Warum sollte ich nicht sündigen?

Sünde ist ein Missverhältnis zwischen dem bekannten Willen Gottes und dem Verhalten des Menschen.
In seinen Geboten hat Gott dargelegt, wie wir heil leben, Gutes bewahren und weitergeben können.

Sünde ist ein schillerndes Wort. Die Rahmtorte schadet der Linie, trotzdem geniessen wir sie. Und kann denn Liebe Sünde sein? Eva lockte die Frucht umso mehr, als die Schlange die Erkenntnis von Gut und Böse versprach. Ist das denn Sünde?

Viele heute bürsten die Bibel gegen ihren Wortlaut und geben der Schlange Recht: Durch das Essen der Frucht, sagen sie, kam nicht die Sünde in die Welt, sondern die Emanzipation des homo sapiens begann, seine Entwicklung zur Freiheit („ihr werdet sein wie Gott“, sagte die Schlange), sein Ringen um Selbstbestimmung.

Die Entfremdung von Gott – Adam und Eva versteckten sich vor ihm – und die Verbannung aus dem Paradiesgarten wären, wenn der Bericht der Bibel so gedeutet wird, kein Sündenfall, kein Absturz, kein Riss in der ursprünglich guten Schöpfung. Der Text würde vielmehr den Willen ausdrücken, das Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Auf die eigenen Kräfte bauen?

Diese Deutung der Geschichte in 1. Mose 3 hat direkte Folgen für uns heute: Ist Sünde überhaupt gravierend? Sollte ich Sünde vermeiden, weil sie mir schadet? Komme ich nicht viel weiter, wenn ich gar keine Limiten und Gebote für mich gelten lasse?

Auch wenn diese Fragen noch offen sind, lohnt es sich, die Bibel zu lesen. Wenn wir uns auf sie einlassen, sie als Buch der Weisheit ernstnehmen, gibt sie Anhaltspunkte für den Umgang mit Sünde. Das hebräisch verfasste Alte Testament verdeutlicht mit diversen Begriffen die Facetten von Sünde, ihre Ursachen, Ausprägungen und Konsequenzen:

Sünde ist

- taumeln, abirren, sich verrennen – wie Schafe, die sich von der Herde absondern,1 oder Betrunkene.2 Der König Saul erkannte, dass er sich verrannt hatte, als er David grundlos jagen liess.3 Die Bibel unterscheidet zwar zwischen unbewusstem und absichtlichem Abirren. Deutlich wird aber: Der Mensch ist grundsätzlich für sein Tun verantwortlich.

- das Ziel verfehlen. Das häufigste Wort für Sünde wird vereinzelt ganz wörtlich gebraucht: etwa für die Treffsicherheit beim Schleudern von Steinen.4 Wer hastig läuft, tritt fehl.5 Gemeint ist dabei nicht ein unabsichtlicher Fehltritt, sondern ein bewusst in Kauf genommenes Fehlgehen.

- eine von Gott gesetzte Grenze übertreten. Weil die erste Generation der Israeliten in der Wüste Gott nicht zutraute, ihnen das verheissene Land zu geben, hiess er sie da bleiben. Mose warnte sie, die Grenze zum Land zu überschreiten.6 Die Pharisäer warfen Jesus vor, seine Anhänger überträten die überlieferten Reinheitsgebote; sie hätten vor dem Essen die Hände nicht gewaschen.7

- unrecht handeln – wie wenn jemand gut unterwegs ist, dann davon abweicht und sich anders orientiert.8 Der Richter, der weiss, was gerecht wäre, aber den Einflussreichen begünstigt, vergeht sich am Massstab, der ihm bewusst ist.9

- sich auflehnen. „Ich habe Kinder aufgezogen; und jetzt, wo sie gross geworden sind, sagen sie sich von mir los!“ klagt Gott durch den Propheten Jesaja die Menschen in Jerusalem an.10 Widerspenstige, die nicht zurückkommen, tragen die Konsequenzen.11

- die Treue brechen, bewusst ein Vertrauensverhältnis zerstören.12 Dieses Verhältnis hat Gott geschaffen, als er einen Bund gestiftet hat, wobei seine Menschen mit Geboten über seinen Willen informiert wurden und beide Seiten verbindlich Ja zueinander sagten.13

- verdreht denken und heillos-verwirrt handeln. Ein Wirrkopf erfasst nicht, worum es geht.14 Die Verwirrung bringt Menschen zu Fall.15

- Gottes Widerwillen erregen, durch Taten, die ihm erklärtermassen wider den Strich gehen, etwa die Anbetung von Götzen16 und Unruhe und Chaos erzeugen; der Prophet Jesaja braucht das Bild von Meereswogen, die unaufhörlich Schlamm und Schmutz aufwerfen.17

- Böses wollen und ihm den Weg bereiten, womit Unheil programmiert ist,18 oder Schuld auf sich laden durch eine Tat, bei der jemand leidet oder zu Schaden kommt. Die Schuld erfordert in den Augen Gottes eine Entschädigung (Vergeltung), auch dann, wenn kein Mensch mehr entschädigt werden kann.19

Vielschichtig

Der gemeinsame Nenner dieser Begriffe für Sünde ist ein Missverhältnis zwischen dem bekannten Willen Gottes und dem Verhalten des Menschen. In seinen Geboten hat Gott dargelegt, wie wir heil leben, Gutes bewahren und weitergeben können. Wir sind für unser Denken, Reden und Handeln verantwortlich. Sünde kommt in Handlungen zum Ausdruck, passiert aber auch im Wollen und Denken. Oberflächlich mag sie ein Geniessen- und Haben-Wollen sein. Darin aber zeigt sich eine Ich-Bezogenheit, die mit einem Verlangen nach Anerkennung und Sicherheit verbunden ist – und von der wir nicht loskommen.

Freiheit jenseits der eigenen Wünsche

Warum sollte ich nicht sündigen? Nicht bloss, weil Sünde Schaden bringt, mir und den Mitmenschen, sondern weil ich auf Holzwege gerate, die nirgendwo hinführen. Grenzen zu überschreiten kann ungeahnte Energien freisetzen und Befriedigung vermitteln – aber wer um sich selbst kreist und nicht nach Gott fragt, wird nicht ans Ziel kommen, sondern sich selbst verlieren.

Dies aber ist nicht die Idee, die Gott für unser Leben hat. Der zweite Teil der Bibel, das Neue Testament macht klar: Jesus Christus hat die geschilderte Dynamik der Sünde, der wir uns nicht entziehen können, gebrochen und einen rettenden Ausweg aufgetan: Glauben wir an ihn als Retter, kann sich diese Ich-Bezogenheit lösen und einer grossen inneren Freiheit weichen.20

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1 Die Bibel, Hesekiel 34,6. Nähere Erläuterungen und die hebräischen Wörter finden sich in: Millard J. Erickson, Christian Theology, Grand Rapids, 1986.
2 Jesaja 28,7
3 1. Samuel 26,21
4 Richter 20,16
5 Sprüche 19,2
6 4. Mose 41-42
7 Matthäus 15,2
8 Hesekiel 18,24
9 3. Mose 19,15
10 Jesaja 1,2
11 Jesaja 1,20, vgl. Hesekiel 2,3
12 durch Verrat wie in 3. Mose 26,40
13 2. Mose 19-23
14 Sprüche 12,8
15 Hosea 5,5
16 5. Mose 7,25-26
17 Jesaja 57,21
18 Amos 6,3
19 4. Mose 5,8
20 Der Apostel Paulus hat dies in seinen Briefen thematisiert, besonders deutlich in Römer 3,21-28, auch in Galater 2,17-20.

Datum: 22.03.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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