Gefangen im Rotlichtmilieu

Die Gesichter hinter der Prostitution

Manche Christen begegnen Prostituierten mit Ablehnung und Verachtung. Andere hingegen sind von Gottes Liebe für diese Menschen ergriffen und setzen sich dafür ein, dass sie Heilung und Freiheit erfahren können. Ein Beispiel gibt uns der Verein Parparim.
Gefangen
Bordell im Rotlichtmilieu

Der Verein Parparim ist eine unabhängige Hilfsorganisation, die sich auf Basis christlicher Werte für Menschen in Prostitution einsetzt. Obwohl der Verein erst 2016 gegründet wurde, sind einige Mitglieder bereits seit 2008 im Rotlichtmilieu aktiv. Es begann mit der Ergriffenheit von Menschen von der Not in diesem Milieu und dem Erkennen der Liebe von Jesus für die Betroffenen. Heute agiert Parparim in Thun und Burgdorf. Im Raum Thun machen die Mitglieder Einsätze in 15 Häusern und 33 Studios, wo sie den «Anschaffenden» Gottes Liebe nahebringen und praktische Hilfe anbieten. Bei diesen Einsätzen erfahren die Teammitglieder viele tragische Geschichten. Entgegen der Meinung vieler, entscheiden sich die Frauen nicht ganz so freiwillig zum Ausüben dieser «Arbeit».

Gelockt mit gut bezahlten Arbeitsplätzen

Sehr oft werden Frauen mit falschen Versprechungen aus anderen Ländern angelockt. «Wir geben dir eine Arbeitsstelle im Service», wird beispielsweise versprochen. Dass es sich bei diesem Service nicht etwa um einen Job in der Gastronomie handelt, erfahren die Frauen dann auf schmerzliche Weise. Viele stammen aus Osteuropa, Zentralamerika, Asien und Afrika.

Dass die Prostituierte mit Pass und Aufenthaltsbewilligung versorgt wird, ist dann üblicherweise mit hohen Kosten verbunden, durch welche sie an ihre «Agenturen» gebunden bleiben. Esther Hossmann, Präsidentin von Parparim, sagt hierzu: «Es ist bekannt, dass die Frauen mit grossen Schulden in der Schweiz ankommen.» Aus Scham sprechen die Betroffenen jedoch kaum darüber.

Familienangehörige bedroht

Viele der sich prostituierenden Frauen und Männer verharren scheinbar widerstandslos in ihrer Situation. Ein Grund dafür ist der Druck von «Agenturen» und Zuhältern: «Wenn du nicht kooperierst, wird deine Familie dafür büssen!» Solche Drohungen haben üblicherweise die gewünschte Wirkung. Die Frauen verkaufen ihre Körper, beteuern unaufhörlich, dies gerne und freiwillig zu tun und sprechen mit niemandem über die Missstände. Da Menschenhandel strafbar ist, sind die «Agenturen» natürlich besorgt, dass keine der Frauen bei der Polizei über die wirklichen Machenschaften berichtet.

In persönlichen Gesprächen, sobald das Vertrauen gewonnen wird, kommt oft Haarsträubendes ans Licht. Eine Parparim-Mitarbeiterin berichtet von einer Prostituierten, welche sogar belastendes Beweismaterial gegen den Zuhälter auf ihrem Handy hatte. Der Zuhälter drohte ihr: «Wenn du damit zur Polizei gehst, werde ich deiner Tochter sagen, womit du dein Geld verdienst.» Letztlich machte die Frau aus Angst keine Aussage bei der Polizei. Anderen wurde sogar gedroht, ihre Familienangehörigen zu töten, falls sie aus dem Sexgewerbe aussteigen.

Verlorene Würde

Die Teammitglieder von Parparim bemerken bei Prostituierten immer wieder zwei unterschiedliche Gesichter. Einige der Sexarbeiterinnen drücken sogar aus, während der Arbeit eine Maske zu tragen. Sie mimen eine fröhliche Frau, die ihrem Job gerne nachgeht. Wenn sie ihre Maske dann ablegen, kommen verletzte, ausgenutzte, vergewaltigte und schwer traumatisierte Menschen zum Vorschein. Sie haben ihre Würde verloren und glauben, keine andere Arbeit verdient zu haben. Für solche ist «Prostitution» weniger eine Berufsbezeichnung, als vielmehr ein Freipass für Männer, sie ausnutzen und gebrauchen zu dürfen. Viele glauben ernsthaft, zu nichts anderem wertvoll genug oder fähig zu sein.

Viele Geschichten – genauso viele Tragödien

Alle diese Personen haben ihre eigene Geschichte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Parparim stimmen jedoch überein, dass ausnahmslos jede von ihnen tragisch ist. Die Leiterin des Teams in Thun, Adina Zingg, hält fest: «Seit den bereits acht Jahren, in denen ich in der aufsuchenden Milieuarbeit in Thun tätig bin, habe ich noch keine betroffene Person erlebt, welche auch nach mehreren Treffen an ihrer Freiwilligkeit festhält. Im Gegenteil – oft wird in den Gesprächen mehr als genug klar, dass dies niemand gerne tut.» Es kommt vor, dass jemand bei einem Erstbesuch sagt: «Ich mache meine Arbeit gern!» Bei wachsendem Vertrauen berichten sie dann früher oder später aber doch von schweren Erlebnissen. Hin und wieder tritt eine Prostituierte in den Medien auf und gibt an, ihre «Arbeit» zu lieben. Eine solche Frau hat aber niemand von Parparim jemals persönlich getroffen – und dies nach Hunderten von Kontakten.

Frauen kommen durch finanzielle Notlagen, hinterhältiges Ködern, Drohungen oder sogar offene Gewalt ins Rotlichtmilieu und stecken, nach Aussagen von Parparim-Mitarbeitern, im Milieu fest. Ohne Hilfe schaffen sie den Ausstieg kaum.

Wir sind gefragt

Die Not im Rotlichtmilieu ist riesig und es gibt eine Menge zu tun, um ihr zu begegnen. Parparim ruft deshalb auf: «Halten Sie die Augen offen und Ihre Hände bereit zu helfen.» Dies kann geschehen, indem aussteigenden Prostituierten eine Arbeitsstelle angeboten wird. Pflegen von Beziehungen, Gebet oder auch Einsatz auf politischer Ebene sind ebenfalls von grosser Bedeutung.

Für mehr Infos oder Fragen darf Parparim gerne kontaktiert werden.

Zur Webseite:
Parparim

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Datum: 01.11.2018
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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