Eine grosse Wertschätzung von vielen Seiten hat
Spitalseelsorger Volker Eschmann erlebt. Er wünscht sich, dass diese
auch nach der Corona-Zeit andauert.
Mit dem Lockdown im März sei die Anspannung im Kantonsspital Aarau
gewachsen, sagt Volker Eschmann. Als Seelsorger, der unter 65 Jahre alt
ist, gehört er nicht zu den gefährdeten Personen und kann darum auch auf
den Covid-19-Stationen arbeiten. Dort begleitet er sowohl die Patienten
als auch die Mitarbeitenden.
Der Seelsorger bewegt sich dort in der für diese Stationen üblichen
Schutzkleidung. Dazu gehören eine Kunststoffschürze, eine Schutzbrille
und ein Mund-Nasen-Schutz. «Wir sehen nicht wie Astronauten aus, so wie
man sie von Bildern von Spitälern in Italien kennt», gibt er gegenüber
kath.ch zu Protokoll.
Schwierige Situation in gesperrtem Spital
Die «dezente» Schutzbrille habe ihm keine Probleme verursacht. Ganz
anders die Hygienemaske. «Ich habe es als schwierig erlebt, mit der
Maske, die das halbe Gesicht bedeckt, auf die Menschen zuzugehen.
Während ihres Spitalaufenthaltes sehen die Patienten kein lachendes
Gesicht.» Die Pflicht zum Tragen der Schutzmaske gelte auf allen
Stationen und nicht nur auf den Covid-19-Stationen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Patienten nach wie vor so gut wie keinen Besuch empfangen dürfen. Der auch als Radioprediger bekannte
Spitalseelsorger schildet den Fall eines jungen Vaters. «Er sagte mir:
'Hier werde ich bestens betreut. Ich brauche nur mit den Fingern zu
schnippen und schon kommt Hilfe. Meine Frau aber ist allein.'»
Auch externe Betreuung der Angehörigen
Volker Eschmann (Bild: SRF/Bruno Fäh)
Aufgrund der BAG-Vorschriften zur Coronapandemie konnte sie nicht
einmal die Hilfe der Grosseltern für die Betreuung der zwei Kinder in
Anspruch nehmen. «Wir sind so verblieben, dass ich mich mit seiner Frau
in Verbindung gesetzt habe. So kam es zu einem intensiven
seelsorgerlichen Kontakt.»
Die Situation sei aktuell äusserst schwierig für die Angehörigen. Die
Patienten würden zum Teil mit schwersten Beeinträchtigungen im Notfall
eingeliefert. «Danach ist kein persönlicher Kontakt mehr möglich.»
Besuche sind wegen der Pandemie weitgehend verboten. Die Kommunikation
erfolgt über Telefon oder Video.
Es handelt sich nicht um ein Grippe
Die Begegnungen mit den Angehörigen in den Gängen oder am Bett der
Erkrankten fallen aus. Das fordert die Seelsorgenden des Spitals heraus.
«Meine Kolleginnen und Kollegen in der Seelsorge und ich haben relativ
viele Menschen am Telefon begleitet», sagt Eschmann.
Seit mehr als 25 Jahren arbeitet Eschmann als Seelsorger. Als er
jedoch den ersten Covid-Patienten in den Tod begleitete, habe ihn das
sehr mitgenommen. «Ich hatte noch nicht erlebt, wie qualvoll ein Mensch
trotz der medizinischen Möglichkeiten zugrunde gehen kann.» Und der
Seelsorger fügt hinzu: «Das Bild ist mir auch geblieben als Warnung,
dass es sich bei dieser Viruserkrankung eben nicht 'nur' um eine Grippe
handelt.»
Das innere Loslassen
Kraft, um mit solchen Situationen fertig zu werden, holt der
Seelsorger im Gespräch mit seinen Kollegen und Kolleginnen. Und aus
Ritualen: «Bevor ich das Spital verlasse, gehe ich kurz in die Kapelle
und zünde eine Kerze an. So kann ich innerlich die Menschen, denen ich
begegnet bin, wirklich noch einmal Gott übergeben, obwohl ich weiss,
dass er bei ihnen ist.»
Dieses innere Loslassen in einem kurzes Gebet mache ihn wieder
freier. «Das muss ich tun, denn sonst geht es mir nicht gut. Dann habe
ich, wenn ich zu Hause bin, immer Bilder im Kopf, die ich nicht haben
will.»
Eine neue Wertschätzungskultur
Eschmann freut eines besonders: Gegenüber dem Spitalpersonal gab es
viele Zeichen der Wertschätzung, auf der Strasse und auch im
Krankenhaus. Verschiedene Grossverteiler haben Mittagessen gesponsert
und Firmen haben dem Personal «gefühlt ganze Wagenladungen von
Süssigkeiten» zur Verfügung gestellt.
Der Spitalseelsorger möchte, dass diese Wertschätzungskultur über die
Corona-Krise hinaus Bestand hat. «Damit meine ich nicht, dass man sich
anbiedernd oder falsch benimmt.» Vielmehr solle man die Arbeitskollegen
und Kolleginnen in dem, was sie leisten, wertschätzen und dies auch
zurückmelden. Und der Seelsorger schliesst: «Ich merke, dass mir das
richtig wichtig geworden ist.»