Jahrelang
litt Manuela Käser an Angstzuständen, Depressionen und unvorstellbaren
Schmerzen. Nichts half – und trotzdem erlebte sie einen Durchbruch und
bezeichnet sich heute als «glücklich».
Manuela Käser (36) ist verheiratet, hat zwei
Kinder und lebt in Niederönz. Dies könnte die Beschreibung einer glücklichen Frau
sein. Bei Manuela ist dies jedoch nicht der Fall.
Schwierige Jugendjahre
Manuelas Jugend war geprägt von Vaters Alkoholsucht,
Fremdgehen und Gewalt. In der Schule hatte sie Probleme. Wegen eines
Selbstmords in der Verwandtschaft machte sie sich früh Gedanken über den Tod
und den Glauben. Als sie vierzehn Jahre alt war, wurde bei ihr Borderline
diagnostiziert. Das war die Zeit, als sich ihre Eltern scheiden liessen und sie
selbst mehrere Operationen über sich ergehen lassen musste. «Das alles war zu
viel. Ich wollte nicht mehr leben.» Nach einem Haushaltslehrjahr arbeitete sie
in einer Dorfbeiz, wo sie erneut mit Alkohol in Berührung kam. Nachdem ihre
Mutter sie vor die Tür gestellt und sie sich verschuldet hatte, nahm sie sich
einen Beistand.
Klinikaufenthalt, Abtreibung und ein Sohn
Manuela bekam ihr Leben nicht auf die Reihe.
«Mit 18 war ich in der Klinik, wo meine Vergangenheit angeschaut und ich von
einem Jobcoach beraten wurde.» Sie liess es über sich ergehen. Ein Jahr später
verliebte sie sich und wurde schwanger. Das Umfeld überredete sie zu einer
Abtreibung. «Das war sehr schwierig. Mein Freund warf mir vor, das Kind getötet
zu haben und ich stürzte mich in Partys und Alkohol.»
Eine Beziehung folgte auf die andere, auch im
Beruf klappte es nicht. Mit 29 wurde sie erneut schwanger. «Ich entschied mich,
das Kind zu behalten. Die Umstände waren jedoch nicht gut.» Im
Geburtsvorbereitungskurs lernte sie Marion kennen, die ihr zur Freundin wurde.
Mit ihr führte sie auch viele Gespräche über den christlichen Glauben. Nach der
Geburt ihres Sohnes war sie total überfordert. «Alles war mir egal, ich war
einfach leer.»
Qualvolle Jahre
Die Überforderung blieb. Zeitweise fand sie bei
den Eltern ihres Freundes Zuflucht. Dies war eine Entlastung, jedoch keine
Lösung ihrer Probleme. «Ich verdrängte meinen inneren Zustand, sprach mit
niemandem darüber.» Ein tyrannisierender Nachbar, Panikattacken und
Depressionen setzten Manuela zu. «Es war der Horror!» Die Schwiegereltern
betreuten das Kind, doch das Loslassen war schwierig. «Dann wurde ich wieder
schwanger.» Das Leben war qualvoll. Es gab viel Streit mit dem Partner. Die
Ängste nahmen ständig zu.
2016, nach der Geburt ihrer Tochter, brach sie
total zusammen und war zwei Wochen später in der psychiatrischen Klinik.
Es wurde immer schlimmer …
Eines Morgens im Sommer 2017: «In Panik packte
ich meine Koffer, nahm die Kinder und fuhr zu Verwandten.» Am folgenden Tag
erhielt sie einen Anruf: Ihr Haus brannte. «Ich hatte keine Gefühlsregungen.
Alles war mir egal.» Da lernte Manuela Marions Freundinnen aus deren Freikirche
kennen. Sie würde noch sehr dankbar für sie sein.
Die Panikattacken wurden schlimmer. «Ich wurde
auf Borderline behandelt und machte einfach weiter.» Sie sprach mit niemandem
darüber. Im Frühjahr 2020, als Corona kam, wurde es ganz schlimm. Das Umfeld
war überfordert. Letztlich liess sich Manuela in die Klinik einweisen. «Dort
traf mich plötzlich ein Schlag und meine Bewegungsfähigkeit war eingeschränkt.»
Zeitweise konnte sie nicht mehr richtig sprechen. Es folgten viele Abklärungen,
mehrere Diagnosen wurden gemacht – besser wurde es nicht.
… als wäre es die Hölle
«Irgendwann hielt ich den Zustand nicht mehr aus
und wollte nicht mehr leben.» Mit Tabletten wollte Manuela ihrem Leben ein Ende
setzen. Ein paar Freundinnen riefen den Krankenwagen, sie wurde auf die
Intensivstation gebracht. Nach ihrer Entlassung verbrachte sie erst einmal eine
Woche bei Marion. «Manuela war nur noch ein Wrack», erzählt diese. In dieser
Zeit beteten mehrere Christen intensiv für Manuela und sogar die Leiter aus
Marions Kirche kamen vorbei.
Es folgte ein Reha-Aufenthalt. «Es war die Hölle»,
blickt Manuela zurück. «Ich glaubte nicht daran, diese Zeit zu überleben.»
Trotz Valium in grossen Mengen fand sie keinen Schlaf. «Einmal verlor ich mein
Augenlicht, die Schmerzen waren brutal und man versuchte, mich mit Medikamenten
ruhig zu halten.» Jeder Knochen schmerzte und panische Angst umgab sie ständig.
Zeitweise musste man ihr Windel anlegen. Einmal rastete sie aus, dann war sie
wieder so schwach, dass ihr jemand das Essen eingeben musste.
Der letzte Schrei zu Gott
Manuela war am Ende. «Bis dahin glaubte ich, dass
Gott uns nicht mehr auferlegt, als wir tragen können.» Das konnte sie jetzt
nicht mehr glauben. Sie wollte nur noch sterben. «Mach mit meinem Leben, was du
willst!», schrie sie verzweifelt zu Gott. «Da begann sich die Schwere in meinem
Leben zu heben.» Bald konnte sie wieder normal sprechen. «Eine Woche später
fühlte ich mich beim Aufstehen federleicht. Es war wie der Himmel auf Erden.» Niemand
hatte mit dieser Wende gerechnet. Marion berichtet: «Ich habe viel für Manuela
gebetet und nichts ist passiert.» Nach Monaten war sie frustriert, doch dann
war der Durchbruch plötzlich da.
«Heute bin ich glücklich», beschreibt Manuela ihr
neues Leben. Sie arbeitet sogar 30 Prozent, etwas, das sie sich nicht hätte
vorstellen können. Marion bestätigt: «Manuela ist jeden Tag dankbar.» Nicht,
dass alles ungetrübt wäre. Aber Manuela ist sich bewusst, von Gott ein neues Leben
erhalten zu haben. Deshalb braucht sie auch keine weiteren Erklärungen, weshalb
ihr «Todestal» unerwartet endete.