Symptome

Brennt die Leistungsgesellschaft aus?

Burnout kann jeden und alle Berufe treffen: Wer über längere Zeit mehr Energie verbraucht, als er wieder auftankt, steht in der Gefahr ausbrennen. Menschen können sich durch erfolgreiche Präventionsstrategien und frühzeitiges Wahrnehmen der Symptome vor dem Erschöpfungssyndrom Burnout schützen.
Perfektionistisch veranlagte Menschen, die alle Kraft und Zeit in die Arbeit stecken, sind besonders Burnout gefährdet.
Ein Burnout kann durchaus in einer frühen Phase erkannt werden.

Diese Zielsetzung verfolgt das neue Fachseminar von Coachingplus zum Thema Prävention und Behandlung von Burnout. Weitere Infos dazu sind hier zu finden.

Coachingplus hat sich mit der Seminarreferentin Beate Gütt, Fachfrau für Burnout, über das Thema unterhalten.

Wer ist heutzutage Burnout gefährdet?
Beate Gütt:
Meistens sind es leistungsorientierte Menschen, die meinen, alles alleine schaffen zu müssen und ungern ihre Überforderung eingestehen. Die in den 70-er Jahren erstmals von der Kalifornierin Christina Maslach beschriebenen Burnout-Symptome betrafen damals im sozialen Bereich tätige Menschen, die emotional erschöpft reagierten, nachdem sie sich in ihrer Arbeit über alle Massen engagiert hatten. Doch Burnout trifft heute Menschen in allen Berufen, von der Hausfrau bis zum selbstständigen Unternehmer, quer durch alle Berufe hindurch die unterschiedlichsten Menschen.

Engagierte, aber auch perfektionistisch veranlagte Menschen, die alle Kraft und Zeit in die Arbeit stecken, sind besonders gefährdet. Im Klinikalltag erlebte ich immer wieder, dass erst ein Zusammenbruch diese Menschen zu einer Therapie bewegt.

Sie erwähnten das Stichwort Zusammenbruch: Wie kommt es dazu? Gibt es Warnzeichen?
Der Kollaps kündigt sich an, er geschieht nicht ohne Vorzeichen, aber er geschieht unerwartet heftig und plötzlich. Ein Betroffener schildert sein Erlebnis folgendermassen: «Um 5 Uhr bin ich, wie immer, aufgestanden und war um 6 Uhr im Büro. Dort war ich aber völlig blockiert. Den Computer konnte ich nicht mehr aufstarten, kein Blatt vom Pult nehmen. Ich habe nur noch losgeheult», sagt der 47-jährige M.B.*.

Nichts ging mehr. Zwei Tage verbrachte er dann mit Gliederschmerzen zu Hause, als hätte ihn eine starke Grippe heimgesucht. Es war aber weit mehr: Nach acht Jahren im selben Betrieb - als Geschäftsführer - war M.B. nach Intrigen total ausgelaugt. Sein bedingungsloser Einsatz im Betrieb machte einen langen Weg zurück zum gesunden Ausgleich nötig. In einer stationären Behandlung lernte M.B. erstmals wieder, dass es neben der Arbeit und der diktierten und selbst auferlegten Pflicht noch etwas anderes gibt: die Entspannung, die Beziehung mit anderen Menschen, die Freude am Leben.

Kann man sich vor einem Burnout schützen?
Eine qualifizierte Information und Sensibilisierung sowie präventive Strategien können wesentlich dazu beitragen, krankmachende Bedingungen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Massnahmen einzuleiten. Ein Burnout kann durchaus in einer frühen Phase erkannt werden.

Woran kann man ein Burnout frühzeitig erkennen? Welche Alarmzeichen gibt es?
Es gibt eine Reihe von physischen und psychischen Anzeichen. Wenn man zum Beispiel Mühe hat aufzustehen, sich trotz langem Schlaf nicht ausgeruht fühlt oder man bei der Arbeit unmotiviert und resigniert ist, so können dies erste Burnout-Anzeichen sein. Hinzu kommen Körpersymptome wie Kopfschmerzen, Migräneanfälle, Herzprobleme, zum Beispiel Herzrhythmusstörungen. Weiter kann eine Krise, eine depressive Stimmung, oft gleich einen Erschöpfungsnotstand auslösen, verbunden mit unterschiedlichen Zeichen.

«Ich habe nur noch wütend auf alles reagiert und bin wegen jeder Kleinigkeit in die Luft gegangen», sagt die 58-jährige E.R.*. Mit einem deutlichen Drang zur Perfektion hatte sie - zusammen mit ihrem Mann - eine Papeterie, danach ein Restaurant geführt, und nun, bei einem Neuanfang in einer unvertrauten Branche, völlig die Nerven verloren.

Ist Burnout eine Depression?
Burnout wird als „Ausgebranntsein" und „Zustand der totalen Erschöpfung" definiert. Weil dieser Notstand in vielen Fällen von einer depressiven Episode ausgelöst und begleitet wird, ist Burnout auch schon als Trendwort für die längst bekannte Depression verwendet worden.

In der Arbeit geforderte und sich selbst überfordernde Menschen erfahren jedoch ein Burnout, weil es ihnen nicht mehr gelingt, die im Stress im Übermass ausgeschütteten Hormone wie Adrenalin und Cortisol in der Erholungsphase abzubauen. Der natürliche Rhythmus mit der Erholungsphase findet nicht statt, ständig neue Stressfaktoren treten auf, bis es dann nur noch eine minimale Veränderung braucht, damit sich der Mensch völlig verausgabt und „ausbrennt".

Trotz gewisser Parallelen ist Burnout eine eigenständige Krankheit.

Wie „heilt" man ein Burnout? Was geschieht in der Therapie?
In der Therapie lernt der Patient, sein eigenes Bewusstsein und inneres Gespür wieder so aufzubauen, damit er frühzeitig genügend Erholungs- und Ruhephasen einplant. Der Grossteil der betroffenen Menschen hat die Sensibilität für die eigenen Körpersymptome verloren. Durch vielseitige Therapieformen wird ihnen diese Fähigkeit wieder zurückgegeben.

Diese umfassen beispielsweise die Körpertherapie, aber auch komplementärmedizinische Techniken wie Neuraltherapie sowie Psychotherapie, Gruppentherapien und sportliche Angebote. Ein Therapieaufenthalt dauert in der Regel zwei bis drei Monate.

M.P.* meint voller Zuversicht zu seiner Veränderung nach der Therapie: «Ich habe die alte Stelle gekündigt mit Aussicht auf ein neues Arbeitsfeld. Und entspanne regelmässig.» So wie ihm gelingt es den meisten Ausgebrannten, sich mit Zuversicht und Motivation wieder erfolgreich in ihren Berufsalltag zu integrieren. Es beginnt der lange Weg zurück zum gesunden Ausgleich.

Zum Schluss: Welche Tipps zum Vorbeugen haben Sie?
Man braucht andere Tätigkeiten und Bezugspersonen ausserhalb der Arbeit, nach dem Grundsatz: Ich arbeite, um leben zu können. Diesen Ausgleich zum Beruf, Kontakte mit Familie und Freunden und eigene Erholungsphasen, muss man fest in die Agenda einplanen. Es gilt, auf sich und seinen Körper zu achten, eigene Bedürfnisse zu erforschen, wahrzunehmen und ihnen in Erholungsphasen Raum zu geben.

*Namen bekannt

Weitere Informationen zum Thema

Datum: 23.03.2009
Autor: Urs Bärtschi
Quelle: Coachingplus

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