Lebensentscheidung

Nathaniel Marshall: Klempner statt Pastor

Einige Christen erleben ihre Berufung so, dass Gott sie aus dem normalen Job in einen geistlichen Dienst herausholt. Nicht so Nathaniel Marshall. Er weiss sich von Gott als vollzeitlicher Klempner berufen.
Nathaniel Marshall (Bild: zVg)

Vor inzwischen zehn Jahren stand Nathaniel an einer beruflichen Weggabelung. Der junge Christ war davon überzeugt, dass Gott ihn ins Theologiestudium geschickt hatte, damit er irgendwann als Pastor eine Gemeinde leiten würde. Das war sein Lebenstraum. Doch inzwischen hatte er seine Frau kennengelernt und geheiratet, sie hatten eine gemeinsame Tochter und die zweite war unterwegs.

Plan B oder eine andere Berufung?

Für die «US-Zeitschrift Christianity Today» schrieb Nathaniel seine Geschichte auf und erinnert sich an seine damaligen Überlegungen: «Wie viele andere Millennials war auch ich knapp bei Kasse.» War da eine lange theologische Ausbildung sinnvoll? Auch als Pastor würde er nicht besonders viel verdienen, und irgendwie zweifelte er daran, ob er reif genug im Glauben war, um als Vorbild eine Gemeinde zu führen. In diese Überlegungen hinein erklärte ihm ein befreundeter Pastor: «Ich kenne da jemanden, der eine Klempnerfirma besitzt. Er sucht einen Partner. Wäre das vielleicht etwas für dich?»

Zunächst fühlte es sich fast wie Verrat an den Wünschen und Plänen an, die er bisher als Berufung angesehen hatte, doch je länger Nathaniel überlegte, desto interessanter wurde der Vorschlag für ihn. Er wurde Klempner und betete dabei: «Gott, mach mich zu einem Menschen, der eines Tages als Pastor in deiner Kirche arbeiten kann.»

Beten und Arbeiten

Inzwischen sind zehn Jahre vergangen und Nathaniel arbeitet immer noch als Klempner. Vielleicht wird er irgendwann seinen Blaumann gegen den Anzug tauschen und Pastor werden, doch bis dahin lernt er, Jesus als Klempner nachzufolgen. Während dieser Zeit ist eine Überzeugung in ihm herangereift: «Arbeit ist das Übungsfeld, auf dem gute Christen entstehen.»

Ein wichtiger Schlüssel dazu ist für Nathaniel das Gebet. «Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.» Das unterstreicht Paulus in 1. Thessalonicher, Kapitel 5, Vers 16 bis 18 und für Nathaniel ist es wichtig zu sehen, dass all dies auch innerhalb einer normalen Berufstätigkeit möglich ist. Gebet als «Annäherung der Seele an Gott» gilt nicht nur für Hauptamtliche. So arbeitet er an Rohren, Wasseranschlüssen und Abwasserleitungen und übt währenddessen, immer zu beten – auch mit dem Schraubenschlüssel in der Hand.

Zwei Mönche aus der Antike dienen ihm dabei als Inspiration. Basilius der Grosse verfasste im vierten Jahrhundert Regeln für ein Gott wohlgefälliges Leben. Darin heisst es unter anderem: «Inmitten unserer Arbeit können wir die Pflicht des Gebets erfüllen, indem wir Gott danken, der unseren Händen die Kraft gegeben hat, unsere Aufgaben zu erfüllen, und unserem Verstand die Klugheit, sich Wissen anzueignen … und indem wir beten, dass die Arbeit unserer Hände als Ziel Gottes Wohlgefallen hat.» Der andere Mönch ist Benedikt von Nursia, der das Motto «ora et labora» prägte – bete und arbeite! Dieses Gleichgewicht spielt in Nathaniels Beruf eine grosse Rolle, und er merkt, dass Nachlässigkeit bei seinen «normalen» Aufgaben oft auch solche im «geistlichen» Bereich nach sich zieht.

Glaubenspraxis

Was Nathaniel an seinem Klempner-Dasein besonders schätzt, ist dessen Ganzheitlichkeit. Er unterstreicht: «Wenn ich einen Warmwasserbereiter installiere, muss ich meinen Willen, meinen Verstand, meinen Körper, alle meine Fähigkeiten einsetzen – jede Facette meines Wesens ist daran beteiligt, die Arbeit auszuführen. Die Arbeit mit meinen Händen dient mir als Gelegenheit, die sonst zerstreuten Teile meines Wesens wieder zu integrieren. (…) Dasselbe praktiziere ich in meinen Gebetszeiten, indem ich Geist, Körper, Seele und Kraft aufbringe, um bei Gott zu sein und ihn zu loben.»

Nathaniel hat noch nicht den Eindruck, dass er am Ende seiner Erfahrungen angekommen ist, aber er weiss längst, dass sein Leben als Klempner kein Ausstieg aus seiner eigentlichen Berufung war. So fand er in den letzten zehn Jahren zu einem Arbeitsstil, der ihn nicht am Beten hindert, zu einem Lebensstil, der im Hier und Jetzt zu Hause ist, aber seine Wurzeln im antiken Mönchstum hat. Nathaniel weiss: «In Christus bete ich gerade deshalb, weil ich arbeite, und ich werde ein besserer Beter, weil ich ein Arbeiter bin… Meine Berufung als Klempner ist sicherlich nicht das Leben, das ich erwartet hatte, aber es ist das Leben, für das ich gebetet habe.»

Zum Thema:
Wertschätzen und Fördern: Berufung im Berufsalltag ausleben
Unternehmerin Christy Wright: Warum wir uns keine Sorgen um unsere Berufung machen müssen
Beten im Unispital Basel: Fürbitter stehen für den Arbeitsplatz ein

Datum: 09.09.2022
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Christianity Today

Werbung
Livenet Service
Werbung