Bibelfester Eishockey-Experte

Der Gotthelf unter den Sportjournalisten

Als «Eismeister» des News-Portals «watson» berichtet Klaus Zaugg (63) stets mit einer gehörigen Portion Drama und Unterhaltung über die Entwicklungen im Eishockey. Er provoziert und ist trotzdem nah beim Volk. Nicht selten zieht er in seinen Texten Parallelen zur Bibel. Warum eigentlich?
Klaus Zaugg (Bild: Jesus.ch-Print Nr. 53)
Klaus Zaugg
Titelseite Jesus.ch-Print Nr. 53

Livenet: Während die Bibel bei vielen Schweizerinnen und Schweizern im Bücherregal verstaubt, scheinen Sie als Sportjournalist immer wieder darauf zurückzugreifen. Wie kommt es, dass Sie wiederholt Elemente aus diesem uralten Buch in Ihre Texte einfliessen lassen?
Klaus Zaugg:
Unabhängig davon, woran man glaubt, ist die Bibel nun mal das auflagenstärkste Buch der Welt. Es gab in der Weltgeschichte kein anderes Buch, das die Menschen so stark beeinflusst hat und wohl auch kein anderes, das so viele Menschen das Leben gekostet hat. Die Weisheit, die dort drinsteckt, geht auf mehrere 1'000 Jahre zurück. Wer sich also nicht für dieses Buch interessiert, ist ein Ignorant. Ob man es nun als historisches Buch oder als Buch zur eigenen Lebensführung anschaut, ist dabei völlig irrelevant. Die Bibel ist schlichtweg ein hochinteressantes Buch. Und wenn ich darin eine Beschreibung für eine alltägliche Situation aus dem Leben finde – der Sport bietet da ja viel Stoff – warum soll man dann nicht daraus zitieren?

Ist der Sport nicht eine eigene Welt, die mit den sonstigen Gesetzen des Lebens nicht viel zu tun hat?
Nein, das sehe ich nicht so. Der Sport kann nicht unabhängig von seinem sozialen und wirtschaftlichen Umfeld betrachtet und journalistisch begleitet werden. Wenn ich zum Beispiel über einen Eishockeyklub berichte, muss ich immer auch die Menschen in und rund um den Klub kennen. Ich will als Chronist über das schreiben, was ist und nicht über das, was die PR-Profis mir als Wahrheit verkaufen wollen. Dazu muss man nah beim Volk sein und auch mit Leuten reden, die nicht medial geschult sind.

Sie sind nah beim Volk und scheinen eine Gabe zu haben, Geschichten spannend zu erzählen. Jedenfalls gehören Ihre Sportberichte zu den meistgelesenen in der Schweiz. Vielleicht wären Sie auch ein guter Pfarrer geworden…
Vermutlich könnte ich schon eine stündige Predigt halten und mit meinen erlebten Geschichten und Anekdoten die Zuhörer fesseln. Ich hatte ja schon öfters Vorträge zu halten, da ist jedenfalls niemand eingeschlafen. Vielleicht wäre aus mir eine Art Folklore-Ausgabe von Jeremias Gotthelf geworden – natürlich nie mit der Energie und Wirkungsmächtigkeit des grossen Emmentaler Pfarrers und Schriftstellers. Wie Gotthelf hätte ich meine Predigten wohl auch mit Polemik aufgeladen, sodass sich die Leute anschliessend im Wirtshaus darüber aufregen könnten, was der Pfarrer jetzt wieder gesagt hat. Ich sehe es tatsächlich so: Ein Pfarrer sollte nicht predigen, damit man ihn gern hat, sondern so, dass man ihm gern zuhört. Mit dem Schreiben als Journalist verhält es sich genau gleich. Um Aufmerksamkeit zu erhalten, muss ich die Dinge etwas zuspitzen und mit Drama aufladen. Ich schreibe nicht, damit die Leute mich gern haben, sondern, weil ich möchte, dass sie gerne meine Texte lesen.

Sie scheuen auch nicht davor zurück, Missstände in Organisationen und Fehler von einzelnen Personen hart anzusprechen. Damit machen Sie sich wohl nicht unbedingt Freunde!?
Das ist der Preis, den ich als Chronist zahlen muss. Ein Chronist ist ja jemand, der die Ereignisse seiner Zeit beobachtet und beschreibt. So sehe ich mich als Journalist. Da sollte man sich keine Illusionen machen, dass man so beliebt wird. Der Mensch hat gern Harmonie im Beruf, aber die gibt es für Chronisten nicht.
Gotthelf war zu seinen Lebzeiten auch alles andere als beliebt. Er fand in der Schweiz nicht einmal einen Verleger für seine Bücher. Was er schrieb, war den Menschen unangenehm, weil er ihre Schwächen und Stärken entlarvte und dann in seinen Predigten und Büchern so treffend beschrieb. Natürlich hatte er als Pfarrer auch das Privileg, nah an die Menschen heranzukommen und sie in allen Lebenslagen – in Trauer und in Freude – zu erleben. Jemand sagte einmal, Jeremias Gotthelf hätte nur fünf Minuten in einer fremden Küche sitzen müssen und schon habe er die ganze Geschichte der Menschen in diesem Haus gekannt.

Gehen wir zu Ihrem Spezialgebiet als «Eismeister», dem Eishockeysport. Sie setzen sich seit Jahrzehnten leidenschaftlich damit auseinander. Was lieben Sie so an dieser Sportart?
Eishockey ist sicher von allen Sportarten eine der ehrlichsten. Im Eishockey muss ich hinstehen und kann nicht nur Theater spielen. Es ist eine raue Sportart, in der sogar der Körperangriff erlaubt ist.
Alles in allem sind so viele Emotionen drin, dass ich Eishockey als ein lebensnahes Spiel bezeichnen würde, in dem man viele gute, unverfälschte Kerle antrifft. Das Hockey hat auch eine hohe Kultur des Geschichtenerzählens – ob in Amerika, Schweden oder in der Schweiz.
Ich habe schon über viele Sportarten berichtet und war an einigen Olympischen Spielen dabei, aber ich kenne keinen Sport, in dem so viele Legenden entstehen, die man sich immer wieder erzählt.

Die Schweiz ist im Frühling Gastgeber der Eishockey-WM. Ist das eine grosse Sache für unser Land oder nur etwas, das die Hockeyfans bewegen wird?
In der Schweiz gibt es nur zwei Sportarten, die in jedem Fall das ganze Land bewegen: Fussball und Skifahren. Wenn unsere Skifahrerinnen und Skifahrer nicht gut sind, dann beschäftigt dies die ganze Nation. Ebenso beim Fussball-Nationalteam. Wenn hingegen die Eishockey-Nati nicht gut spielt, dann geht sie einfach vergessen. Die Eishockey-WM wird also nur dann ein Ereignis fürs ganze Land, wenn das Schweizer Nationalteam erfolgreich ist.

Eishockey ist bekanntlich der Sport der starken Männer. Das thematisieren wir auch in dieser Zeitung. Schwäche wird nicht gern gezeigt. Macht das einen Teil des Reizes aus?
Hockey pflegt tatsächlich eine Macho-Kultur, die es in dieser Art nur im Motorsport und im American Football gibt. Man pflegt das Image des harten Mannes und zeigt keine Schmerzen. Das erklärt sicher zu einem schönen Teil den Reiz und – mit dem Risiko, mich jetzt politisch unkorrekt zu äussern – es erklärt auch, warum viele Frauen in den Eishockeystadien zu sehen sind.

Sie sind jetzt 63 und bewegen sich langsam Richtung Pensionsalter. Wie lange möchten Sie noch weiterschreiben, Klaus Zaugg?
Da mein Beruf meine Leidenschaft ist, gibt es für mich kein Pensionsalter. Solange ich gesund bin, schreibe ich weiter. Bei einem Chronisten ist das Alter eher ein Gütesiegel; je älter man wird, desto mehr weiss man. Ich habe also die beste Zeit noch vor mir. Das ist vielleicht vergleichbar mit einem Hausarzt. Wenn ein guter und erfahrener Hausarzt mit seinem ganzen Wissen und seiner Menschenkenntnis pensioniert wird, geht immer viel verloren.

Wir haben Sie als «Gotthelf unter den Sportjournalisten» betitelt. Lassen Sie uns zum Schluss noch etwas philosophieren. Wenn Sie Ihr Leben nochmals von vorne beginnen könnten, was würden Sie anders machen?
Beruflich würde ich gar nichts anders machen, aber ich würde sicher persönlich ab und zu einen anderen Weg einschlagen. Das geht wohl allen im Rückblick so.

Worin sehen Sie den Sinn des Lebens?
Für mich besteht er darin, das Talent, das man hat, bestmöglich umzusetzen. Wenn man damit mehr Leuten eine Freude bereiten kann, als sie zu plagen, ist das schon mal gut. Wenn man dann noch Frieden mit sich selbst gefunden hat, dann hat man vermutlich das Lebensziel erreicht.

Dürfen wir ein Buch mit Ihren gesammelten Weisheiten erwarten?
Wer weiss, ich würde es nicht ausschliessen. Im Moment ist ein Buch mit den Reise-Reportagen, die ich für «watson» geschrieben habe, in Arbeit. Das Reisen ist eine grosse Leidenschaft von mir, der ich hoffentlich noch lange frönen kann.

Zu seinen Berichten auf watson:
«Eismeister Zaugg»

Dieser Artikel ist im Jesus.ch-Print Nr. 53 erschienen, eine Spezialausgabe zur Eishockey-WM 2020. Hier kommen Sie zu den Jesus.ch-Print Magazinen.

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Datum: 02.03.2020
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet

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