Stammtisch mit Pfarrer

Pfarrer Stefan Moll
Stammtische Gespräche

Was Kirche und Papst sich wieder einmal erlauben, ist oft Thema am Stammtisch in Wirtshäusern. Schade, dass in der Regel kein Pfarrer anwesend ist, wenn dort debattiert wird. Das soll sich während der Adventszeit ändern.

Kirche wird oft als Fremdkörper wahrgenommen. Diesem Umstand will Pfarrer Stefan Moll von der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) in Zofingen mit einer Art „Dargebotenem Stammtisch“ entgegentreten. Abwechselnd mit den reformierten Pfarrern wird er deshalb in der Adventszeit regelmässig im Restaurant Markthalle in Zofingen zu finden sein. Für eine angenehme Atmosphäre sorgt die Wirtin Margret Heiniger, damit eine gute Gesprächskultur möglich ist.

„Mehr Seelsorge, als man denkt“

„Etwas stimmt nicht ganz, wenn Pfarrer und Pfarrerinnen ihre Arbeitszeit mit Sitzungen ausfüllen, während im Restaurant offen darüber gesprochen wird, wie es einem geht“, findet Pfarrer Burkhard Kremer. Und Stefan Moll ergänzt: „In einem Restaurant wie der ‚Markthalle’ geschieht mehr Seelsorge, als man denkt.“

Die Pfarrer der Reformierten Kirche und der EMK wollen sich diesen Gesprächen stellen. Absicht sei mehr zuhören als dreinreden. „Wir freuen uns, wenn über Beziehungen, über die Arbeit, über Lebens- und Glaubensfragen, halt eben über Gott und die Welt, mit uns diskutiert wird,“ sagt Pfarrerin Ruth Kremer. Und Stefan Moll ergänzt: „Die drei Pfarrer haben Verständnis dafür, wenn Gesprächsteilnehmer auch einmal auf den Tisch hauen. Zu weit hat sich die Kirche vom Stammtisch distanziert, zu verschiedene Sprachen werden auf der Kanzel und in der Beiz gesprochen.“ Deshalb soll diese neue Plattform für offene Gespräche entstehen. Ähnlich wie die Telefonseelsorge, „Die dargebotene Hand“, werde in Zofingen ein Stammtisch „dargeboten“.

„In der Vorweihnachtszeit ist das Gespräch besonders wichtig“. Moll betont, dass man direkt auf ihn zugehen und ansprechen könne, oder er werde sich sonst einfach an einen der Tische setzen. Die sonst so unterschiedlichen Welten zwischen Kirche und Markthalle sollen so einander näher kommen. Viel zu wenig nehme die Öffentlichkeit wahr, was Kirchen zu bieten hätten: einen vertrauensvollen Raum, in dem einfach über alles gesprochen werden könne.

Dargebotener Stammtisch

Beginn: 3. Dezember, Mittwoch und Freitag, ab 17 Uhr, am 24. Dezember, zwischen 9 und 12 Uhr, im Restaurant Markthalle, Zofingen.


Interview

„Ich frage mich ernsthaft, wieso ich Jesus nicht meine Kreditkarte zur Verfügung stelle“

Stefan Moll ist Pfarrer bei der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) in Zofingen. Der 42-jährige ist verheiratet und hat vier Kinder. Nach dem Studium arbeitete er zuerst in Lausanne und Vevey, anschliessend 10 Jahre lang in Gerlafingen. Dort hat er verschiedene innvoative Projekte mit der Gemeinde der EMK und zusammen mit anderen Kirchen durchgeführt. Bekannt ist vor allem der Bibelweg (www.bibelweg.ch). Seit Juli 2003 ist Familie Moll in Zofingen tätig.

Bruno Graber: Verfolgen jetzt Pfarrer die Leute bis ins Restaurant?
Stefan Moll: Das ist eindeutig ein Problem. Die Kirche ist nicht mehr bei den Leuten. Die Kirchen erreichen nur noch wenige Prozent der Leute.

Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Vor etwa einem halben Jahr habe ich mir überlegt, was ich am liebsten tun würde.

Wieso im Restaurant Markthalle?
Dieses Restaurant hat die richtige Grösse für einen solchen Anlass. Und – für mich kam nur ein solider Holztisch in Frage. So ein Stammtisch fördert die Ambiance.

Soll es wirklich nur ein Plauderstündchen werden – oder erwarten Sie mehr?
Für mich macht diese Aktion auch Sinn, wenn sich nicht jedes Gespräch um grosse Probleme dreht, ich jedenfalls bin auch für einen Jass zu haben. Es geht mir um vertrauensbildende Begegnungen. Ich freue mich allerdings schon, wenn über „Gott und die Welt“ diskutiert wird.

Weshalb vor Weihnachten?
Im Advent und Weihnachten haben die Menschen einen selbstverständlichen Zugang zu religiösen Fragen.

Wieso nur vor Weihnachten und nicht das ganze Jahr über?
Ich sehe es als Versuch, der seine Fortsetzung finden könnte. Ich könnte mir auch vorstellen, dass ausser der Landes- und der Evangelisch-methodistischen Kirche, noch Vertreter aus anderen Kirchen am Stammtisch mitmachen könnten.

Was bedeutet Ihnen Weihnachten?
Ich muss gestehen, dass ich Mühe mit dem heutigen Verständnis von Weihnachten habe. Theologisch gesehen sind mir Ostern und Pfingsten wichtiger als Weihnachten. Unserer Weihnachtskultur haftet ein etwas mittelalterliches Lebensgefühl an. Mich stört, dass dadurch die Bedeutung, wieso Gott Mensch wurde, durch unsere Weihnachtsfeierkultur verdunkelt wird.

Was würden Sie Jesus zu Weihnachten schenken?
Ich frage mich ernsthaft, wieso ich ihm nicht meine Kreditkarte zur Verfügung stelle.


Wo müsste Jesus heute eingreifen?

Ich bleibe beim Thema Geld – dem schrecklichen Umgang mit dem Geld. Ich frage mich, weshalb auch unter den Kirchgängern eine selbstverständliche Akzeptanz da ist, wenn jemand mit einem Ferrari zur Predigt vorfährt. Oder wenn Christen ungestraft Aktien von Firmen besitzen, die nachweislich unmoralisch handeln.

Was für positive oder negative Gefühle hegen Sie Weihnachten gegenüber?
Gott-gerne-klein! Gott vertrauen, der sich in Jesus Christus klein gemacht hat. Negativ finde ich, wenn sich Menschen nur von einer Weihnachtsstimmung tragen lassen, die Ende Jahr wieder aus und vorbei ist. Viele Sehnsüchte brechen auf. Die Kirchen sollten mit ihren Antworten solche Sehnsüchte im biblischen Sinn stillen können – verpassen jedoch Jahr für Jahr diese Chance.


Wie feiern Sie Weihnachten dieses Jahr?

Mit Baum und so. In unserer Familie werden wir uns auch gegenseitig beschenken. Wir haben jedoch einen Höchstbetrag ausgemacht: Die Geschenke dürfen nicht teurer als 2 Franken sein.

Wie verwöhnen Sie Ihre Seele?
Ein gelungener Gottesdienst, ein gutes Buch, mit der Familie „fun“ haben und viel Farbe. Ich liebe Farben über alles. Je bunter, je lieber. Farben verwöhnen mein Leben.


Auf welche Frage möchten Sie gerne eine Antwort finden?

Warum lässt Gott das Leid zu?


Das Wichtigste, was Menschen über Gott wissen müssen?

Ich bin geliebt!

Audiobeitrag des ERF Schweiz

Quelle: pd/svm

Datum: 01.12.2003
Autor: Bruno Graber

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