Interview

"Katholische Kirche könnte von Freikirchen lernen"

Von der persönlichen Glaubenserfahrung, die in Freikirchen eine grosse Rolle spielt, könnte die katholische Kirche einiges lernen, sagt der Bischof von Basel, Kurt Koch, in einem Interview mit dem Wochenmagazin "Idea Spektrum Schweiz".
Bischof Kurt Koch.

Bischof Koch verwahrt sich im Interview in der aktuellen Ausgabe gegen den Vorwurf, die katholische Kirche hege Berührungsängste: "Die katholische Kirche wäre gut beraten, wenn sie mehr auf die Freikirchen zuginge. Sie könnte einiges von ihnen lernen." Koch denkt an das "unbekümmerte, fast spontan wirkende Glaubensbekenntnis" oder an die "persönliche Glaubenserfahrung". Er habe hie und da in seiner Kirche den Eindruck, "dass man glaubt, dass man glaubt."

Von freikirchlichen Leuten höre er oft, "sie stünden der katholischen Kirche in ethischen Fragen näher als den reformierten Kirchen", erklärt Koch. Es gebe aber auch "ökumenisch-diplomatische" Fragen zu beachten, denn seine Seite wolle die reformierten Kirchen nicht brüskieren oder verärgern. Andrerseits gebe es Freikirchen, die den Katholiken das Christ sein rundweg absprächen.

"Es geht doch um Menschen"
Im Editorial des Hefts unterstützt Hanspeter Nüesch, Leiter von Campus für Christus, Kochs Haltung weitgehend. Nüesch, der in Aktionen wie "Neues Leben" oder bei "Alphalive"-Kursen seit Jahren mit Katholiken zusammenarbeitet, versteht jedoch nicht, weshalb Koch so sehr die Zusammenarbeit mit den reformierten Landeskirchen betont und "nur in Ausnahmefällen mit den missionarisch oft qualifizierteren Freikirchen" kooperieren wolle. "Warum diese unnötige Rücksichtnahme?", fragt Nüesch.

Er attestiert Koch "eine wohltuende Bescheidenheit", fragt sich aber, weshalb Koch "fast ausschliesslich von der Kirche als Institution" spreche. "Es geht doch nicht darum, Kirchen zu retten, sondern Menschen." Diese seien immer weniger an Institutionen interessiert, "aber immer mehr an einem Glauben, der Leben verändert".

Mehr Kontakte zur katholischen Kirche?

Max Schläpfer, Präsident des Verbandes evangelischer Freikirchen und Gemeinden (VFG) «Die katholische Kirche sieht sich als einzige richtige christliche Kirche, und sie will diese Position nicht verlassen. Dies schliesst die Akzeptanz anderer Kirchen als Teil des Leibes Christi letztlich aus. Noch immer trennt uns viel Grundlegendes. Freikirchen anerkennen einen anderen Kanon als die katholische Kirche, die überdies am Anspruch der Tradition als gleichwertige Autorität neben der biblischen Offenbarung festhält. Dazu kommen Bereiche wie Marienkult, Heiligenkult, Tauf- und Abendmahlsverständnis, Sakramentsverständnis, Unfehlbarkeitsdogma des Papstes. Es gibt weder eine theologische Voraussetzung noch eine ekklesiologische oder missiologische Notwendigkeit für verstärkte Kontakte. Im Bereich Wertefragen und Verteidigung der christlichen Positionen und ethischen Fragen könnten aber intensivere Kontakte sinnvoll sein.»

Hansjörg Leutwyler, Zentralsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) «Das Miteinander in der Evangelischen Allianz beruht auf einem gemeinsamen Glaubensbekenntnis. Wir sehen „evangelisch“ weniger als konfessionsgebunden, sondern als „gemäss dem Evangelium“. Auf dieser Basis haben wir keine Berührungsängste. Es gibt etliche Einzelmitglieder in der Allianz, die sich auf unser Bekenntnis berufen und katholisch sind. Wenn die katholische Kirche das Heil aber mit der Mitgliedschaft in ihrer Kirche verbindet, so ist ein echtes Miteinander auf struktureller Ebene schwierig. Das Ziel der Allianz ist, das Evangelium öffentlich zu machen und biblische Werte zu vertreten. Darin haben wir einen gemeinsamen Auftrag, der uns auch verbindet.»

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Quelle: Kipa/idea schweiz

Datum: 19.12.2006

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