Viele
Menschen leiden heute an Depressionen. Einer davon ist Pfr. Max Hartmann, der
die Erkenntnisse seiner langen Krankheitsgeschichte nun in einem Buch
öffentlich macht.
Max Hartmann (*1959) ist verheiratet mit Eva, hat
zwei erwachsene Töchter und ist seit 33 Jahren reformierter Pfarrer in Brittnau.
Vor gut 20 Jahren tauchten in seinem Tagebuch vermehrt Wörter wie «erschöpft»
oder «Burn-out» auf. Bis er Hilfe suchte, sollte es jedoch noch eine Weile
dauern. «Die Arbeit forderte mich und ich war oft am Limit, hatte oft Mühe,
nein zu sagen.»
Verschiedene Symptome
Max Hartmann mit seiner Ehefrau
Aufgrund unterschiedlichen Symptomen und
gesundheitlichen Problemen fühlte sich Max Hartmann irgendwann dazu gedrängt,
einen Arzt aufzusuchen. Leider konnte auch mit Röntgenuntersuchungen,
Magenspiegelung, Überwachung des Blutdrucks und anderen Tests keine Ursache für
den Zustand gefunden werden.
«Irgendwann sagte ich zu meinem Arzt, dass ich
glaubte, depressiv zu sein.» Der Arzt stimmte dem Verdacht sofort zu. «Nach
anfänglicher Ablehnung, es mit Antidepressiva zu versuchen, willigte ich dank
der Ermutigung meiner Frau ein.» Wegen schlechten Nebenwirkungen wurde der
Versuch aber umgehend abgebrochen.
Dann wurde es schlimm
«Im Herbst 2014, auf dem Weg in die Toskana, hatte
ich eine Panikattacke. Die Ferien waren halbwegs erträglich und zurück in der
Schweiz suchte ich sofort einen Arzt auf.» Für vertiefte Abklärungen war nun ein
Psychiater gefragt und Max Hartmann meldete sich in der christlichen
psychiatrischen Klinik Sonnhalde in Riehen. «Anfangs löste das bei mir Scham
aus. Die früher verbreitete Meinung, damit zum Kreis irrer Spinnern zu gehören,
hatte mich geprägt.» Die Notwendigkeit sah er zwar ein, doch die Scham blieb.
«Ich hatte viele Fragen und der Gedanke, mit Medikamenten vollgepumpt zu
werden, war mir unheimlich.»
Diagnose, Therapie und Trauma
Er durchlief ein standardisiertes Verfahren, gab
Auskunft über verschiedene Lebensbereiche und füllte Fragebögen aus. Die
Diagnose wurde dann an den Hausarzt weitergeleitet: «Mittelschwere Depression.»
Zu diesem Zeitpunkt war Max Hartmann 55 Jahre alt und nur noch begrenzt
arbeitsfähig. Zeitweise war er krankgeschrieben, um sich auf die Therapie zu
konzentrieren. «Rasch stiessen wir zu den Wurzeln vor.» Ein Trauma in der
Kindheit, der Unfalltod seines Bruders, wirkte sich jetzt aus. Sich
einzugestehen, das Opfer der kindlichen Erfahrungen zu sein, war für ihn
wichtig – ohne in der Opferrolle zu verharren. «Nach sechs Wochen stieg ich
stufenweise wieder in den Arbeitsprozess ein.» Nach mehreren erfolglosen
Versuchen konnte auch das richtige Medikament gefunden werden.
Nachdem er wieder bei einem Arbeitspensum von 100
Prozent angekommen war, erlitt Max Hartmann im Herbst 2015 einen Rückfall. Es
brauchte vertiefte Begleitung. Diesmal machte er eine integrative körperzentrierte
Psychotherapie. «Auch die ergänzende Atemtherapie, eine Osteopathie und der
Besuch im Fitnessclub taten mir gut.»
Trägt der Glaube?
Max Hartmann beim Predigen in der Kirche
«Gott liebt jeden Mensch unabhängig seiner Leistung,
seines Aussehens und seiner Herkunft.» So tönte es an einer Evangelisation, die
Max Hartmann als Teenager besuchte. Der Evangelist sprach auch davon, dass
jeder Mensch Gemeinschaft mit Gott haben darf und Gott für jedes Leben einen
Plan hat. An diesem Tag folgte der Jugendliche der Einladung, Jesus sein Leben
zu übergeben. Vom Pfarrer und der Kirche wurde er gut in den ersten
Glaubensschritten angeleitet. Auch die Jungschar, wo ihm Verantwortung
anvertraut wurde, war ihm eine grosse Hilfe.
Doch dann, Jahrzehnte später, steckte Max
Hartmann in einer Krise. Würde sein Glaube tragen? Als Bibelleser waren ihm die
Klagepsalmen und auch die Geschichte Hiobs vertraut und so wusste er, dass die
Schattenseite des Lebens zum Menschsein dazugehören kann – auch als Christ. «In
meiner Depression habe ich oft geklagt, Gott dabei aber nie in Frage gestellt.»
Er war sich bewusst, dass Gott ihn versteht. «Vor Gott muss ich nicht fromm
tun.» Heute ist er dankbar, von Gott getragen worden zu sein.
Durch verschiedene Erfahrungen neue Tiefe
gewonnen
Auf dem Weg der Genesung unternahm Max Hartmann eine
Reise nach Afrika, wo er ärmsten Menschen begegnete. Etwas später machte er
eine Pilgerreise. Bibelworte wurden ihm wichtig und er erlebte Gott auf
vielerlei Weise. Einmal träumt er, dass Jesus seine Füsse waschen wollte. Dass
er kurze Zeit später in der Ukraine eine Ikone erwerben konnte, welche die
Fusswaschung zum Thema hat, war für ihn die Bestätigung, dass er sich von Gott
dienen lassen darf.
«Es ist heilsam, dass der Glaube in eine Gemeinschaft
eingebettet ist, die uns trägt und gut tut.» Letztlich bleiben Dankbarkeit und
ein Schatz wertvoller Erfahrungen, die ihm zu einem neuen Blick aufs Leben
verhalfen.
Erfahrungen teilen
Ein Mentor, welcher schon länger Einblick ins
Tagebuch von Max Hartmann hatte, ermutigte ihn, diese Erfahrungen in einem Buch
festzuhalten. «Er sagte, ich habe eine Gabe zu schreiben und solle etwas damit
machen.» Nach reichlichem Überlegen folgte er dem Rat und teilte seine
Erfahrungen mit einer Leserschaft. «Es gibt mehr als genug Menschen, die von ähnlichen
Krankheiten betroffen sind», sagt er und hofft, dass manche von ihnen durch sein
kürzlich erschienenes Buch «Zurück zum Leben» persönlich profitieren können.