Wie hält man und frau es über 40 Jahre im
«umstrittenen Auslaufmodell» Ehe aus? Livenet-Redaktor Reinhold Scharnowski und Ehepartnerin Regula
haben sich kurz vor dem Valentinstag im Gespräch bei einer Tasse Kaffee ihre
Gedanken gemacht…
Regula und Reinhold Scharnowski (Bild: zVg)
Reinhold: Du, wie haben wir
eigentlich fast 42 Jahre hinter uns gebracht? Es hätte ja x-mal schiefgehen
können – wie haben wir das bloss geschafft?
Regula: (lächelt) hmm… gute Frage… Wenn ich das so aus dem Bauch sagen sollte: Wir haben
ganz viele gemeinsame Interessen entwickelt, so wurde es uns nie langweilig.
Wir haben viel zusammen gelacht, gelernt und angepackt – ich hab wegen dir
Velofahren gelernt, heute machen mir Velotouren Spass; und du bist wegen mir
ins Theater mitgekommen…
… und fast immer, wenn
du wandern gehen willst, reisse ich mich zusammen und komme mit. Und meistens
gefällt es mir dann erst noch, sowohl das Theater als auch das Wandern…
Dann
haben wir gemeinsam Kajakfahren gelernt – so haben wir eine Menge Dinge, die
uns zusammen Spass machen.
Menschen um
die Ehe herum
Das Ehepaar Scharnowski auf dem Thunersee unterwegs
Wir sind beide schon immer gern gereist und
haben gern Gäste und Menschen überhaupt. Das heisst, der Kreis von Menschen um
uns herum ist für unsere Ehe wichtig, wir sind nicht nur zu zweit unterwegs.
Menschen
inspirieren uns auch und fordern uns heraus. Freunde und viele Gäste zu haben ist
so ein Geschenk!
Wir kleben aber auch nicht aneinander. Jeder
von uns hat genug eigene Interessen, für die wir einander freigeben.
Klar, es stört
mich nicht, wenn du stundenlang am PC sitzt…
… und ich lass dich gern mit deinen Frauen über
alle Berge wandern gehen. Überhaupt: nicht empfindlich sein, das mussten wir
lernen, wo wir so verschiedene Typen sind.
Auch beim
Älterwerden
Was gerade im
Alter gar nicht so einfach ist, man wird dünnhäutiger. Aber wir haben gewisse
Methoden gelernt, um Konflikte nicht eskalieren zu lassen…
Zum Beispiel?
(grinst) Indem
ich einfach sage: «Jetzt längts, jetzt machen wir nicht mehr weiter!»
(Beide lachen)
Echt –
manchmal kann man so stur sein, etwas zu behaupten, völlig sinnlos – darum
möchte ich immer mehr «Stopp» sagen…
… und das werden wir dann nicht tragisch und
als persönlichen Angriff nehmen. Überhaupt ist unsere Ehe ja eine ständige
Übung, das empfindliche Ich nicht immer zu hegen und zu pflegen.
Eben – im
Alter wird man verwundbarer, und es ist so gut, wenn man sich beim anderen
geschützt weiss und nicht Angst haben muss, dass er alles persönlich nimmt.
«Ich brauche
dich nicht»
Ich habe es immer an dir geschätzt, dass wir
uns Freiräume geben können. Wir hatten ja unsere Krisenzeiten, brauchten auch
Hilfe in unserer Ehe. Aber du hast mir in einer Krisenzeit mal gesagt «Ich
brauche dich nicht» – und mich so davon befreit, dir alle Erfüllung und allen
Lebenssinn und alle Bestätigung geben zu müssen, die du brauchst. Das war hart,
aber befreiend. Und hat mich interessanterweise angespornt, dir mehr zu geben.
Auf der
anderen Seite – ich habe gelernt, dich nicht einfach als gegeben zu nehmen. Ich
«habe» dich nicht einfach. In unserem Alter denkt man an den Tod und dass man
den Partner verlieren könnte. Ich schätze bewusst deine Gegenwart, auch wenn es
nicht immer einfach ist …
Zum Beispiel nachts, gell? «Der Partner wird
oft als störend empfunden, wenn nachts er ist mit Geräusch verbunden», hat schon
Wilhelm Busch gesagt (oder so ähnlich….)
Vor- und
Nachkinderzeit
Reinhold Scharnowski mit seiner Frau in Bolivien
Was mir immer
wieder gefallen hat, waren unsere gemeinsamen, manchmal auch verrückten Projekte und
Reisen und der Ausbruch aus dem Alltag – bis hin zu Kajak in Alaska oder drei
Jahren Mission in Bolivien.
Klar, wir hatten unsere 20 Jahre Intensiv-Kinderzeit,
aber die Zeit vorher und nachher ist eigentlich viel länger. Darum haben wir
auch während der Kinderjahre immer wieder Gemeinsames angepackt und uns
private Zeiten genommen. Wir haben nie zugelassen, dass der Kinderbetrieb
unsere ganze Partnerschaft ausgemacht hat.
Darum haben
wir auch heute noch Spass zusammen und können immer wieder mal was Verrücktes
machen…
Wir sind ja nicht nur verheiratet, sondern sind
auch gute Freunde. Wir sind gern zusammen und geniessen es, Sachen zu machen.
Das muss man aber bewusst pflegen und immer wieder mal was anpacken.
Genau. Gerade
wenn man sich gut selbst beschäftigen kann, wie wir beide, kann man geschwind
mal nebeneinander statt miteinander leben.
Zusammen
glauben
Ein ganz wichtiger Faktor war natürlich unser
gemeinsamer Glaube (und in unserem Fall sogar der gleiche «geistliche» Beruf als Pastoren…).
Wir haben immer miteinander gebetet, wenn auch nicht immer gleich viel. Das
kittet ungemein zusammen, denn im Gebet muss man ehrlich sein.
Durch den Glauben
haben wir auch irgendwie gelernt, demütig zu sein und keine
Minderwertigkeitsgefühle wachsen zu lassen, wenn der andere etwas besser kann.
Wenn wir gemeinsam an einer Predigt arbeiten, da hast du einfach Gaben, die ich
mir mehr erarbeiten muss. Ich habe gelernt, das als Ergänzung und nicht als
Angriff zu sehen. Es ist wirklich hilfreich, deine Stärke hier anzunehmen.
Gleichfalls. Du bist viel beständiger als ich,
bleibst dran – und ich musste lernen, das nicht ständig als stummen Vorwurf zu
nehmen, sondern davon zu profitieren.
So haben wir
gelernt, mit unserer grossen Verschiedenheit doch gemeinsame Projekte
anzupacken und unsere Stärken einfliessen zu lassen. Überhaupt – mit den
Schwächen des anderen gnädig umzugehen, bis zum Lebensende, das hilft.
Irgendwann merkt man: Der andere ändert sich da nicht – und man lebt ja selbst
auch aus der Gnade.
Gleichfalls….
«Er macht das
ja nicht extra»
Gerade wenn
wir älter werden, kommen Schwächen deutlicher zutage. Wenn du versprichst,
etwas zu erledigen, und es vergisst, macht mich das von meiner Natur her
stinkwütig. Aber ich sage mir dann: «Das ist jetzt seine Schwäche, das macht er
ja nicht extra und erst recht nicht, um mich zu ärgern!» Du lebst ja auch mit
meinen Schwächen…
Und wenn's mal hart wird, dann können wir immer
noch übereinander lachen. Überhaupt Humor – wir lachen so viel zusammen, das entschärft
und ist mit der wichtigste Kitt unserer Beziehung, wenn ich es mir so überlege.
(grinst) Im
Ernst? So, der Kaffee ist fertig – an die Arbeit!
Über das Ehepaar Scharnowski
Reinhold
(68) und Regula (66) Scharnowski, vier Kinder und sieben Enkel. «RR» sind seit 1978
verheiratet und beide Pfarrer (reformiert / freikirchlich), heute aktiv
pensioniert. Reinhold Scharnowski ist seit 2013 Livenet-Redaktor.