Fragen an Martin Fischer

Wie sind die Sozialwerke Pfarrer Sieber für die Zukunft aufgestellt?

2005 erlebten die Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber (SWS) eine Krise. Martin Fischer wurde damals als Gesamtleiter berufen. Wir fragten ihn, wie er diese Phase bewältigt und wie er Pfarrer Sieber in dieser Zeit und danach erlebt hat. Und welche Zukunfschancen er den «Sieber-Werken» gibt.Livenet: Martin Fischer, Sie waren von 2005 bis 2011 Geschäftsleiter der Sieber-Stiftung. Wie haben Sie Ernst Sieber in dieser Zeit erlebt?
Martin Fischer, damals Gesamtleiter der SWS, neben dem Bild eines Bewohners des Sunne-Egge mit der Aussage: Die Welt steht auf dem Kopf, aber das Auge Gottes wacht darüber.

Martin Fischer: Als ich in die Stiftung eintrat, erlebte ich Ernst Sieber als sehr verunsicherten Menschen. Die Frage plagte ihn, wie er das bisher Erreichte und Geschaffene in die Zukunft retten könnte, nachdem so viel Gegenwind aufgekommen war. Wie kann das Ziel, Menschen, die an den Rand gedrückt werden, ein Nächster zu sein, weiterhin verfolgt werden? Verunsichert war er auch, weil die Stiftungsaufsicht ihn nicht mehr in der Stiftungsleitung sehen wollte. Sie drängte ihn zum Rücktritt als Stiftungsratspräsident und wies ihm andere Prioritäten zu. Das war für ihn eine grosse Herausforderung!

Wie hat er es schlussendlich doch geschafft?
Er hat es geschafft, weil ihm mit der neu aufgestellten Gesamtleitung ein Team zur Seite stand, dem er Schritt für Schritt Vertrauen zu schenken wagte. Wie wir gemeinsam mit ihm an die schier unlösbaren Aufgaben gingen, wuchsen auch «unserem Pfarrer» neue Flügel. Dafür vorbereitet wurde er wohl bereits 2004 durch den ihm zur Seite gestellten Krisenmanager Joachim Focking. Nun war da also ein Team, das gut zusammenarbeitete und den Neustart ermöglichte. Die von Stiftungsaufsicht, Landeskirche und kantonalen Behörden neu beschlossene Unterstützung war Balsam für ihn.

Sie haben die Aufgabe als Stiftungsleiter übernommen – und das Werk wieder auf Kurs gebracht. Wie haben Sie diese Herkulesaufgabe geschafft?
Ich habe eine innere Freiheit dazu gewonnen, den Neustart zu schaffen, auch im Bewusstsein, dass ich damit scheitern könnte. Ich vertraute darauf, dass der gleiche Jesus, der schon Ernst Sieber in diese Aufgabe berufen hatte, auch an der Zukunft dieses Werkes interessiert ist. Mit diesem Vertrauen ging ich am Morgen oft betend durch den Lärm, Gestank und Dreck auf der Hardbrücke in Richtung Büro. Mit leeren Händen, stummen Gefühlen, und nicht selten heissem Gebet. Ich wollte dem Gott vertrauen, der mit Pfarrer Sieber Menschen eine Heimat geschaffen hatte. Orte der Liebe. Sollten diese denn nun alle zur Disposition stehen? Ich konnte auch auf den Stiftungsrat setzen. Der stützte mich. Unvergesslich auch Ernst Sieber selber. Manchmal war er ein zwar unerhört fordernder, zugleich aber wirklich väterlicher Freund!

Sie haben dann die Leitung 2011 abgegeben. Blieb Ihr Kontakt zu Pfarrer Sieber danach erhalten?
Es gab immer wieder Kontakte und Anrufe von ihm. Besonders das «Bundesdörfli», das ihm ein grosses Anliegen war, und für das er bereits als Nationalrat grünes Licht und Unterstützung erhalten hatte, beschäftigte ihn. Das wollte er vorantreiben. Und er suchte dazu auch meine Unterstützung. (Es wurde dann als «Brothuuse» schliesslich Wirklichkeit, Anm. d. Red). Mit meinem Nachfolger Pfr. Christoph Zingg und leitenden Mitarbeitenden stehe ich bis heute in freundchaftlichem Kontakt.

Welche Zukunft haben die Stiftung und ihre Werke nach Ihrer Einschätzung nach dem Tod der überragenden Persönlichkeit des Gründers?
Ich sehe in ihnen ein grosses Potential für die Zukunft. Ich bin überzeugt, dass die Sozialwerke Pfarrer Sieber in der Art wie sie heute aufgestellt sind, weiterbestehen können. Und sie können auch weiter für dieselben Anliegen einstehen, für die ihr Gründer angetreten ist. Sicher, Ernst Sieber wird fehlen. Die jetzige Leitung hat in den vergangenen 10 Jahren jedoch schon längst den Tatbeweis erbracht, dass sie Pfarrer Siebers Erbe glaubwürdig weiterzuentwickeln weiss!

Welche Erinnerung an Ernst Sieber ist für Sie prägend?
Es ist für mich nicht zufällig, dass Pfarrer Sieber ausgerechnet an Pfingsten verstorben ist. Pfingsten war neben Weihnachten für ihn das wichtigste Fest. An Weihnachten kam Jesus nach Bethlehem, also nach «Brothuuse». Das war Ernst Siebers Übertragung für «Beth-le-hem». Menschen sollen Brot des Lebens erhalten. Deshalb auch hat er sich in den vergangenen 15 Jahren zu Weihnachten jeweils mit hunderten Notleidender zur Weihnachtsparty ins Hotel Marriot einladen lassen. Und Pfingsten, da hat der Heilige Geist nach Ernst Siebers Überzeugung vor allem eines gewollt; Gemeinschaft stiften, Menschen zusammenführen, sie in seine Nachfolge rufen und in die Verantwortung stellen. Es scheint, als hätte «unser Pfarrer» sein Leben «als Gottesknecht» ausgerechnet an diesem symbolträchtigen Festtag abschliessen wollen.

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Datum: 24.05.2018
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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