Neue alte Gemeindeform

Haben Hauskirchen Zukunft?

Die ersten Christen versammelten sich «hin und her in den Häusern». Heute betrachten viele dieses Modell als überholt, andere wollen gern zurück zu diesen Wurzeln und glauben, dass die Hauskirche Zukunft hat. Zum Beispiel die mehr als 1'000 Christen, die sich über Pfingsten im sächsischen Limbach-Oberfrohna zum Hausgemeindefestival «Hoffnung Deutschland« trafen.
Selbsthilfegruppe (Bigstock: 46461076)

Zum ersten Hausgemeindefestival von «Hoffnung Deutschland» kamen 1999 laut der Evangelischen Nachrichtenagentur Idea ungefähr 30 Personen. Mitbegründer Marcus Rose war in einer Glaubenskrise während seines Theologiestudiums in Thailand dieser Form von Gemeinde begegnet. Zurück in Berlin begann er damit, Menschen nach Hause oder an neutrale Orte einzuladen. Sie kamen. Und sie kamen zum Glauben. Viele fühlten sich wohl in der Gemeinde ohne Gebäude. Andere kritisierten die Gemeindegründungsarbeit, die an den etablierten und verfassten Kirchen vorbeiging. Rose entgegnet ihnen: «Den meisten Menschen ist nicht das Evangelium schwer zu vermitteln, sondern die Kirche.»

Vor- und Nachteil: nicht fassbar

Gerade weil die Hauskirchenbewegung zwar lose miteinander vernetzt ist, aber keine festen Strukturen hat, ist es sehr schwer abzuschätzen, wie viele Hausgemeinden es in Deutschland oder der Schweiz gibt. Gehört ein Hauskreis ohne gemeindliche Anbindung bereits dazu oder nicht? Was hierzulande schnell als Nachteil empfunden wird – niemand weiss, wie viele Mitglieder zu welchen Zellgruppen gehören und wann und wo sie sich jeweils treffen – ist in Ländern wie China ein unbestreitbarer Vorteil. Dort boomt die Hauskirchenbewegung seit Jahren. Der Gemeindegründungsexperte David Poysti aus Regensburg geht davon aus, dass sich über 100 Millionen chinesische Christen im Untergrund in Hauskirchen versammeln.

Was macht Hausgemeinden attraktiv?

Doch was macht Hausgemeinden im Westen attraktiv, wo eine Untergrundkirche nicht nötig ist? Auch in den USA und in Kanada spricht man von rund 20 Millionen Christen, die ihren Glauben in kleinen Hausgemeinden statt in den Kirchen der klassischen Denominationen leben. In Westeuropa ist die Tendenz ebenfalls steigend. Der Theologe und Hauskirchengründer Wolfgang Simson fasst ihre missionarische Wirksamkeit und Attraktivität mit den Schlagworten zusammen: «Hauskirche steht für eine dreifache Offenheit: Öffne deine Haustür. Öffne deinen Kühlschrank. Öffne dein Herz.» Man ist in dieser Gemeindeform offensichtlich sehr schnell beim Eigentlichen angekommen.

Lebensgemeinschaft statt liturgischer Formen

Wenn sich Christen und Interessierte in Hausgemeinden treffen, geht es zwar auch hier um die Bibel, doch weniger um eine klassische Predigt, vor der drei Lieder gesungen und nach der das Vaterunser gebetet wird. Meist treffen hier alt und jung zusammen – ohne dass Kinder im Kindergottesdienst separat betreut werden. Das Miteinander, gemeinsames Essen, das praktische Erleben, wie der andere seinen Glauben im Alltag lebt, all das hat einen höheren Stellenwert als im «normalen» Gottesdienst. Hinzu kommt, dass die Hemmschwelle für eingeladene Nachbarn oder Freunde viel kleiner ist.

Natürlich hat auch der klassische Gottesdienst seine unbestreitbaren Vorzüge. Die Predigt eines theologischen Profis kann sehr inspirierend sein. Viele missionarische Aktionen sind nur mit einer grösseren Anzahl von Menschen durchzuführen.

Streitfrage oder Bereicherung?

Und welches ist jetzt die «richtige» Form? Dies ist wohl die falsche Frage. Beide Gemeindeformen können voneinander profitieren, sich von den guten Seiten der anderen inspirieren lassen. Beide erreichen durchaus unterschiedliche Menschen mit dem Evangelium. Das Abgrenzen gegen eine «nicht mehr zeitgemässe Kirche» erscheint ebenso wenig angebracht wie die Angst vor Unkontrollierbarkeit und ein Rückzug auf die kulturkirchliche Prägung des Abendlands. Jesus Christus rief und ruft Menschen in seine Nachfolge – die «biblische» Form dafür gibt es nicht.

Datum: 14.07.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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