«Kleine» Propheten?

«Wenn Gott reklamiert», ein Buch von Sebastian Rink

Die sogenannten «kleinen» Propheten sind bis heute unbequem. Schwierig. Aus der Zeit gefallen. Aber sie zeigen: «Etwas stimmt nicht mit der Welt!» Sebastian Rink hört ihnen zu und entdeckt ihr Schreien neu. Er betrachtet ihre kurzen und gar nicht so kleinen Botschaften, und er macht klar: Diese alten Bücher sind echt, ehrlich und haben jede Menge mit unserem Leben heute zu tun.
Sebastian Rink (Bild: sebastianrink.de)
Buchcover «Wenn Gott reklamiert»

Wenn irgend etwas typisch ist für die Kleinen Propheten, dann, dass sie fast niemand findet. Irgendwo zwischen Jesaja und dem Neuen Testament stehen sie in der Bibel – aber viele Christen kennen nur einen von ihnen aus dem Kindergottesdienst: Jona. Und sie wissen bis heute nicht, wie sie mit der Fisch-Story umgehen sollen. Dabei setzen sich die Kleinen Propheten mit vielen Themen auseinander, die gerade sehr relevant sind: Umwelt, Armut, Gerechtigkeit und natürlich immer wieder mit der Gottesfrage. Klein sind sie nur aufgrund ihres Umfangs. Ihre Botschaft ist gross. Das behauptet jedenfalls Sebastian Rink in seinem Buch «Wenn Gott reklamiert. Das grosse Schreien der Kleinen Propheten».

Es gibt etwas zu reklamieren

Wenn ein Fussballer etwas reklamiert, dann beschwert er sich und macht einen Anspruch geltend. Wenn ein Werbetexter etwas reklamiert, dann wirbt er für etwas scheinbar Sinnvolles. Und wenn ein Kunde eine Ware reklamiert, dann will er sie höchstwahrscheinlich zurückgeben, weil sie Mängel hat. Alle drei Aspekte spielen mit bei Sebastian Rinks Titel: «Wenn Gott reklamiert», denn unsere Welt ist nicht so, wie sie sein sollte.

Genau hier kommen die zwölf sogenannten «kleinen» Propheten ins Spiel. Auf unnachahmliche Weise halten sie uns den Spiegel vor. Und Rink fragt mit der Nobelpreisträgerin Nelly Sachs: «Wenn die Propheten einbrächen, […] würdest du sie hören?» Er ergänzt: «Wir suchen nach dem Göttlichen in Schriften, die nicht für uns gedacht waren und lesen sie doch so, als wären sie es. Wir tun einmal so, als hätten sie uns etwas zu sagen. Das ist waghalsig, historisch wie theologisch. Aber wer weiss, ob Gott nicht trotzdem durch die Propheten reklamiert…» Wie geschieht das nun praktisch?

Kurz, knackig, kritisch

Die zwölf Kapitel über die Kleinen Propheten beginnen jeweils mit einem aktuellen Einstieg. Danach ordnet Rink das jeweilige Buch zeitlich ein und beschreibt kurz den Hintergrund und was über den namensgebenden Propheten bekannt ist. Schon dabei setzt er sich zwischen die Stühle: Die einen werden bereits Bibelkritik wittern, anderen wird er viel zu evangelikal argumentieren. Doch Rink fragt sich, ob es die Person des Obadja wirklich gab oder ob dieser «Diener Jahwes» (so die Übersetzung) nur der fiktive Träger einer Botschaft Gottes ist, hinter der er völlig zurücktritt.

Danach greift er einige zentrale Aspekte des Buches auf und setzt sich mit ihnen auseinander: Natürlich gehören dazu klassische Verheissungen wie Micha Kapitel 7, Vers 18 : «Wer ist ein Gott wie du, der die Sünde vergibt und dem Überrest seines Erbteils die Übertretung erlässt, der seinen Zorn nicht allezeit festhält, sondern Lust an der Gnade hat?», aber genauso die blutigen und schwer verständlichen «FSK-16»-Abschnitte. Rink erklärt, ordnet ein, bezieht auf heute und lässt manches einfach so fremd und unverständlich stehen, wie es sich für uns heute darstellt.

Locker, aber nicht geglättet

Gerade der Umgang mit den harten Aussagen der Propheten macht dieses Buch so lesenswert. Denn der Autor schafft es, leicht lesbar und positiv zu bleiben, ohne solche Problemfelder zu umgehen oder sie einfacherweise zu glätten. Dann kommt zum Beispiel bei Nahum der gewalttätige Wunsch zum Ausdruck: «Die Feind*innen sollen leiden. Wenn dir dieser Gedanke nicht ganz fremd ist, dann kommen dir die Texte vielleicht näher.»

Dieses Näherbringen der alten Botschaften schafft Rink gut: Da zieht er Parallelen zwischen Joels Predigten und unserer heutigen Verantwortung für die Umwelt (übrigens ohne Joel damit auf einen Umweltaktivisten zu reduzieren). Da spricht er in seiner eigenen Übersetzung der Bibeltexte von «G*tt» und drückt so auf moderne Art seinen Respekt vor dem geheimnisvollen Gott aus, der in keine Schublade hineinpasst. Luther schrieb deswegen «HERR» und jüdische Übersetzer «G'tt».

Ist das mein Buch?

Die Kleinen Propheten gehören zu den biblischen Büchern, die am wenigsten gelesen und gepredigt werden. Eigentlich schade, aber Bücher wie dieses könnten das ändern. Weil es gute Lesbarkeit mit theologischem Tiefgang verbindet. Weil es die biblische Botschaft ernst nimmt und gleichzeitig unsere heutigen Anfragen an die alten Texte. Weil es zeitlos wichtige Themen wie Gerechtigkeit aufnimmt und dazu herausfordert, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln.

Beim Lesen ist eigener Glaube an den Gott dieser Propheten hilfreich, aber nicht notwendig. Der Theologe Thorsten Dietz hält in seinem Vorwort passenderweise fest: «Sebastian Rink hat genau die Art von Buch geschrieben, die ich als junger Agnostiker auf der Suche gerne entdeckt hätte.» Er hat recht! Die Kürze der Kapitel (jeweils ca. 14 Seiten) sind perfekt für einen ersten Überblick über diesen Teil der Bibel. Wer es dabei belässt, nimmt vieles an Informationen und Anregungen zum Weiterdenken mit. Wer tiefer einsteigen möchte, findet am Ende des Buchs Hilfen dazu und auf der Website des Autors eine ganze Mediathek mit Material.

Fazit

Ein bisschen Lust am Selberdenken sollte man mitbringen, aber dann ist «Wenn Gott reklamiert» ein wunderbares Buch, das viel Lust auf die Spannung zwischen Altem Testament und heutiger Lebenswirklichkeit macht. Klare Leseempfehlung!

Zum Buch:
Sebastian Rink: «Wenn Gott reklamiert. Das grosse Schreien der Kleinen Propheten»

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Datum: 10.02.2021
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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