Der Glaube an Allah, den andern Gott

mosche und betende

Attentate auf amerikanische Botschaften, Frauen mit Kopftüchern auf unseren Strassen, Pilgerreisen nach Mekka, enges gesellschaftliches Leben im Orient: All dies ist "Islam" für uns. Was ist der Islam nun wirklich: Religion, politisches System oder gesellschaftliche Kraft?

Auf die Frage "Was ist der Islam?" könnten gleich mehrere Antworten gegeben werden. Zweifellos ist der Islam eine Religion, und zwar eine Religion, die dem Christentum auf den ersten Blick sehr ähnlich scheint. Aber er ist nicht nur eine Religion. Mit ebensolcher Berechtigung könnte man sagen, der Islam sei ein politisches System. Gleichzeitig ist der Islam auch eine Lebensart, eine gesellschaftliche Kraft, die das Leben des einzelnen bis ins Detail reglementiert.

Eine Religion

Der Islam ist eine Religion, das ist nur allzu offensichtlich. Obwohl es für Religionen eine Vielzahl von Definitionen gibt, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, sind folgende Punkte eindeutige Kennzeichen dafür:

- Der Islam verpflichtet seine Bekenner im Koran - dem heiligen Buch des Islam - auf den Glauben an Allah, den Schöpfer und Richter der Welt.

- Der Islam fordert seine Bekenner auf, Allahs Willen zu tun. Allahs Wille ist niedergeschrieben im Koran und der islamischen Überlieferung, die im Übrigen als ebenso göttlich inspiriert gilt wie der Korantext selbst.

- Allahs Wille ist es, dass jeder die fünf Säulen des Islam befolgt: Das Bekenntnis zu Allah, das fünfmalige tägliche Gebet in Richtung Mekka auf Arabisch, das 30tägige Fasten im Monat Ramadan, das Verteilen von Almosen und die Wallfahrt zum islamischen Zentralheiligtum nach Mekka einmal im Leben. Auch darüber hinaus formuliert der Koran Gebote, wie zum Beispiel die Fürsorge für die altgewordenen Eltern. Der Koran definiert, was Sünde ist, die der Mensch zu unterlassen hat, wie zum Beispiel Diebstahl oder Ehebruch. Verstösst der Mensch dagegen, kann er bei Allah Vergebung suchen.

- Am Ende der Zeiten wird Allah über alle Menschen Gericht halten: Für einige wird das Gericht Eingang ins Paradies bedeuten, für andere das Hinabstossen in die Hölle.

Was der Koran leugnet

Der Islam ist aber nicht nur irgendeine Religion. Er ist eine Religion, die Christen herausfordert. Warum? Zwischen Islam und Christentum gibt es nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch gewaltige Unterschiede. Nirgends wird das so deutlich, wie an der Stellung des Islam zu Jesus Christus. Zwar stellt der Koran Jesus als Messias, als Wort Gottes, als Prophet und als Wundertäter heraus, der sogar Totes zum Leben erweckt. Gleichzeitig aber leugnet der Koran die Eck- und Grundpfeiler des biblischen Glaubens:

- Der Koran leugnet die Gottessohnschaft Jesu. Nach dem Koran ist Jesus nur ein Mensch.

- Der Koran leugnet die Kreuzigung Jesu. Der Tod Jesu wäre eine schmachvolle Niederlage gewesen, die einem Propheten Gottes nicht zukommt.

- Der Koran leugnet die Dreieinigkeit. Sie ist aus muslimischer Sicht Vielgötterei und Götzendienst.

- Der Koran leugnet die Verdorbenheit und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Der Mensch ist in der Lage, Gottes Gebote zu halten, denn der Sündenfall hat nicht stattgefunden.

Ein politisches System

Schon zur Zeit der Entstehung des Islam existierte die Verbindung von Religion und Politik. Muhammad war gleichzeitig religiöser wie politischer Führer der ersten islamischen Gemeinde. Er erhielt "Offenbarungen von Allah", rang gleichzeitig aber ab etwa 622 nach Christus seine politischen Gegner durch Überfälle und Kriegszüge nieder und verhalf so dem Islam auf der Arabischen Halbinsel zum Sieg. Die Bestimmungen der Sharia, des islamischen Gesetzes, auch heute Politik zu machen und Gesetze zu erlassen, sind nicht ein Anhängsel des Islam - nein, der Islam ist selbst Politik. Mit dem Islam aufs Engste verbunden ist immer der Anspruch, die Sharia durchzusetzen und die islamische Herrschaft aufzurichten. Auch dort, wo der Islam noch keine Staatsreligion ist. Die Sharia regelt unter anderem, dass ein Apostat, also ein vom Islam Abgefallener, mit dem Tod zu bestrafen ist; mögen da noch so viele Menschenrechtserklärungen unterzeichnet sein. Das religiöse Gesetz des Islam, das die Todesstrafe für Apostasie fordert, kann niemals seine Gültigkeit verlieren, da sich der Islam damit selbst abschaffen würde. Auch die Durchsetzung des Gebetsrufes per Lautsprecher in deutschen Städten ist nichts weniger als ein Akt der Politik.

Die Stellung der Frau

Der Islam prägt eine Gesellschaft durch und durch. Im öffentlichen wie im privaten Leben gibt er Regeln für die Familie und den einzelnen Staatsbürger. Der Islam als gesellschaftliches System bestimmt zum Beispiel die Stellung der Frau im Islam. Gerade hier bilden religiöse Gebote, wie beispielsweise die Verschleierung, gemeinsam mit den Gesetzen der Sharia (Möglichkeit zur Vielehe, einfache Scheidung und Züchtigungsrecht für den Mann) ein System, nach dem die Frau sich nur in einem genau festgelegten gesellschaftlichen Rahmen bewegen kann. Und der ist religiös legitimiert. Selbst wenn ein Mann also seine Frau "anders" behandeln oder seinen Töchtern mehr Schulbildung ermöglichen wollte, würde er sich damit dem Verdacht aussetzen, den Islam zu missachten. Fast immer wird er dem gesellschaftlichen Druck seines Umfeldes nachgeben müssen.

Regeln für alles

Der Islam als religiöses, politisches und gesellschaftliches System gibt Regeln für das gleichermassen öffentlich wie privat gelebte religiöse Leben: Es gibt tägliche Pflichten wie das Gebet, wöchentliche Pflichten wie das Freitagsgebet in der Moschee, monatliche Pflichten wie Reinigungszeremonien und jährliche Pflichten wie das Fasten. Der Islam gibt Regeln für das wirtschaftliche Leben, zum Beispiel durch das Verbot der Zinsnahme, aber auch für die Politik, wenn er überall die Durchsetzung des islamischen Gesetzes fordert. Der Islam regelt das persönliche Leben durch seine vielen Gebote wie die Festlegung des geeigneten Heiratsalters, die Speisegebote oder auch die Kleidungsvorschriften.

Mit Muslimen reden

Meist ist es erheblich leichter, mit Muslimen über Glaubensfragen ins Gespräch zu kommen als mit "entkirchlichten" Zeitgenossen. Die meisten Muslime betrachten den eigenen Glauben nämlich nicht als unantastbare Privatangelegenheit. Gerade weil Islam und Christentum an vielen Punkten ähnliche Aussagen machen, ergeben sich hier viele Möglichkeiten zum Gespräch. Zu hören, dass ein Christ an Gott, den Schöpfer glaubt, dass er Ehe und Familie für gottgegebene, unverletzliche Ordnungen hält und seine Kinder im Glauben erziehen möchte, wird bei gläubigen Muslimen fast immer auf erfreute Zustimmung stossen und gemeinsame Grundlagen für ein Gespräch schaffen.

Urteile vermeiden

Wenn es um die Unterschiede im jeweiligen Glauben geht, sollte man sehr zurückhaltend sein, unaufgefordert von sich aus Aussagen über den Islam zu machen. Es könnte zu Verletzungen führen, wenn sich der Muslim in eine falsche "Schublade" gesteckt fühlt. Auf jeden Fall vermeiden, sollte man Urteile über Muhammad, seine Politik und seinen Charakter, über den Koran oder die Politik des Landes, aus dem unser Gesprächspartner stammt.

Interessiertes Hören

Zu einer religionsübergreifenden Freundschaft gehört nicht nur das Reden, sondern unbedingt auch das Hören. Selbst grosses Wissen über den Islam kann niemals interessierte Fragen danach ersetzen, was denn der einzelne persönlich glaubt. Es gibt ebenso wenig den Islam, wie es das Christentum gibt. Nicht zu meinen, dass man schon alles über den Islam und den islamischen Glauben weiss, ist eine wichtige Voraussetzung für ein ernsthaftes Gespräch.

leicht gekürzte Fassung

Datum: 27.03.2002
Autor: Dr. Christine Schirrmacher
Quelle: Chrischona Magazin

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