Gott sehen

Das Verlangen, Gott zu sehen, ist urmenschlich. Was wir mit den Augen schauen, prägt sich uns stärker ein und hat mehr Wirklichkeitsgehalt als was wir riechen oder hören. Gott sehen ist das ultimative Erlebnis. Zu kaufen ist es nicht.
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In allen Religionen lässt sich ein Riss zwischen Gott und den Menschen spüren - denn sie bräuchten keine Religion, wären sie harmonisch mit ihm verbunden, würden sie ihm entsprechen, wären sie ohne trennende, todbringende Schuld und Angst. Die Religionen sind Versuche zur Heilung dieses Risses, der sich auch darin zeigt, dass Gott nicht gesehen werden kann. Dies macht Gott, der Heilige, der sich in der Bibel offenbart, deutlich. „Kein Mensch wird leben, der mich sieht", weist er Moses Wunsch ab, sein Angesicht zu schauen (1).

Gottes Initiative...

Als Sehende empfinden wir nicht nur, wir nehmen nicht nur eine Botschaft und etwas von ihrem Sender wahr, sondern ihn selbst. Jedenfalls meinen wir das. Ein Durchgang durch die Bibel zeigt zweierlei: dass Gott in seiner Erhabenheit (2) von Menschen nicht gesehen werden kann - und dass er es sich nicht nehmen lässt, dies endlich zu ändern.

Im Paradies zerreisst die erste Sünde das harmonische Miteinander, das sich Gott für seine Geschöpfe ausgedacht hat: Adam und Eva verstecken sich vor seinem Angesicht (3). Die Augen gehen ihnen auf; sie nehmen den Verlust ihrer Unschuld wahr, erkennen ihre Nacktheit und müssen den Garten verlassen, in dem Gott zu spazieren beliebt (4).

...zur Heilung des Risses

Abraham lernt Gott, der mit ihm spricht, in einer einzigartigen Weise kennen und wird von ihm besucht, in Gestalt von drei Männern (5). So persönlich Gott seinem Freund begegnet, der ihm grenzenlos vertraut, so majestätisch zeigt er sich den Israeliten am Sinai. Denn er ist im Himmel (6). In einer Wolke, im Feuer, unter furchterregendem Donner, kommt er herab zum Berg, auf den Mose steigt, um seinen Willen für sein Volk zu vernehmen und die Gebote zu empfangen (7).

Die Israeliten dagegen sollen nicht enthusiastisch-fasziniert auf den Berg steigen; sie würden sterben (8). Zu den obersten Weisungen, die Gott am Sinai gibt, gehört das Verbot, Bilder von Gott zu fertigen (als hätte man ihn gesehen) und sie zu verehren. Ihm, dem Unbegreiflichen, der jenseits jeder abbildbaren Gestalt im Himmel existiert, gehört allein die Ehre (9). Wer sich Bilder von Gott macht, hat ihn verfehlt.

Vor-Schau

Der Bund, den Gott mit den Geboten den Israeliten schenkt, soll eine dauernde Gemeinschaft zwischen ihm und ihnen stiften. Als Vorwegnahme ihrer Vollendung dürfen Mose und 73 Vertreter des Volks auf dem Berg Gott kurz schauen - wie von unten: „Sie sahen den Gott Israels. Unter seinen Füssen war es wie eine Fläche von Saphir und wie der Himmel, wenn es klar ist" (10). Nach der Katastrophe des goldenen Kalbs gewährt Gott Mose, der darum bettelt, als Vergewisserung, persönlich eine Schau - von hinten. Denn „mein Angesicht kann man nicht sehen" (11).

In der Wolke

Dabei bleibt es lange, sehr lange. Wegen der unausrottbaren Neigung der Menschen, ihre eigenen Wege zu gehen, agiert Gott in der Folge durch seinen Engel, den Boten, der seine Worte ausrichtet und seinen Willen ausführt (12). Im Tempel in Jerusalem, den Salomo ihm errichtet, lässt er seinen Namen wohnen; seine Herrlichkeit, erlebt als eine undurchdringliche Wolke, erfüllt das Gebäude (13).

Visionen der Majestät

Zwei Propheten schauen Gott als den unnahbar Heiligen, der doch unbeirrbar an seinem Bund festhält - bezeichnenderweise in zwei Krisenzeiten. Während der Assyrerkönig Tiglat-Pileser unwiderstehlich, alle Gegner zermalmend, sein Grossreich errichtet und das Land bedroht, sieht Jesaja „den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel. Serafim standen über ihm... und einer rief zum andern und sprach: ‚Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen; alle Lande sind seiner Ehre voll!' Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das Haus ward voll Rauch. Da sprach ich: ‚Weh mir, ich vergehe...!'" (14).

Finsternis

Sechs Generationen später provoziert die freche Missachtung von Gottes guten Geboten, die zu schreiendem Unrecht in seinem Land führt (15), zur Katastrophe: Fremde herrschen über das Volk. Die Babylonier haben das Land geplündert, Jerusalem erobert und die tüchtigen und gelehrten Leute nach Mesopotamien deportiert (16). Unter ihnen ist Hesekiel. Er hat eine Vision der Herrlichkeit Gottes, hoch über himmlischen Wesen, überallhin unterwegs (17). Sonst hören Propheten Gott und empfangen teils in Bildern, was er ihnen mitteilen will (18).

Kluft - nicht für ewig

Vorerst ist die Distanz zwischen den eigensinnigen sterblichen Menschen und dem ewigen Gott nicht überbrückbar. Aber er hält daran fest, dass eine andere Zeit kommen wird (19): „Ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schliessen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein... Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein."

Diese Zeit bricht Jahrhunderte später mit Jesus von Nazareth ein.

Datum: 18.07.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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