Tagung in Zürich

Darf die Kirche politisieren?

Darüber wurde an einer Tagung in Zürich kontrovers diskutiert.
Tagung «Wie tagespolitisch darf die Kirche sein?» in Zürich (Bild: Daniel Wagner)
Mario Fehr
Klaus-Rüdiger Mai

«Geht ein neuer Riss durch die Kirchen? Müssen sich diejenigen als schlechtere Christen fühlen, die sich politisch anders positionieren als ihre Kirchenleitung?» Mit solchen Fragestellungen lud die Paulus Akademie in Kooperation mit dem Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik (ZRWP) und der Theologischen Fakultät der Universität Zürich für den Samstag, 15. Februar zur Tagung «Wie tagespolitisch darf die Kirche sein?» ein.

80 Interessierte kamen ins Kulturhaus Helferei Zürich. Referate, Disputationen und Ateliers erlaubten die kontroverse Auseinandersetzung mit der komplexen Thematik.

Geistige Orientierung

«Im säkularen Staat des christlich geprägten Westens sind die Räume des Glaubens und jene der Politik deutlich voneinander abgegrenzt», sagte Béatrice Acklin Zimmermann einleitend. Die Kirchen hätten aufgrund der Religionsfreiheit das Recht, sich sich in den politischen Diskurs einzubringen, egal ob es gefällt oder missfällt.

Im Grusswort betonte der Zürcher Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Mario Fehr, dass ihm die Kirche und das Gebet Halt gebe. «Die Rückbesinnung auf christliche Werte hilft mir bei der Lösung von schwierigen Problemen. Beispielsweise bei Härtefallgesuchen im Asylbereich sind sie eine wertvolle geistige Orientierung.»

«Ist denn nur 'links' normal?»

Der deutsche Schriftsteller und Regisseur Klaus-Rüdiger Mai sprach über das schwierige Spannungsverhältnis zwischen Politik und Verkündigung und betonte, dass es die Aufgabe der Kirche sei, zu versöhnen, nicht zu spalten: «In Deutschland gibt es inzwischen mehr Christen ausserhalb als innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In einer Kirche, in der einige Greta Thunberg für eine Prophetin, wenn nicht gleich für eine Inkarnation Christi halten, in der Gottesglauben immer mehr vom Glauben an das heilige Klima verdrängt wird und in der das Bekenntnis zum Kampf 'gegen rechts' das Vaterunser ersetzt, verzweifeln immer mehr Christen.»

Mai äusserte harsche Kritik am Kurs der EKD: «Bis vor kurzem – und darin bestand die konsensuale Stärke der Bundesrepublik – lebte die pluralistische Demokratie vom gesellschaftlichen Diskurs, der von rechts bis links reichte. Wenn es nicht mehr normal ist, rechts zu sein, heisst das, dass man in der evangelischen Kirche nur noch links sein darf? Dann käme es auf die politische Gesinnung und nicht auf den christlichen Glauben an.»

Was sagen die Medien?

Michael Meier setzt sich beim «Tages-Anzeiger» als Autor mit Glaubensfragen auseinander. Im Disput «Kirche und Politik aus der Sicht der Medien» betonte er, dass es die Aufgabe der Kirchen sei, Trost zu spenden statt Moral zu vermitteln. Moralische Parolen statt theologische Positionen würden vermehrt die Schlagzeilen bestimmen: «Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die katholischen Bischöfe die Suizidbeihilfe ablehnen.» Meier erwähnte auch die oberste Zürcher Katholikin Franziska Driessen. Sie erklärte, man könne als Christ nicht SVP wählen. «Den linken kirchlichen Mainstream weiss wiederum keiner so gut zu bedienen wie Papst Franziskus. Als Künder der Barmherzigkeit geniesst er riesige Sympathie.»

«Frei von Wahltaktik»

«Wenn die Kirche relevant sein will, muss sie sich politisch äussern.» Davon ist Felix Reich, Chefredaktor von «reformiert.ch» überzeugt. «Es gehört zu ihrem Auftrag, aus der Perspektive des Evangeliums auf Fragen der Zeit zu antworten. Sie tut dies im guten Sinn kämpferisch, bereichernd und pointiert, aber selten verurteilend oder gar mit einem ultimativen Wahrheitsanspruch. Frei von Wahltaktik und kommerziellen Interessen hat sie die Unantastbarkeit der Menschenwürde im Blick. Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit bilden das politische Kapital der Kirche.» Die Bergpredigt tauge nicht als politisches Programm – und auch nicht als fromme Sonntagspredigt, die in den Kirchenmauern eingesperrt werden könne.»

Diese Position vertritt auch die Zürcher Pfarrerin und Kantonsrätin Esther Straub: «Die Meinung der Kirchen ist aussagekräftig, weil sie allein auf dem Evangelium basiert. »

Zur Webseite:
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Datum: 20.02.2020
Autor: Daniel Wagner
Quelle: Livenet

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