Vor 20 Jahren geriet die Südafrikanerin Monique
Strydom (56) weltweit in die Schlagzeilen, als sie von einer Terrorgruppe
entführt und als Geisel gehalten wurde. Nach ihrer Freilassung musste sie hart
daran arbeiten, ihr Trauma zu überwinden. Jetzt, mit der Covid-Pandemie, kamen die Emotionen von
damals wieder hoch...
Zur Welt gekommen war Monique Strydom (56) einst in Namibia,
später studierte sie an der Universität von Pretoria Theaterwissenschaft und
Public Relations.
Vor 20 Jahren wurde ihr Leben völlig auf den Kopf
gestellt. «Ich wurde von Abu Sayyaf, einer islamischen Terrorgruppe, zusammen
mit meinem damaligen Ehemann Callie und 20 anderen auf der malaysischen Insel
Sipidan, einem der weltweit schönsten Tauchplätze entführt.»
Sie wurde auf die abgelegene Insel Jolo gebracht. «Während
der 127 Tage Gefangenschaft erlebten wir Hunderte von Emotionen, von Hoffnung
bis Verzweiflung, aber auch Terror – das philippinische Militär griff uns
schliesslich mit Mörsern an! Die physischen Bedingungen waren extrem hart, mit
minimaler Verpflegung und oft nur Regenwasser. Aber das Schwierigste war es,
unsere Freiheit zu verlieren. Unsere Entführer wachten mit Maschinengewehren
und Macheten über uns.»
«Dazu gibt es weder Training noch Drehbuch»
In vielerlei Hinsicht sei die Covid-Pandemie ähnlich. «Für
diese Zeiten gibt es kein Training, kein Drehbuch. Es erfordert deine ganze
Energie, nur um zu überleben.»
Die Gefangenen erhielten damals eine Bibel, aus der
Inspiration geschöpft werden konnte. «Sie lehrte uns, dass man sich entscheiden
kann, anderen zu helfen, egal in welcher Situation man sich befindet. Am 127.
Tag unserer Gefangenschaft schrieb ich einen Businessplan, um eine
Wohltätigkeitsorganisation zu gründen.»
Sie habe darin ihren Lebenssinn gefunden. «Nämlich anderen
zu helfen. Vier Stunden später wurden wir freigelassen. Es war ein absolutes
Wunder, dass wir lebend herauskamen, und ich war einfach nur dankbar. Ich
glaube, dass Dankbarkeit auch Ihr Leben verändern kann.»
Lob von Nelson Mandela
Bei der Rückkehr nach Südafrika erhielt Monique viel
Liebe, Unterstützung und Trauma-Beratung: «Heilung ist ein Prozess und man muss
daran arbeiten, man kann es nicht einfach 'überwinden'!»
Nelson Mandela lobte nach der Freilassung des Paares: «Wir
loben Callie und Monique für ihren Mut, den sie unter schwierigsten Umständen
bewiesen haben, und wir möchten, dass sie wissen, wie stolz sie uns alle als
Südafrikaner gemacht haben, weil sie sich so verhalten haben.»
Monique gründete den «Strydom Trust», um mit dem Geld,
das aus den Medienberichten eintraf sowie aus dem Buch, welches das Paar
verfasste, eine Reihe von Wohltätigkeitsorganisationen zu unterstützen.
NGO gegründet
Nach einem schrecklichen Kindsmissbrauchs-Vorfall im
Jahr 2001 «bat mich der Leiter der 'Gauteng Child Protection Unit' um Hilfe, da
es damals keine Unterstützung für Opfer dieser Art von Verbrechen gab».
In diesem Zuge gründete sie die NGO «Matla A Bana». «Wir
bieten jedes Jahr über 30'000 Kindern im ganzen Land Trost und arbeiten eng mit
den SAPS-Einheiten für Familiengewalt, Kinderschutz und Sexualdelikte sowie der
nationalen Staatsanwaltschaft zusammen.»
Weiter hält Monique Strydom fest: «Für mich ist der
Missbrauch von Frauen und Kindern auch eine Art von Entführung; viele sind
Geiseln in ihren eigenen Häusern und werden von denen verletzt, die sich
eigentlich um sie kümmern sollten.»
Die Zusammenarbeit mit den Behörden ist ihr wichtig: «Ich
arbeite leidenschaftlich gern mit der Polizei zusammen: Sie sind unsere
Torwächter, und die Arbeit, die sie leisten, ist sehr traumatisch. Ich halte
auch Vorträge vor Unternehmen, Kirchen, Frauengruppen und vor vielen anderen.»
Trauma wieder aufgetaucht
Die Corona-Pandemie brachte die Gefühle von damals nun
wieder hervor. «Ich war schockiert, als ich feststellte, dass das Trauma meiner
Entführung wieder auftauchte: Die Gefühle der Ungewissheit, die Zukunft nicht
zu kennen und sich isoliert und ängstlich zu fühlen, die mich damals
überwältigt hatten, trafen mich wieder. Ich kann absolut verstehen, warum viele
Menschen damit zu kämpfen haben.»
Ein Trauma könne man nicht alleine durchstehen. Sie
habe die Entführung damals nach der Freilassung besser als andere verarbeiten
können, weil sie ein grosses Netzwerk an Freunden hatte. Die gute Sache am
Lockdown sei, dass alle in der gleichen Lange sind und verstehen können, was
andere Menschen durchmachen.
Reden mit Gott
«Wenn ich mit Gott rede, ist das nicht immer ein
nettes Gespräch», erklärt Monique Strydom. «Manchmal bin ich rebellisch und
verärgert und trage mein Herz auf der Zunge, aber ich habe Dankbarkeit gelernt.
Ein grosser Teil meines Gebets ist ein 'Danke', weil ich dann die kleinen Dinge
sehe. Ich merke, dass ich gesegnet bin und die grossen Dinge nicht mehr so gross
sind.»
Das Wichtigste ist, nicht allein zu sein: «Je einsamer
man ist, desto einsamer wird man, vor allem, wenn die eigene Welt durch das
Trauma bereits klein geworden ist. Wenn du keine Menschen hast, die dich
unterstützen, dann finde Menschen, die das tun können. Ich glaube, dass wir
geboren wurden, um uns mit anderen Menschen zu verbinden, und wenn man anderen
hilft, findet man wirklich einen Sinn.»
«Ich erlebe einen lebendigen Gott»
Monique Strydom sagt, dass sie einen lebendigen Gott
erlebt: «Gott liebt uns und hat uns Hoffnung und seinen Sohn gegeben. Ich lag
auf dem Boden, auf mich wurde geschossen und ich sah den Mann neben mir an –
ein Mitglied von Abu Sayyaf – und ich sah, wie viel Angst er vor dem Tod hatte.
Ich hatte keine Angst vor dem Tod.»
Die Herausforderung ist also: «Sorge dafür, dass du
keine Angst vor dem Tag hast, an dem du dem Tod gegenüberstehst. Du kannst dir
viele Dinge einreden, aber wenn du den Tod siehst, wirst du entweder denken:
'Ich habe Angst, ich will nicht sterben' oder 'Ich komme damit klar, weil ich
weiss, was danach passieren wird.' Unsere Geiselnehmer lebten in ständiger
Angst. Sie schienen nicht zu wissen, für welche Sache sie kämpften. Ich glaube,
wenn man erkennt, dass man Teil eines grösseren göttlichen Plans ist, findet
man immer wieder Hoffnung und einen Sinn und die Ängste lassen nach.»
Monique rät ausserdem bei Angst-Zuständen:
Seien Sie sich
bewusst: Gedanken über vergangene Traumata können ängstliche Gefühle und sogar
körperliche Symptome auslösen.
Seien Sie
proaktiv: Langfristige Ängste können Störungen und Gesundheitsprobleme
verursachen, die professionelle Hilfe erfordern.
Seien Sie
ansprechbar: Bewegung, gesunde Ernährung, positive Gedanken und ein
sorgfältiges Zeitmanagement (einschliesslich Entspannung) sind hilfreich.
Seien Sie frei:
Vermeiden Sie es, sich auf das Problem zu konzentrieren; bleiben Sie mit einer
unterstützenden Gemeinschaft verbunden und kommunizieren Sie Ihre Gefühle.
Heute lebt sie mit ihrem Sohn Luc in Loevenstein,
Kapstadt. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter einen Preis von
Rotary International und den Titel «Newsmaker of the Year» (vom «Johannesburg
Press Club») und sie wurde von der «American Biographical Society» als «Eine der grössten Frauen des Jahrzehnts»
ausgezeichnet. Die von ihr gegründete NGO «Matla A Bana» wurde soeben zum
Finalisten der «Old Mutual Partnership Awards 2020» ernannt, mit denen Projekte
ausgezeichnet werden, die sozioökonomische Bedingungen in ganz Afrika
verändern.