Babylonisch in halbromantischer Gemeinde

Samuel Aweida bei einem Open-Air-Gottesdienst der Evangelischen Allianz von Haifa.
Das Gemeindegebäude.

Samuel Aweida führt in Haifa eine messianische Gemeinde. Ihre Mitglieder kommen aus diversen Kontinenten.

Die Exotik beginnt mit Samuel Aweida selbst. Der arabische Israeli leitet eine messianische Gemeinde und ist damit ein Unikat. Rund 130 messianische Juden aus Russland, Amerika, Südafrika, Äthiopien, Korea, Kanada und so weiter besuchen die Gottesdienste. Multikulti, aber auch Zündstoff gehören somit zum Gemeinde-Alltag.

Sie führen eine Gemeinde in Haifa. Das klingt für unsere Ohren recht romantisch ...
Nein, romantisch ist es nicht. Es gab schon Leute, die haben wir in Tel Aviv am Flughafen abgeholt und sind mit ihnen dann auf der Autobahn nach Haifa gefahren. Sie haben gestaunt, dass wir nicht mit Kamelen unterwegs sind. Manche Leute haben eine recht romantische Sicht von Israel.

Was für eine Gemeinde leiten Sie in Haifa?
Es ist eine messianische Gemeinde, die von norwegischen Missionaren gegründet wurde. Nach dem Krieg arbeiteten sie unter Juden in Osteuropa. Die Kommunisten haben dann die Missionare aus Rumänien und anderen Ländern rausgeschmissen. Manche von den messiasgläubigen Juden kamen nach Israel. Es war eine deutsch- und rumänischsprachige Gemeinde in den späten fünfziger Jahren. Nun sind wir hebräischsprachig. Hinzu kommen viele andere Sprachen.

Sie selber sind Araber. Hat die Gemeinde auch einen arabischen Hintergrund?
Ich bin ein arabischer Israeli. Aber die meisten sind Juden. Wir sind eine hebräischsprachige Gemeinde, ohne Ableger in der moslemischen Welt. Wir wollen ja die Leute in Israel mit dem Evangelium erreichen.

Hier in Europa verbindet man Araber nicht zuletzt mit Terror. Haben Sie davon schon etwas bemerkt?
Nein, wo ich war, herrschte Freude. Ich war in verschiedenen, christlichen Gemeinden, und wir waren Brüder und Schwestern. Aber die meisten Araber sind Moslems. Und ich glaube, dass Gott Moslems liebt, aber den Islam hasst. Aber es gibt auch Araber, die Christen sind.

Andererseits gibt es rund 15 Millionen christliche Araber. Es gibt also etwa gleich viele christliche Araber wie Juden auf der Welt ...
Ich habe keine Statistik. Wir haben Kontakt zu Gemeinden in unserer Region und in der Westbank. Aber zu keinen anderen. Nicht alle dieser 15 Millionen sind wohl wiedergeborene Christen. Sondern Christen in dem Sinne wie Deutschland oder die Schweiz christliche Länder sind. So gesehen gibt es in Deutschland 70 Millionen Christen.

Säkulare Christen also. Lassen Sie uns über Ihre Gemeinde sprechen. Die ist wohl nicht säkular ...
Nein.

Wenn ich nun zu Ihnen nach Haifa komme: Was sehe ich, wenn die Türe hinter mir ins Schloss fällt und ich drinnen stehe?
Das erste ist ein Kopfhörerset, damit sie den Gottesdienst ins Englische übersetzt hören können. Unsere Gottesdienste halten wir auf hebräisch. Wir übersetzen simultan ins Englische und Russische. Insgesamt haben wir in unserer Gemeinde 15 bis 18 Muttersprachen. Die meisten sind Israeli mit den unterschiedlichsten Herkünften.

Das ist das erste, was Ihnen auffallen würde. Dann der Gottesdienst – na ja, ich weiss nicht wie man diesen in der Schweiz durchführt. Ich denke, dass ist überall in der Welt gleich. Wir beginnen mit einem Worship und singen dabei rhythmische israelische Lieder mit einem sehr alten Text. 80 Prozent sind biblische Texte zu hebräischen Melodien. Es folgt eine Predigt. Wenn man so unterschiedlich ist, dann ist das Zusammensein eine Herausforderung.

Eine Art Versöhnungsbewegung vor Ort ...
Ich finde es lustig, wenn Salim Munayer – der die Versöhnungsbewegung «Musalaha»* führt – mich fragt, ob ich nicht stärker in seiner Bewegung mitarbeiten wolle. Ich sage zu ihm: «Ich habe jeden Samstag “Musalaha”! Jeden Samstag führe ich eine neue Konferenz. Ich brauche deine Konferenzen nicht.» Ich sage das im Spass zu ihm. Aber es ist wahr: Unterschiede gibt es nämlich nicht nur zwischen Arabern und Juden; das sind vielleicht nicht einmal die grössten. Als israelischer Araber habe ich für einen israelischen Juden weniger Zündstoff als ein russischer Jude. Daran denken die Leute gar nicht. Sie sagen: Hej, ein arabischer Pastor in einer jüdischen Gemeinde! Aber ich bin Israeli. Mit einem israelischen Juden Kontakt zu haben ist für mich leichter als für einen amerikanischen Juden. Das Konfliktpotential ist aber sehr gross. Wir müssen uns wirklich auf das Wort Gottes ausrichten. Wenn wir den Messias preisen, ist dies der beste Weg, den Blick von uns und unseren Problemen wegzulenken. Es ist wahre «Musalaha» durch den Messias.

* Salim Munayer führt messianische Juden und palästinensische Christen zusammen, um beide Gruppen zu versöhnen.

Zur Person

Samuel Aweida ist in Haifa aufgewachsen und kennt die Situation in Israel aus seinem persönlichen Erleben. Besonders gefordert war er, als ein 14jähriges Mädchen aus seiner Gemeinde bei einem Attentat auf einen Bus ums Leben kam. An ihrer Abschiedsfeier nahmen über 1000 Personen teil. Es kam zum Ausdruck, dass die Betroffenen trotz des Schmerzes von einer Hoffnung getragen waren. Samuel Aweida ist trotz seiner arabischen Herkunft eine anerkannte Persönlichkeit innerhalb der messianischen Bewegung in Israel. Dies ist ein Unikum. Im Ausland ist er selten zu hören. Dieser Vortrag bietet daher eine einmalige Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen.

Datum: 04.08.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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