DIE FRUCHT des Weizenkorns

Schreinerei
Demontage
Jobfactory Print
Montage
Gitarrenwerkstatt

Über zwei Jahre hatte er eine Lehrstelle gesucht, über 30 Bewerbungen verschickt, alles Absagen bekommen. Philipp E. aus Basel ist einer von vielen jungen Menschen, die schmerzlich spüren, dass es für bildungsschwächere und ausländische Schulabgänger enorm schwierig ist, eine Lehr- oder Arbeitsstelle zu finden.

Heute arbeitet der 19-Jährige in der Job Factory, wo er in der Schreinerei eine Lehre macht. Über hundert Jugendliche haben in den bisherigen zwei Jahren die Job Factory durchlaufen. Aus einer Vision ist eine Firma geworden, die zig Jugendlichen eine Vision bietet.

Der Swiss bleibt die Luft weg, die BZ Bank verlor ihre Visionen und Worldcom surft in die Krise. Während die Weltwirtschaft in den letzten Jahren mit angezogener Handbremse fuhr, stellte die Basler Firma Job Factory innert zwei Jahren 80 Stellen auf. Zurzeit baut die Job Factory Basel AG fleissig an ihrem Jugendwarenhaus, das am 30. Oktober dieses Jahres eröffnet wird, dem ersten überhaupt in der Schweiz. Über 50 zusätzliche Arbeitsplätze für Jugendliche bis 25 werden dadurch geschaffen. Bis 2003 sollen hier 100 Arbeitsplätze entstehen, einschliesslich Lehr- und Anlehrstellen. Factoy's Laden wird mehr als nur ein Trendstore sein!

Die Stiftung «Weizenkorn»

Die Job Factory wuchs wortwörtlich aus einem Weizenkorn: Aus der «Stiftung Weizenkorn», die Robert Roth (52) in den Siebzigerjahren im Zuge der Albanarbeit gründete und die sich bis heute zu einem von Bund und Kantonen anerkannten Sozialunternehmen entwickelt hat. Das «Weizeli» in Kleinbasel stellt 110 geschützte Arbeitsplätze für psychisch behinderte Menschen in den Bereichen Schreinerei, Küchenbau, Restauration, Malatelier, Spielwaren, Kerzenfabrikation, Handel und Administration zur Verfügung. Robert Roth, seit je ein Visionär mit einer Passion für Junge und Menschen am Rand der Gesellschaft, erzählt: «Vor drei Jahren kamen einige Reallehrer zu mir; die wussten, dass wir mit Jungen arbeiteten. Sie waren betroffen und sagten: ‹Wir kriegen unsere Schulabgänger nicht in die Wirtschaft!› Einige mussten bis 500 Telefonate machen für eine Praktikumsstelle. ‹Ihr müsst was tun. Erweitert das Weizenkorn!›» Bei Robert Roth und seinen Leuten fuhr das ein. «Aber geschützte Arbeitsplätze für Jugendliche, das wussten wir, waren nicht ideal. Da finden sie den Weg ins Leben nicht. Es gab nur eine Lösung: eine Firma gründen!»

Im Jahr 2000 wurde die Job Factory AG gemeinsam mit der integrierten Stiftung Job Training und der Liegenschaftsstiftung «Shelter», welche Liegenschaften mit günstigen Miet- und Rahmenbedingungen bereitstellt und verwaltet, aus der Taufe gehoben und durch die Stiftung Weizenkorn vorfinanziert.

Mit einer Schreinerei fing alles an

Mit drei Mitarbeitern und elf Jugendlichen begann die Arbeit an der Bordeauxstrasse. «Dank der Weizenkorn-Schreinerei brachten wir zwar ein grosses Know-how mit und wussten um die gute Auftragslage», so Zeno Steuri, ein Mann der ersten Stunde und Mitglied der Geschäftsleitung. «Aber der Umbau der Liegenschaft war eine grosse Herausforderung, denn es galt, sie unseren Zwecken anzupassen und unsere Arbeitsbereiche aufzubauen.» Das Problem: Man wusste, dass wir mit Jugendlichen zusammenarbeiten wollten, aber nicht, wer denn letztlich kommt. «Wir wussten nur, dass sie eine sinnvolle Arbeit suchten.» Aber eine künftige Coiffeuse im Innenausbau? Einen Lappländer spricht man auch nicht auf Walliserdeutsch an. Das Arbeitsamt vermittelte ein paar Jugendliche. «Sehr hemdsärmlig packten wir an, die einzelnen Abteilungen entstanden nach und nach.» Allerdings erst als geeignete Mitarbeiter vorhanden waren. Hauptbedingung: Fachleute mit sozialer Ader. So wurde zum Beispiel um den gelernten Gitarrenbauer Zeno Steuri ein Fabrikationsbereich «Gitarrenbau» eröffnet.

Täglich vier Bewerbungen

50 Juniors arbeiten nun auf dem Basler Dreispitzareal. «Juniors» heissen im Job-Factory-Jargon die Angestellten der Firma. Sie sind meist 16 bis 21 Jahre alt, gleich viele Frauen wie Männer und eine gesellschaftlich proportionale Anzahl Ausländer. Daniel Aeberhard (Job-Training-Verantwortlicher): «Im Sommer, nach dem Schuljahrschluss, steigen die Bewerbungen auf bis zu vier pro Tag.» «Wir werden auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen», stellt Peter Bosshart fest. Dem Informatiker und Mitglied der Geschäftsleitung ist aufgefallen, dass immer mehr «Blindbewerber» auf die Job Factory aufmerksam werden. «Wir erhalten viele Briefe von Nicht-Juniors, die uns als sozialethisch engagierte Firma wahrnehmen und denken, wir stellten generell Leute an, die in ihrem Beruf benachteiligt seien oder nicht optimale Bedingungen hätten. Das läuft aber entgegen unserer Zielvereinbarung.» Zumal die Job Factory längst nicht allen jugendlichen Bewerbern eine Perspektive respektive eine Stelle bieten kann.

«Wenigstens gibt es in Basel noch andere Angebote, mit denen wir eng zusammenarbeiten. So dass sich häufig eine Lösung anbietet», bilanziert Aeberhard. Die Statistik spricht für die Basler Berufsfabrik. 80 Prozent von denen, die im 2001 mehr als einen Monat bei der «JoF» anheuerten, fanden eine Lehre, eine Stelle, eine Schule oder einen Job. Für den grössten Teil der Jugendlichen ist die Zeit an der Bordeauxstrasse eine Überbrückung auf der Suche nach einer längerfristigen Lösung. Im Schnitt arbeiten die Juniors ein halbes Jahr an der Ecke im Dreispitzquartier. Einzelne gelangen in eine zwei- bis vierjährige Lehre in einem der verschiedenen Job-Factory-Bereiche und schliessen mit anerkanntem Zertifikat ab.

«Die Lehrlinge sind eine Ergänzung», sagt Bosshart. «Sie gehören nicht zur Fluktuation. Während der Lehre können wir immer mit ihnen rechnen.» Man habe gemerkt, dass dies der Zielerhaltung dienlich sei, um die Wertschöpfungskette aufrechtzuerhalten. Die anderen Juniors erhalten ebenfalls fachliche Ausbildung sowie wichtige Sozialkompetenzen. Dazu dient die Stiftung Job Training: Eineinhalb Tage wird in Deutsch, Mathematik und allgemein bildenden Fächern unterrichtet. Im Weiteren reicht die Palette von Bewerbungstechnik bis zu Körperpflege. Bosshart: «Ein grosser Teil wird so nicht nur für den Arbeitsmarkt qualifiziert, sondern hat auch noch Vorteile gegenüber denen, die nicht die Schlaufe über uns gemacht haben.»

Preisdumping?

Auf dem Markt hat die Job Factory klare Vorteile. Die Juniors arbeiten günstiger als mehrfache Familienväter. Böses Blut und Preisdumping habe es aber noch nicht gegeben, macht Bosshart geltend: «Wir sind eine AG und wir sind auf dem Markt tätig. Wir konkurrieren also.» Zum Teil wird aber auch für andere Firmen auf dem Markt produziert, zum Beispiel Küchen, Lampen, Bikes. «Im Digitalprint stellen wir uns aber ganz klar dem Markt, allerdings zu üblichen Preisen.» Die einzige Ausnahme der Firma bildet die Informatik: «Dort, wo es um Web-Design oder andere Internetlösungen geht, können wir günstige Lösungen anbieten – eine Nische. Wir können kreative Wege suchen, weil wir uns mehr Zeit nehmen können.»

Ora et labora

Eines hat die Job-Factory-Führung gemeinsam: den christlichen Glauben. Steuri: «Auf der Ebene der Entscheidungsträger verlangen wir ein klares christliches Bekenntnis als gemeinsame Ebene. Wir wollen die Firma und die Vision im Gebet tragen. Wir stehen in einem gesellschaftlichen Problemfeld, welches viel Kraft und Glaube erfordert.» Viele würden sagen: «Wer nicht an Gott glaubt, baut eine solche Firma gar nicht erst auf.» Deshalb gilt: Ora et labora. Wenn einer den Glauben nicht teilen würde, schlösse er sich aus und könnte kein Bindeglied im Kader sein. «Es erspart weltanschauliche Diskussionen, wir haben ein klares Leitbild und einen gemeinsamen Nenner.» Was der Chefetage Pflicht, ist des Juniors Tugend nicht. «Wir wollen nicht als christliche Firma wahrgenommen werden, sondern Raum für Gottes Segen schaffen. Der Glaube ist einfach unsere Plattform», schildert Peter Bosshart. «Die Juniors kriegen den Glauben dann mit, wenn sie uns darauf ansprechen.» Viele seien fasziniert. Bosshart: «Jemandem, den wir anstellen wollten, sagten wir, dass wir Christen sind. Seine Reaktion: ‹Weisst du, ich arbeitete so lange hier drin und merkte das nicht. Aber jetzt, wo du es sagst, ist es logisch. Ich spüre etwas Gemeinsames, das euch stark macht. Ihr redet nicht darüber, sondern ihr lebt es.›» Und, so Bosshart beinahe philosophisch: «Ich glaube, dass ein Jugendlicher einfach merkt, dass er hier einen Platz hat, dass er hier als wertvoller Mensch wahrgenommen wird, der etwas mitbringt, bei dem man auf Vorhandenes aufbaut, und der später den Spirit, den er hier bewusst oder unbewusst wahrgenommen hat, auch hinausträgt.»

UBS-Topmanager übernimmt Geschäftsleitung

Bis Ende 2001 ist die Job Factory so gewachsen, dass Robert Roth als Geschäftsführer des Weizenkorns die JoF-Führung nicht mehr im Nebenamt ausüben konnte. Ein vollamtlicher Geschäftsführer wurde gesucht und gefunden. Die Herausforderung angenommen hat kein Geringerer als der Leiter der Abteilung Immobilienfonds der UBS. Tony Ronchi (49), früher aktiv in der Kommunität Steppenblüte in Basel, machte Karriere bei der UBS, betreute zuletzt Immobilienanlagen im Wert von rund 7 Milliarden Franken und war in dieser Funktion der Mann mit den meisten Verwaltungsrats-mandaten in der Schweiz.

Die Aktie

«Job-Holder» statt «Share-Holder»: Auch betreffend Aktien geht die Job Factory Basel AG neue Wege. Ronchi auf die Frage, wie viel Gewinn man denn mit der Basler Firma einstreichen könne: «Der Investor sieht rasch, dass es eine spezielle Aktie ist. Man hat die Job Factory als AG gegründet, damit die Juniors sagen können: Ich arbeitete in der Firma X AG. Dies ist eine Qualifikation und tönt anders als: Ich war im Verein XY für Arbeitslosenbeschäftigung.»
Die Aktie kostet 1000 Franken, bei einem Nominalwert von deren 100. «Die 900 Franken Differenz sind eine neuzeitliche Spende, Eigenkapital der Gesellschaft. Unserem Aktionär ist wichtig, dass er sich sozialethisch engagieren kann. Er sieht, dass mit seinem Geld in der Gesellschaft etwas wahrgenommen wird, womit er später auf indirekte Art profitiert. Er darf aber nicht erwarten, dass innerhalb weniger Jahre ein grosser Return of Investment lacht, nur weil wir an die Börse gehen.» Dies liegt den Job-Factory-Machern ferne. Dafür – und dies spricht nachhaltig für die JoF-Aktie – gibt es keine Pleiten bei künftigen Börsencrashs. Und eine crashsichere Aktie ist in der Zeit der ohnehin frei fallenden Indices der SMI, AOL Time Warner und Nikkei auch nicht zu verachten.

Die neue Vision

Der neuste Coup der Job Factory heisst «Warenhaus». Aus dieser Vision soll diesen Herbst greif- und kaufbare Realität werden. Zu stehen kommt der ganz in Blau gehaltene Bau an der Münchensteinstrasse 268, einer markanten Kreuzung am Dreispitzareal, nahe dem St. Jakobspark. Weil dieser und weitere Einkaufs-möglichkeiten direkt vor der Nase stehen, muss sich der dreistöckige Job-Factory-Bau in der Angebotspalette unterscheiden. Offiziell wird noch nichts gesagt, klar ist aber bereits, dass das Angebot u.a. Richtung Liquidationsware im Outlet-Stil geht. Zuoberst gibt’s ein Restaurant mit 170 Sitzplätzen. Von dort aus sieht man Chrischona, nach Deutschland und über Basel. Eine Vision mit – so oder so – Weitblick.

Datum: 30.04.2003
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Christliches Zeugnis

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