Mini- oder Megakirche

Fünf Gründe, warum die Grösse von Gemeinden nicht entscheidend ist

Manche Christen schauen auf ihre Gemeinde und reden gern von der «kleinen Herde». Sie stellen sich dabei vor, dass wenige Mitglieder ein Zeichen echter geistlicher Haltung sind. Andere denken, dass Grösse ein Synonym für Segen ist und favorisieren grosse, wenn nicht sogar Megakirchen. Recht hat dabei … keiner. Denn weder Kleinheit noch Grösse ist ein Qualitätsmassstab für Gemeinde. Das unterstreichen die folgenden fünf Argumente.
Gottesdienst (Pfimi Frutigen)
Hauke Burgarth
Erfolg misst sich nicht an Zahlen und Grösse (Bild: Lakewood Church mit durchschnittlich 43'500 Besuchern; Quelle: theoldblackchurch.blogspot.com)

Ich habe auf Livenet bereits mehrfach von grösseren Gemeinden berichtet (zum Beispiel von der «Kirche im Brauhaus» in Gifhorn). Mein Herz schlägt jedoch eher für die kleineren Gemeinden. Und so habe ich immer wieder versucht zu zeigen, dass die Gleichung «je grösser, desto gesegneter» nicht aufgeht.

Doch Tatsache ist, dass weder der elitäre Gedanke vom Kleinbleiben noch die wirtschaftlich geprägte Idee vom notwendigen Dauerwachstum realistisch oder gar biblisch sind. Die folgenden Argumente sollen unterstreichen, dass eine Diskussion über die Gemeindegrösse eigentlich überflüssig ist. Denn letztlich brauchen wir Gemeinden in allen Grössen.

1. Gesundheit und Grösse haben nichts miteinander zu tun

Es gibt viele gesunde Gemeinden, die eher klein sind. Es gibt viele gesunde Gemeinden, die gross oder sogar sehr gross sind. Und es gibt ausserdem ungesunde Gemeinden jeder Grösse. Ein typisches biblisches Bild mag dies verdeutlichen: Immer wieder wird Kirche bzw. Gemeinde als «Leib Christi» bezeichnet, also als Körper von Jesus. Aber welche Körpergrösse ist gesund? Ein Mensch mit 1,55 m ist erst einmal weder gesünder noch ungesünder als einer mit 1,95 m. Ähnliches gilt – über das biblische Bild hinaus – auch für Gemeinden.

2. Klischees schaden nur

«Eine grosse Gemeinde ist immer unpersönlich.» – «Kleine Gemeinden können nie die Gesellschaft prägen.» – «Die Pastoren von grossen Gemeinden interessieren sich nur für Zahlen.» – «Wenn eine Gemeinde gehorsam lebt, dann wächst sie – immer.» Aussagen wie diese zeigen hauptsächlich eines: Offensichtlich gefällt es Menschen – auch Christen –, den eigenen Wert über die Abwertung eines Gegenübers zu steigern. Jede der obigen Aussagen enthält ein Körnchen Wahrheit oder kann subjektiv so empfunden werden. In ihrer Absolutheit (immer, alle, nie) sind sie allerdings schädlich. Es ist wie in fast jedem Lebensbereich: Wenn ich mein Gegenüber einmal aus seiner Schublade herauskommen lasse, kommt es zu spannenden Begegnungen, die mir selbst am meisten bringen.

3. Unterschiede sind keine Bedrohung, sondern ein Segen

Die neutestamentliche Gemeinde in Korinth war keine Vorzeigekirche. Was an Schwächen, Fehlern und Versagen möglich war: Sie konnte locker mithalten. Spannend ist deshalb, welches Bild von Gemeinde Paulus diesen Christen malt. Ein sehr klares und zugespitztes? Ein absolut einheitliches? Nein. Im Gegenteil. Paulus betont die Einheit in Unterschiedlichkeit. In 1. Korinther, Kapitel 12 betont er deshalb, wie unterschiedlich und gleichzeitig voneinander abhängig die einzelnen «Glieder des Leibes» sind.

Genauso unterschiedlich wie die Mitglieder einer Gemeinde sind nun die verschiedenen Gemeinden selbst. Manche sind klein, andere gross oder sogar sehr gross. Doch der Apostel unterstreicht: «Wir sind ja alle durch einen Geist in einen Leib hinein getauft worden, ob wir Juden sind oder Griechen, Knechte oder Freie, und wir sind alle getränkt worden zu einem Geist» (1. Korinther, Kapitel 12, Vers 13). Unterschiedlichkeit bedeutet in erster Linie Segen, nicht Bedrohung.

4. Grösse hängt mit Berufung zusammen

Manchmal überrascht mich Gott damit, dass etwas Kleines durch ihn eine besondere Bedeutung bekommt. Typisch für dieses Prinzip ist der «grosse» Apostel Paulus. Damals war er eher ein No-name, ein Niemand – genau das bedeutet sein Beiname Paulus: der Kleine. Trotzdem hatte er Kontakt mit Fürsten, Königen und letztlich sogar dem römischen Kaiser.

Meistens benutzt Gott jedoch auch Faktoren wie Grösse, um eine spezifische Berufung zu unterstreichen. Wenn Christen in einer Millionenstadt sichtbar sein wollen, dann ist es meist nötig, dass sie in grösserer Zahl auftreten. Wenn Christen auf dem Dorf in Erscheinung treten, dann geht es eher darum, dass Einzelne da sind und dableiben, dazugehören und sich engagieren. In diesen Fragen geht es jedoch nicht darum, was richtig oder falsch ist, sondern darum, was in der jeweiligen Situation weiterhilft.

5. Es geht um Zusammenarbeit und Liebe

Grosse und kleine Gemeinden haben jeweils ihre Vorzüge und Nachteile. Gesellschaftlich gesehen können sie dann punkten, wenn sie ihre Stärken ausspielen und im Bereich ihrer Schwächen mit anderen zusammenarbeiten. Eine kleine Gemeinde hat kurze Entscheidungswege und kann schnell und agil handeln. Eine grosse Gemeinde hat ein immenses Potenzial an Mitarbeitenden und kann vieles anbieten.

Wenn jetzt eine grosse Gemeinde denkt: «Wir können eigentlich alles allein auf die Beine stellen» und eine kleine meint: «Wir wollen auf keinen Fall von der ‘grossen Schwester’ geschluckt werden», dann verschenken beide ihr Potenzial. Natürlich wird es immer Christen oder Noch-nicht-Christen geben, die entweder Grösse oder Kleinheit bevorzugen. Doch insgesamt gewinnt Gemeinde dadurch, dass sie zusammenarbeitet – über die Frage der Grösse hinaus. Und Liebe lebt. Liebe, die für Menschen in der Umgebung sichtbar wird: «Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt» (Johannes, Kapitel 13, Vers 35).

Manche Gemeinden sind oder werden gross. Halleluja. Und manche bleiben eher klein. Wunderbar. Gott baut seine Gemeinde – in grosser und kleiner Form. Sie sind alle Teil seines Planes. Wenn wir einander für unsere Grösse oder fehlende Grösse kritisieren, dann verpassen wir Gottes Idee von Gemeinde. Hören wir doch auf, einander zu kritisieren und fangen stattdessen an, zusammenzuarbeiten. Wir werden überrascht sein, wie Gott uns gebraucht.

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Datum: 09.02.2020
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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