Rechtfertigen

Rechtfertigen heisst nicht bloss: für gerecht erklären, sondern zugleich in die ursprünglichen Rechte des Menschen wiedereinsetzen

Den griechischen Ausdruck díkaian übersetzt Luther einige Male mit »rechtfertigen«, meist mit »gerechtmachen«, die passive Form mit »gerecht werden.« In der Gerichtssprache bedeutet das Wort auch: für gerecht erklären oder gerechtsprechen.

Doch ist im Neuen Testament unter der Rechtfertigung niemals eine blosse Erklärung zu verstehen derart, dass der Mensch gerechtgesprochen werde, ohne es aber in Wirklichkeit zu sein. Diese Bedeutung kann schon dem einfachen Wortsinn nach diesem gerichtlichen Fachausdruck nicht beigelegt werden.

Wenn der Richter einen Gefangenen freispricht, dann gilt er nicht bloss als frei, sondern er ist frei; er wird in dem Moment aus der Haft entlassen. Wenn einer vom Gericht für gerecht erklärt wird, dann ist er auch gerecht und hat alle Rechte eines Staatsbürgers wieder.

Wen Gott gerecht spricht, den macht er auch gerecht, den setzt er in alle Rechte, die dem Menschen seinem anerschaffenen Wesen nach zukommen, wieder ein. Es ist des Menschen angestammtes Recht, Gott nahe zu sein, ihm innig verbunden zu sein, teilzuhaben an der göttlichen Lebensfülle.

Gott rechtfertigt den Menschen; das bedeutet: Gott setzt ihn wieder ein in alle ursprünglichen Rechte des Menschen; er zieht ihn in seine Nähe; er gibt ihm Anteil an seiner Heiligkeit und Hoheit. Mit anderen Worten: Gott macht ihn wieder zu einem normalen (rechten) Menschen.

Rechtfertigung ist Neuschöpfung und Versetzung in die Gemeinschaft mit Gott

»Da wir nun aus Glauben gerecht gesprochen werden, haben wir also Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus« (Röm. 5,1). Friede mit Gott bedeutet im Neuen Testament soviel wie: Gemeinschaft, Berührung mit Gott.

Die unmittelbare Folge der Rechtfertigung (Gerechtsprechung) ist also, dass der Mensch in die nächste Nähe Gottes kommt und dadurch auch in seiner Art, in seiner Grundrichtung göttlich wird.

Dass die Rechtfertigung Neuschöpfung, Verwandlung bedeutet, spricht Paulus 1. Korinther 6,11 aus: »Ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus« (durch die Berührung mit seiner Person) »und durch den Geist unseres Gottes.« Die Berührung mit Christus, das Kommen des Geistes wirkt ja die neue Schöpfung.

Dem Sinn (nicht dem Wortlaut) nach spricht Jesus dasselbe aus, wenn er zeigt, wie der verlorene Sohn, nachdem er wieder zum Sohn erklärt ist, gleich auch wieder zum Sohn wird. Er geniesst alle Güter des Vaterhauses und hat volle Lebensgemeinschaft mit dem Vater wieder.

Datum: 09.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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