«Gott hob die Scherben auf und formte ein wunderschönes Mosaik»
Wendy Baisley Roache
war bei der Arbeit, als sie einen Polizeianruf erhielt: Ihr Mann Lawrence, der
als Polizeibeamter tätig war, war verhaftet worden. Sechs Jahre lang hatte er
ihre Tochter aus erster Ehe vergewaltigt.
Wendy Baisley Roache
Die Tochter Emily hatte
geschwiegen, weil er ihr drohte, dass ihre Mutter – eine zu dem Zeitpunkt sehr
unsichere Frau – sich das Leben nehmen würde. Erst bei einem Besuch einer
Freundin fand Emily den Mut, der Freundin alles zu erzählen, und deren Eltern
brachten den Missbrauch zur Anzeige.
Der Anruf an ihrem
Arbeitsplatz zog Wendy den Boden unter den Füssen weg; sie hatte noch nicht
einmal etwas geahnt. «Die grausamen Taten dieses Mannes hatten
Emilys Kindheit zerstört und alles Gute, das mir je etwas bedeutet hatte.» Da
waren der Selbstvorwurf und die Schuldgefühle, die Enttäuschung über die jahrelangen
Lügen in ihrer siebenjährigen Ehe, aber auch der ganz normale Alltag, der in
sich zusammenfiel.
«Gott, was soll ich tun?»
Gott spielte in ihrem Leben
bisher keine Rolle. Seit sie selbst Jahre zuvor vom Sohn des Musikleiters einer
Gemeinde vergewaltigt worden war, hatte sie geschworen, nie wieder eine Kirche
zu betreten. Doch am Morgen nach dem Anruf schrie sie zu Gott: «Was soll ich
tun?»
In dem Moment beschloss sie, den Neuanfang zu wagen: Sie verkaufte ihr
Haus und kündigte die Arbeit. Dass ihr Haus innerhalb von zwei Wochen verkauft
war, sah sie als erstes Wunder Gottes an. Dann musste sie das alleinige
Sorgerecht für ihre zwei Kinder erkämpfen.
Der lange
Heilungsprozess
Zunächst kam sie bei
ihrer Mutter unter. Doch dann traf es sie: Sie und ihre Kinder waren obdachlos!
Eines abends fand sie eine alte Familienbibel und las ein paar rotmarkierte
Worte: «Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre,
hätte ich dann etwa zu euch gesagt, dass ich dorthin gehe, um einen Platz für
euch vorzubereiten?» (Johannesevangelium, Kapitel 14, Vers 2) Sie wusste mit
einem Mal, dass Gott dies wortwörtlich zu ihr sagte und ein tiefer Friede
erfüllte sie. Er versicherte ihr, dass es ihr und den Kindern gut gehen würde.
Ein Programm für
Zeugenopfer bezahlte ihnen wöchentliche Therapiestunden. Doch der Weg zur
Heilung war lang. «Ich merkte, dass der Heilungsprozess voller Babyschritte war
und es deutlich länger dauern würde, als ich gedacht hatte.» Immer wieder
tauchte die Angst in ihr auf: Sie war allein und wusste nicht, wohin sie
gehörte.
Gott lässt sie nicht im Stich
In dieser Zeit schrieb sie die Worte: «Alles, was ich mir im Leben
wünsche, ist eine Tasse Kaffee mit einer Arbeitsstelle als Beilage und einem
kleinen Haus zum Nachtisch…» Als sie in der Nähe von ihrem Bruder nach einer
Arbeit suchte, fand sie diese sofort und auch ein Haus, das alles hatte, was
sie sich wünschte – sie konnten sogar einen Hund halten. Ergriffen davon, wie
Gott auf ihre Gebete antwortete, begann sie, mit den Kindern in eine Gemeinde
zu gehen. Die Predigten sprachen ihr direkt ins Herz und schenkten ihr nach und
nach die ersehnte Freiheit.
Doch das Schuldgefühl
liess sie nicht los. «Hätte ich die Wahrheit über den Mann, den ich heiratete,
gewusst, hätte ich ihn nie geheiratet. Hätte ich gewusst, dass meine Tochter
vergewaltigt wurde, hätte ich alles in meiner Macht getan, um es zu stoppen…» Sie
bat Gott um Hilfe. Mitten in der Ohnmacht merkte sie, dass
sie sich zunächst selbst vergeben musste – und dass Gott ihr vergab. Wenn der perfekte Gott ihr so viel vergeben hatte,
wie konnte sie da anderen ihre Fehler nicht vergeben?
Ein wunderschönes Mosaik-Gefäss
Gott zeigte ihr, dass sie
angenommen, erwählt und geliebt ist. Für sie war das schwer zu akzeptieren.
«Warum würdest du jemanden wie mich gebrauchen wollen?», fragte sie im Gebet.
Da hatte sie eine Vision: Sie sah sich mit einer Keramikfliese in der Hand, auf
der stand: «Meine Eltern liessen sich scheiden und mein Papa zog weg, als ich
sechs war». Die Fliese fiel zu Boden und zerbrach. Auf einer anderen Fliese
stand: «Mit neun zog mir ein Junge vor allen Schülern den Rock runter.» Auch
diese zerbrach am Boden. Auf einer anderen stand: «Mit 15 lief ich von zu Hause
weg und wollte mich umbringen.»
Jeder unschöne Moment ihres Lebens zerbrach am
Boden – und am Ende sah sie Gottes Hände, die den Scherbenhaufen aufhoben und
ein wunderschönes Mosaik-Gefäss formten. Sie verstand: Nichts ist so gebrochen
als dass seine Liebe es nicht wieder zusammenfügen könnte.
Hilfe für Opfer von sexuellem Missbrauch
Wichtig war für Wendy und
ihre Tochter, dass der Schmerz nicht sinnlos gewesen war. «Wir baten Gott, dass
er es in etwas Gutes verwandelt.» Und genau das ist geschehen: Heute hilft
Wendy Opfern sexuellen Missbrauchs und arbeitet in der Vorbeugung von
Kindesmisshandlung.
Nur fünf Prozent aller Eltern misshandelter Kinder würden dem Opfer glauben, es beschützen und vor weiterem
Missbrauch schützen, hatten ihr die Polizeibeamten gesagt. Sie möchte, dass
sich diese Zahl in 95 Prozent aller Eltern verändert.