«Sunday – urban christian life»: Ein Gottesdienst in der Kneipe
Einmal
im Monat findet in der «NachtKantine» im Münchener Osten ein Gottesdienst
statt. Dann wird die Szenekneipe zur Kirche. Eine Live-Band spielt
Lobpreismusik und ohne grosse Liturgie wird gepredigt. «sunday – urban christian
life» heisst das neue Gottesdienstformat. Am 8. Dezember erhält es den
Ehrenamtspreis der evangelischen Landeskirche in Bayern.
Der Gottesdienst «sunday» findet in einer Münchener Kneipe statt.
Immer wieder ist Kirche dabei, nach anderen Formen
zu suchen und neue Orte zu finden, an denen sie Menschen erreichen kann. Wo der eine seine Augen verdreht und sich fragt, ob «das denn auch noch nötig ist», ist
der andere völlig begeistert und seufzt nur: «Endlich!»
Gin
Tonic und Lobpreis
Sonntag, 17 Uhr im Münchener Osten. Wo bis vor
kurzem noch eine Partymeile der Stadt war, treffen sich jetzt Junge und ganz
Junge zum Gottesdienst. Dazu gehen sie allerdings nicht in die Kirche, sondern
in die Kneipe. Die «NachtKantine» bietet ein typisches Szene-Ambiente. Auf den
ersten Blick erkennt man auch gar nicht, dass da jetzt ein Gottesdienst
abläuft. Es sieht eher aus wie Kneipenbetrieb mit Liveband. Wer genauer
hinschaut, sieht dann das kleine Kreuz auf dem Tisch neben dem Tresen stehen
und hört, dass die Musiker christliche Lobpreislieder singen. Auch die
Kneipenbesucher wirken ungewöhnlich andächtig…
Im Gottesdienst in der Kneipe spielt die Band live Lobpreismusik.
Wegen Überfüllung ist «sunday –
urban christian life» noch nicht geschlossen, aber das neue Gottesdienstformat
der evangelischen Landeskirche in Bayern findet durchaus Freunde. Brigitte
Bitto hat für das Sonntagsmagazin Besucher befragt. Amelie und Maiara sind als
Teenager die Jüngsten – allerdings auch die Zielgruppe, mit der sich Kirche oft
am Schwersten tut. Und die beiden kommen richtig gern, denn «sunday» ist für
sie «eine coole Alternative». Und auch die etwas Älteren nicken zustimmend. Sie
fühlen sich hier wohl.
Das Programm des Gottesdienstes passt sich stark an
die Umgebung an: Der Lobpreis ist laut, englisch und nimmt viel Raum ein. Die
Predigt ist griffig und kurz. Eine kirchliche Liturgie ist kaum zu erkennen.
Dafür kommen die Besucher mit viel Zeit, denn nach dem Gottesdienst geht es
erst einmal an den Tresen, um Nachschub zu holen. Und bei einem Glas Gin Tonic
wird locker über die nächste Woche oder auch das eben Gehörte geplaudert.
Man
spricht Englisch
«NachtKantine»
Dass der Gottesdienst nicht nur einen englischen
Namen hat, sondern sich ganz viel darin auf Englisch abspielt, hat einen
besonderen Grund: Er soll bewusst Offenheit für andere Sprachen, aber auch
andere Religionen signalisieren. Pfarrerin Claudia Häfner erklärte dem
Sonntagsmagazin: «Wir haben in München viele Menschen, die aus anderen Ländern
kommen. Die eigene Heimatsprache in einem Gottesdienst zu hören, berührt noch
tiefer als eine fremde Sprache. Sie heisst den Menschen von Herzen willkommen.»
Was für die einen gelebte Willkommenskultur ist, erscheint den sonst eher
jungen Besuchern aus München ganz normal. Zufällig kommt hier allerdings
niemand vorbei, dafür liegt die «NachtKantine» zu abseits. Doch als Geheimtipp
etabliert sich der Gottesdienst bereits.
Die
Warum-Frage
Immer, wenn sich jemand auf die Suche nach neuen
Wegen macht, wird ihm die Warum-Frage gestellt. Es gab doch schon Gottesdienste
in München. Auch kreative. War da noch ein weiterer nötig? Initiatorin Claudia
Häfner ist überzeugt, dass «sunday» eine Lücke schliesst: «Wir wollten raus aus
der Kirche, ganz bewusst. Denn für viele Menschen ist die Schwelle, eine Bar zu
betreten, geringer als in eine Kirche zu gehen… Gottesdienst feiern soll Freude
machen und nicht steif sein! Es soll für alle easy möglich sein!»
Und genau das
scheint dort in der «NachtKantine» zu passieren. Deshalb fragt die bayerische
Kirchenleitung auch nicht: «Warum?», sondern eher: «Warum nicht?» und verleiht
dem Projekt am 8. Dezember 2018 ihren Ehrenamtspreis. Und wenn wir ehrlich
sind: Kreative Gottesdienste kann es gar nicht genug geben.