Trauerprozesse begleiten

«Ich bin der Auferstehung näher als du!»

Wie können Sterbebegleiter, Seelsorger oder Angehörige Sterbe- und Trauerphasen mitgestalten? Welche Rituale und Symbole können Betroffenen helfen, Abschied zu nehmen?
Pfarrerin Hanna Wilhelm beim Seminar auf dem «Bienenberg».
«Dem Sterben mehr Leben geben»

«Dem Sterben mehr Leben geben» war der Titel eines Seminars vom 21.-22. Oktober 2011 auf dem Bienenberg. Die Referentin Hanna Wilhelm, Pfarrerin am Bethesda Spital Basel, erläuterte: Wer seinen Hausschlüssel oder Geldbeutel verliert, reagiert genauso wie der, der mit einer Diagnose einer schlimmen Krankheit oder dem Tod eines Angehörigen konfrontiert wird. Zunächst will man den Umstand nicht wahrhaben und wehrt sich dagegen. Dann ist man zornig, fühlt sich schuldig oder hat Angst. In einer dritten Phase wird verhandelt. Ein Sterbender sagt vielleicht zu Gott: «Lass mich wenigstens noch die Geburt meines Enkelkindes erleben!»

Auf die vierte Phase, der aktiven Auseinandersetzung mit dem Verlust, oft verbunden mit einer Depression, folgen Zustimmung und Hoffnung. Trauerphasen müssen nicht alle durchlitten oder konsequent chronologisch durchlaufen werden. «Ich habe Menschen erlebt, die ganz schnell bei der Zustimmung ankommen. Andere wiederum erstarren gekränkt, oder verbittern in der Depression», erläuterte Hanna Wilhelm.

Ein neues Gottverständnis

Ziel gelungener Trauerarbeit ist nach Psychotherapeutin Verena Kast ein neues Welt- und Selbstverständnis. Christen könnten ergänzen: ein neues Gottesverständnis. Oder der Teil einer Beziehung, der hinüber gerettet wurde, wird schliesslich als Lebensbestandteil integriert.

«Auch wenn ich mich von ihrer Spiritualität distanziere, so hat Elisabeth Kübler-Ross mit ihren Interviews mit Sterbenden einen wertvollen Beitrag geleistet», sagte Hanna Wilhelm. Sie helfen, Sterblichkeit als Wesenszug unserer Existenz annehmen und den Tod wieder zum Thema zu machen. Sterbebegleitung ist Lebensbegleitung - bis zuletzt.

Trauern ist der beste Trost

Trauern ist ein intensiver, schmerzhafter emotionaler Prozess. Traurig sein über einen Verlust ist normal und «sehr gesund», so Hanna Wilhelm. Es ist gut, zu weinen, denn Tränen lösen aus der Verkrampfung. Von 150 Psalmen der Bibel seien schliesslich 50 Klagepsalmen. Der schwere Weg durch die Trauer diene als Heilungsprozess, um mit dem Verlust (wieder) leben zu können.

«Was hat euch bei der Trauerarbeit geholfen, was hat gut getan?» fragt die Referentin die Besucher des Seminars. «Mir einen Blumenstrauss kaufen.» «Einen Spaziergang in freier Natur.» «Freunde, die zuhören, bei denen ich einfach so vorbeikommen kann», berichten diese. Manche haben gerade den Verlust ihres Partners oder eines der Eltern zu betrauern. Einige begleiten eine trauernde Person und wollten wissen, ob sie «alles richtig machen.»

Reden ohne Worte, einfach da sein

Für den Begleitenden ist zuhören oberstes Gebot. Weder sind seine Meinung noch das Erörtern der Warum-Frage oder seine Bewertungen gefragt. Wilhelm ermutigt aber zum Nachfragen, an den Bedürfnissen des Abschiednehmenden entlang. «Ist dir lieb, wenn wir jetzt nicht reden?» «Willst du deine Lieblingsmusik hören?»

Irgendwann jedoch erreichen Wörter den Sterbenden nicht mehr. «Auf der Gefühlsebene aber ist ein Mensch immer erreichbar», so Wilhelm. Die Art des Händedrucks etwa sagt mir: Bin ich willkommen? Oder wenn sich jemand wegdreht, kann das bedeuten, dass das Gegenüber jetzt alleine gelassen werden möchte. «Intuitiv macht man meistens das Richtige» wurden die Teilnehmenden ermutigt.

«Und wir können wissen, dass wir in allem, was wir sagen oder tun, geführt werden», sagt die Seelsorgerin und Pfarrerin. Sie ist froh, dass sie sich in ihrer Arbeit im Bethesda-Spital Basel von 50 betenden Diakonissen umringt weiss und sich auch von Psychologen Rat holen kann.

Webseite:
Theologisches Seminar Bienenberg

Buch zum Thema:
Kranke und Sterbende begleiten

Datum: 25.10.2011
Autor: Dorothea Gebauer
Quelle: Livenet.ch

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