Zwischen Ruhe und Krawall: Der "Tag der Arbeit"

Der 1. Mai ist der "Tag der Arbeit". (Bild: PD Photo)
Die Mitarbeiter der drei Wendepunkt-Standorte müssen am 1. Mai nicht zur Arbeit (im Bild das Team aus Muhen).
Sascha Lang, Geschäftsführer des Wendepunkt.
Gartenbau ist ein Arbeitszweig der Stiftung Wendepunkt.

Anzusiedeln ist der 1. Mai irgendwo zwischen einem Ruhetag und einem Hort der Krawalle. Der "Tag der Arbeit" ist in manchen Ländern seit Jahrzehnten ein Feiertag, so etwa in Deutschland und Österreich, in der Schweiz dagegen nicht überall.

Gedanken zum 1. Mai macht sich Sascha Lang im Gespräch mit Livenet.ch. Lang ist seit April 2008 Geschäftsführer der Stiftung Wendepunkt. Diese bietet Menschen Arbeit und Tagesstruktur, die durch einige, wenn nicht alle sozialen Netze gefallen sind. Manche Ausgesteuerten schaffen durch den Wendepunkt die Wiedereingliederung, Asylanten erhalten eine Tagesstruktur, ebenso Menschen mit psychischen Problemen.

Die Stiftung feierte im April 2008 ihr 15jähriges Bestehen; sie hat drei Standorte im Kanton Aargau und beschäftigt über 600 Personen.

Livenet.ch: Sascha Lang, was bedeutet Ihnen der Tag der Arbeit?
Sascha Lang: Grundsätzlich freue ich mich wie viele andere auch, dass man an diesem Tag nicht arbeiten muss. Für mich als Christ haben aber andere Feiertage eine viel höhere Bedeutung; wie zum Beispiel die Auffahrt. Dort steckt viel mehr dahinter. Aber am Tag der Arbeit mache ich mir bewusst, dass ich eine sinnvolle Arbeit habe und dass der Beruf sehr nahe an der Berufung liegt.

Aber auch die Verteilung darf nicht vergessen werden. Manche Menschen haben viel zuviel Arbeit, das bereitet Sorgen und macht krank. Oder wenn man keine Arbeit hat, macht das ebenfalls krank und kann einen bedrücken. Das Mass spielt eine wichtige Rolle.

Wie wichtig ist Ihnen der Tag? Ist er in Ihrem Kanton ein Freitag?
Der Kanton wertet ihn als halben Freitag. Manche Firmen geben ihren Angestellten den Tag aber frei. Wir holen ihn vor und machen dann die Brücke, der Freitag ist also bei uns ebenfalls frei. Solche Brücken sind gut. Gerade für unsere Angestellten, da die Arbeit mit unseren Teilnehmern immer grösser wird. Solche Pausen zum Aufatmen sind wertvoll. Aber natürlich auch für die Teilnehmer. Für sie ist die Lage aber unterschiedlich. Zum Beispiel arbeiten Asylsuchende bei uns mit. Sie sind froh über die Tagesstruktur, da sie sonst in der Unterkunft sitzen. Ein solcher Freitag bietet verschiedene Facetten.

Manche sichern Arbeitsplätze in der Versicherungsbranche, indem sie zerstörungswütig durch die Strassen ziehen. Was steckt aus Ihrer Sicht hinter Randalen an den 1.-Mai-Demos?
Ich habe das Gefühl, dass es vielen gar nicht so darauf ankommt, ob nun der 1. Mai ist oder ein Fussballmatch. Sie suchen einfach eine Gelegenheit, das auszuleben. Wir sehen, dass das Gewaltpotential steigt. Die Spitze des Eisbergs wird da sichtbar, aber es ist noch viel mehr unter der Wasseroberfläche.

Wie kann man dem begegnen?
Da kann ich nur für uns reden. Wir arbeiten mit diesen Jugendlichen und versuchen sie einzugliedern und ihnen Werte zu vermitteln. Nur Disziplin beibringen reicht nicht. Wir machen Erlebnispädagogik und sprechen nicht einfach nur das Verhalten an. Es geht tiefer, wir holen sie ab und sorgen dafür, dass sie sich mit der Zeit selbst motivieren und Sicht und Ziel gewinnen. Oft stecken schwere Geschichten dahinter, die sie im Elternhaus oder in der Schule erlebt haben. Dort muss man in die Tiefe gehen und sortieren, damit sie frei werden und in normale Bahnen kommen. Früher lernte man das in Familien, heute oft nicht mehr, und so muss es nachgeholt werden.

Datum: 01.05.2008
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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