischknecht, während neun Jahren Präsident von Bio Suisse, dem Dachverband der Biobauern, versteht wohl, dass die Gentech-Forscher von den heutigen Möglichkeiten fasziniert sind. Im Gespräch mit Livenet vergleicht er die Forscher – etwas herablassend – mit Buben, die begeistert Lego spielen und ihre Gebilde erfolgreich umbauen. Aber Gene seien eben keine Legosteine. Der Bio-Bauer verweist auf die neuen Erkenntnisse der Forschung, wonach Enzyme die biologischen Prozesse steuern. Darum sei es illusorisch, Mängel an Pflanzen mit Manipulationen an einzelnen Genen auf die Dauer beheben zu wollen. „Wenn das Umfeld nicht stimmt, bildet sich das Enzym, welches das Gen aktiviert, nicht; so aber wird die Veränderung nicht erfolgreich sein.“ Frischknecht erwähnt die Bestrebungen, Weizen mit radioaktiver Bestrahlung gegen Krankheiten immun zu machen. Zwar würden die Pflanzen vorerst gegenüber einigen Krankheiten resistent, aber diese Widerstandskraft verfalle bald. An diesem Punkt kommt Ernst Frischknecht auf sein Lieblingsthema zu sprechen: den gesunden Boden. „Pflanzen haben heute keinen lebendigen Boden mehr“, sagt er im Blick auf die von massigen Traktoren zerdrückten, tief aufgerissenen, stark gedüngten und mit Pestiziden bespritzten Humusschichten. Er plädiert dafür, auf den Boden „zu hören“, ja „ihn zu schmecken“. Landwirtschaft war „ursprünglich eine göttliche Handlung“, sagt Frischknecht, der seinen christlichen Glauben ins Bauern und ohne Scheu auch in die Politik eingebracht hat (er wechselte einst als Zürcher Kantonsrat von der SVP zur EVP). Er erinnert an eine Grunderfahrung, die jeder traditionellen Kultur eigen ist: „Wenn der Samen gestreut war, hing die Ernte von Gottes Gnade ab.“ In diesem Trauen auf Gottes schenkende Güte hätten die Menschen über Hunderte von Generationen das Land bebaut (das französische Wort für Bauer ‚Agriculteur‘ betont das Hegen, die Pflege des Ackers). In den letzten Jahrzehnten hat sich dies geändert: Naturwissenschaft und Technik faszinierten die Menschen derart, meint Frischknecht, dass der Auftrag des Schöpfers, die Erde zu gestalten, verdreht und vergessen werde, mit verderblichen Folgen. Die Naturwissenschaftler dokterten an Einzelmerkmalen herum, kritisiert der Bio-Pionier. Durch das Bestreben, die Mechanismen im Mikro-Bereich immer genauer zu verstehen, hätten sie den Blick fürs Ganze weithin verloren. Frischknecht betont mehrfach die Bedeutung des Milieus, in dem Pflanzen leben. Der Bauer stützt sich auf seine eigenen Erfahrungen: „Wir haben auf unserem Hof bewiesen, dass sich Kartoffeln in gesunder Erde von Viren befreien. Nur in kranken Böden herrschen krankmachende Viren vor. In gesunden Böden entwickeln Kartoffeln selbst Abwehrkräfte gegen Krankheiten.“Ziel: wenigstens fünf Jahre Landwirtschaft ohne Gentechnik
Breit abgestützte Initiative...
...will die Mehrheit im Parlament kippen
Gene sind keine Legosteine
Enzyme steuern die Lebensvorgänge
Bei den kranken Böden ansetzen
Einst wurde das Gedeihen von Gott erwartet...
...jetzt wird produziert
Ein gesundes Umfeld für Pflanzen schaffen
Datum: 22.02.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch