Embryonen aus Mensch und Affe

Wenn der Mensch Gott spielt

Chinesische und amerikanische Wissenschaftler forschen an Embryonen, die eine Mischung aus Affe und Mensch sind. Ethiker sind sich uneins: Wie weit darf der Mensch gehen?
Embryonen von Javaneraffen wurden menschliche pluripotente Stammzellen eingesetzt (Bild: Pixabay)
Harald Binder

Wie das Fachmagazin Cell berichtet, ist es einem chinesisch-amerikanischen Forscherteam um den Wissenschaftler Juan Carlos Izpisua Belmonte gelungen, menschliche Zellen mit den Zellen von Affenzellen zu einem Mischwesen, einer sogenannten Chimäre, zu verbinden. Allerdings bisher nur als Embryo – im Reagenzglas. Die Überraschung: Von den anfänglich 132 Embryonen-Chimären blieben drei sogar 19 Tage nach der Befruchtung noch am Leben. So lange überlebte in der Petrischale bisher kein Mensch-Tier-Zellgemisch. Aus der Cell-Veröffentlichung geht hervor, dass es sich um Grundlagenforschung handelt. Das Ziel sei, später in Schweinen Ersatzorgane zur Transplantation in Menschen zu produzieren.

Aus diesem Vorhaben ergeben sich einige Fragen: Liesse sich so ein Embryo von einer äffischen oder menschlichen Spendermutter auch austragen und zur Welt bringen? Und wenn ja: Was bedeutet dieses Mischwesen für das Selbstverständnis des Menschen? Darf der Mensch überhaupt die Artgrenze überschreiten, sich mit fremden Arten mischen und somit Gott spielen? Wie der Forschungsleiter Izpisua Belmonte sagt, ist die Geburt eines Mischwesen nicht Ziel der Forschung.

Mensch «etwas völlig anderes» als ein Affe

Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung (FAZ) sagte der Reproduktionsforscher Stefan Schlatt vom Universitätsklinikum Münster, es dürfe bei dieser Grundlagenforschung «keinesfalls die Geburt eines Mischwesens angestrebt» werden. Im Gespräch mit PRO sagte Schlatt, Chimärenforschung sei sinnvoll, um zu sehen, welche Zelle auf welche Signale wo und wie reagiert.

Aus Sichtweise der Evolutionstheorie seien Artgrenzen fliessend, meint Schlatt, der auch katholischer Diakon im Bistum Münster ist. Er sehe aber den Menschen als etwas «völlig anderes» als einen Affen, den er ansonsten als sehr kluges Wesen schätzt und mit dem er über Mimik auch kommunizieren könne. «Das fordert von mir grössten Respekt.» Aber da «die Evolution nicht zu Ende ist», könne der Wissenschaftler mit dem Gedanken des Menschen als Krone der Schöpfung wenig anfangen. «Was der Herrgott mit uns vorhat und wo die nächsten Evolutionsstufen sind, das wissen wir einfach nicht.» Dass die Chimärenforschung zum Bösen missbraucht würde, glaubt er nicht, da er an das Gute im Menschen glaube, «sonst wäre mein christlicher Glaube auch hinfällig».

Wort und Wissen: «Gott-spielen»-Wollen ist Ursünde

Der Chemiker und Mitarbeiter der evangelikalen und evolutionskritischen Studiengemeinschaft Wort und Wissen (Baiersbronn) Harald Binder sieht das im Gespräch mit PRO anders. Von der Bibel her gesehen rebelliere der Mensch schon von Anfang an gegen seine ihm vom Schöpfergott gegebenen Grenzen. Die Ur-Sünde bestehe laut biblischer Schöpfungserzählung in dem «Gott-spielen»-Wollen, also darin, dass der Mensch seine Grenzen nicht akzeptiere. Dies ziehe sich durch die ganze Menschheitsgeschichte. Die Chimärenforschung wäre nur ein weiterer Ausdruck dieser Rebellion gegen göttliche Grenzen.

Binder gibt gegenüber PRO zu bedenken, dass in dieser Forschung ein Menschenbild vertreten würde, dem die Funktionalität am wichtigsten sei. Die «Ganzheit» des Menschen gehe verloren: «Ich glaube, der Mensch ist mehr als nur ein funktionsfähiges System.» Binder zufolge gäbe es viele andere medizinisch relevantere Forschungsthemen, aber «obwohl uns niemand zwingt, in diese Richtung zu forschen», scheine die Chimärenforschung für viele Forscher «unheimlich attraktiv» zu sein. «Von diesen Bereichen sollten wir eher die Finger lassen.»

Auch sei der Mensch mehr als nur ein höher entwickeltes Tier, er sei ein sterbliches und endliches Wesen und müsse sich seiner Begrenzungen bewusst werden – denn schliesslich muss er unweigerlich sterben.

Zum Originalartikel auf PRO.

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Datum: 28.04.2021
Autor: Christian Albrecht
Quelle: PRO Medienmagazin

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