Lange
kämpfte Janice Braun allein gegen ihre Depression an. Hilfe anzunehmen war für
sie gleichermassen heilsam, wie das Empfangen bedingungsloser Annahme.
In ihren Teenagerjahren hatte Janice Braun immer
weniger Kraft und Lust, ihre Hobbys zu pflegen. Aus einem für sie
unerklärlichen Grund verspürte sie auch kaum Lebensfreude. Sie schämte sich
dafür, schliesslich schien es ja keinen Grund für ihren Zustand zu geben. In
ihrem Leben gab es tatsächlich viel Gutes. «Ich wusste, dass ich privilegiert war
und glaubte deshalb, kein Recht für meine Gefühle zu haben.»
«Etwas stimmt nicht mit mir!»
«Als ich zum ersten Mal bemerkte, dass ich
emotional abrutsche, war ich circa dreizehn Jahre alt.» Über längere Zeit
verbarg sie ihren Zustand. «Ich weiss nicht, weshalb ich alleine kämpfte. Ich
konnte mir nicht vorstellen, dass es für meinen inneren Schmerz einen Namen,
geschweige denn Hilfe gab.» Geplagt von Schuldgefühlen und mit grossem
Kraftaufwand versteckte sie ihr Leiden – mit Erfolg, denn niemand erkannte, wie
es Janice wirklich ging. Für sie selbst war aber klar: «Etwas stimmt nicht mit
mir, irgendwie habe ich mich selbst verloren!»
Nach der Grundschule begann sie eine
kaufmännische Lehre in einer Grossbank. «Es begeisterte mich, eine so
vielseitige und spannende Lehrstelle gefunden zu haben.» Trotzdem waren Gefühle
von Sinn- und Hoffnungslosigkeit ihre treuen Begleiter. «Egal wie sehr ich es
versuchte, es gelang mir nicht, alleine aus meiner Abwärtsspirale auszubrechen.»
Dann wurde es immer schlimmer
«Während der Lehrzeit ging es mir immer
schlechter, deshalb schlich sich die Selbstverletzung in meinen Alltag. Der
körperliche Schmerz war eine Art, meine Gedanken auf einen besser
verständlichen Schmerz zu verlagern.» Janice war auch von düsteren Gedanken geplagt.
«Irgendwann führte meine Todessehnsucht zu Suizidplänen.» Während es für sie
ums Überleben ging, hielt sie die Fassade, alles im Griff zu haben, aufrecht.
«Was ist mit dir los?», fragte ein Ausbildner, der
ihren Leistungsabfall beobachtet hatte. In diesem Gespräch wurde Janice damit
konfrontiert, wie schlimm es bereits um sie stand. «Zum ersten Mal drückte ich
jemandem gegenüber aus, dass es mir nicht gut ging.» Der Ausbildner empfahl,
Hilfe in Anspruch zu nehmen. Diese Konfrontation half Janice, sich endlich bei
einem Jugendberater zu melden. Dieser erkannte den Ernst der Lage und empfahl
weitere Treffen.
Ein langer Weg
Von da an nahm Janice verschiedene Beratungen und
unterstützende Medikamente in Anspruch. «Wegen meiner Suizidgedanken verbrachte
ich drei Monate in einer Jugendklinik, wo ich lernte, mit meinen Gefühlen besser
umzugehen.» Die ganze Zeit hindurch war Janice Teil einer christlichen
Gemeinde. «Den Leuten dort erzählte ich erst von meinem Zustand, als ich
bereits in Behandlung war.» Das war für niemand einfach.
Als Janice die Gottesdienste aufgrund unpassender
Zeiten nicht besuchen konnte, war die Versuchung gross, sich einfach zu
verdrücken. «Ich bin sehr froh, mich schliesslich durchgerungen zu haben,
Abendgottesdienste in einer anderen Gemeinde zu besuchen.» Dort wurde sie, so
wie sie war, willkommen geheissen, auch mit ihrer psychischen Krankheit. Das
war genau das, was sie brauchte.
Trotz Wunder: Der Weg war nicht zu Ende
In den folgenden Jahren lernte Janice, mit ihrer
Krankheit zu leben. «Irgendwann habe ich mich daran gewöhnt, die psychisch
kranke Janice zu sein. Das war das Leben, das ich kannte, sozusagen meine
Identität.» Ein Leben ohne Depression war ihr fremd und der Gedanke, Gott könnte
sie heilen, wirkte bedrohlich. «Der Entscheid, Gott zu vertrauen, dass er das
Beste für mich will, forderte mich sehr heraus.» Schliesslich war sie bereit,
Gott an sich wirken zu lassen, was er wollte. Und das Wunder geschah! Die
Depression verschwand!
Damit war Janice aber längst nicht am Ende ihres
Weges angekommen. «Es brauchte Zeit, um mein Leben aufzuräumen und schlechte
Gewohnheiten anzugehen.»
Heute bezeichnet sich Janice als psychisch
gesunde Person. «Diese Gesundheit will ich bewahren.» Sie musste sich bewusst
werden, dass sie mehr Ruhezeiten braucht als sie geglaubt hatte und fragt, welche
Lebensumstände ihr gut tun. Aktuell ist sie in Beratung, um zu einem besseren
Umgang mit stressigen Situationen zu finden. Denn eines hat sie gelernt:
«Gesund durch das Leben zu schreiten, ist eine Verantwortung, die jeder Mensch
wahrnehmen muss.»
Hilfe annehmen und Hilfe bieten
Heute ist Janice 23 Jahre alt, verheiratet und
lebt in Wallisellen. Neben dem Studium bei IGW ist sie als Co-Pastorin im ICF
Zürich angestellt. In dieser Funktion hilft sie jungen Menschen, im Glauben zu
wachsen und ihre Identität zu stärken. Vor allem will sie bedingungslose
Annahme vermitteln. «Solche Annahme zu erfahren, hat mein Leben verändert.
Deshalb will ich Menschen in schwierigen Zeiten zur Seite stehen und einen
Rahmen für Ehrlichkeit und Offenheit schaffen. Wir müssen offen über unsere
Probleme reden, ohne zu erwarten, dass diese sofort weg sein müssen.» Sie
bedauert, dass Leiden oftmals viel zu früh mit positiven Aussagen ausgeglichen
werden will. «Das funktioniert nicht.»
Janice freut sich, wenn das Schildern ihrer
Erfahrungen für andere hilfreich sein kann. Und das erlebt sie oft – gerade bei
Menschen, die in Depressionen oder anderen schwierigen Situationen stecken.
Janice Braun war auch beim Livenet-Talk über «Depressionen und ihre Auswirkungen» dabei:
Datum:
27.03.2021 Autor: Markus Richner-Mai Quelle: Jesus.ch
Kommentare
Submitted by DerJoerg on 27. März 2021 - 10:28.
Danke! Es ist so wichtig, dass wir Depression und andere psychische Störungen wie Traumafolgestörungen auch als Krankheit wahrnehmen! Das schmälert die geistliche Aufgabe nicht: In der psychotherapeutischen Praxis erlebe ich immer wieder, wie sehr der Glaube an Christus hilft. Glaube und Therapie sind kein Gegesatz, sondern Ergänzungen! Und auch Psychopharmaka können in vielen Situationen hilfreich sein. Was nicht hilft, sind Gemeinden und Kreise mit der Einstellung: Wir habe soviel für Dich gebetet und Du hast Deine Depression noch immer. Da muss etwas mit Deinem Glauben nicht stimmen. Ich habe in solchen Situationen schon Patienten zum Gemeindewechsel ermutigt.
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