Christenverfolgung

Acht falsche Vorstellungen und wie die Realität aussieht

Im November wird in vielen Ländern weltweit den Christen gedacht, die täglich wegen ihres Glaubens leiden müssen, und für sie gebetet. Dabei haben sich mit der Zeit falsche Vorstellungen zum Thema Christenverfolgung eingeschlichen. Brian Orme von Open Doors hat zehn dieser «Mythen» aufgeklärt und zeigt, warum Verfolgung auch für die Christen im Westen hochaktuell ist.
Christenverfolgung in Indien (Symbolbild)

Falsche Vorstellungen können gefährlich sein. Sie bilden sich durch die Nachrichten, Gespräche oder sogar Soziale Medien. Das Problem ist: Wenn wir diese Vorstellungen glauben, haben sie das Potential, zu verändern, was wir denken, wie wir uns benehmen oder uns in die Welt einbringen. Ich bin auf viele der nachfolgenden Punkte reingefallen. Und so ist dieser Artikel in gewisser Weise eine Beichte. Aber ich glaube, dass viele Leute diese Punkte glauben und wir müssen sie erkennen, um das komplette Bild der Verfolgung zu sehen und zu verstehen.

1. Nur wo Gewalt eingesetzt wird, besteht Verfolgung

Christenverfolgung beinhaltet Gewalt, das zeigen zum Beispiel die schrecklichen Attentate auf christliche Kirchen in Ägypten (Livenet berichtete); aber Christenverfolgung ist auch langsame aber stetige Ächtung und Unterdrückung christlicher Bürger. Das nennen wir «Christen drücken».  In vielen Gegenden wird auf lange Sicht hin versucht, die Christen an den Rand der Gesellschaft zu rücken, indem sie vom gesellschaftlichen Leben, Zugang zu Kliniken und sogar von Arbeitsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Sie werden als zweitklassige Menschen behandelt. Dies ist auch Verfolgung und besteht überwiegend an Orten wie Bhutan, Vietnam und Indien. In den Medien wird Gewalt hervorgehoben, aber nicht-gewalttätige Verfolgung von Christen ist weitverbreitet; es wird einfach in den Nachrichten nicht davon berichtet.

2. Verfolgte Christen wollen ihr Land verlassen

Dieser Vorstellung muss unbedingt korrigiert werden. Wir sollten für Erleichterung beten und dafür, dass die Menschenrechte respektiert werden, aber viele Christen aus diesen schwierigen Gebieten bitten uns, für Durchhaltevermögen zu beten. Sie wollen in ihrem Heimatland bleiben, um dort ein Zeugnis für Jesus zu sein. Manchmal müssen sie die Region verlassen, aber viele Gläubige bitten um Gebet für Kraft, für alles Lebensnotwendige und dafür, dass sie lernen, inmitten der Verfolgung mutig zu bleiben und damit Jesus die Ehre zu geben.

3. Wenn ISIS zerstört wird, wird auch die Verfolgung an Orten wie dem Irak und Syrien verschwinden

ISIS ist gegenüber dem Christentum extrem gewalttätig. Seine Terrorakte sind böswillig und die Nachrichten sind voll davon. Doch obwohl ISIS im ganzen Nahen Osten so weit verbreitet ist, wird die Verfolgung nicht enden, wenn ISIS ausgerottet ist. In einem Gespräch mit einem unserer Mitarbeiter im Nahen Osten fragte ich kürzlich, ob Christen wieder frei atmen könnten, wenn ISIS ganz zerstört wird. Seine Antwort: «Nein. Solange Muslime an den Koran glauben, werden Christen im Nahen Osten verfolgt. Es geht um Theologie!» Wir wollen ISIS ein Ende setzen, aber das beendet nicht den Kampf um die Menschenrechte im Nahen Osten, insbesondere für Christen. Es ist nicht ganz so einfach.

4. Verfolgung war früher schlimmer

Falsch. Wir leben in einer Zeit, in der die Verfolgung ein absolutes Hoch erlebt. Über 200 Millionen Christen werden regelmässig verfolgt. Jeden Monat werden 322 Christen wegen ihres Glaubens getötet, 214 Kirchen zerstört und 722 Gewalttaten gegen Christen ausgeübt. Es gab in der Vergangenheit sicherlich auch schwere Zeiten, aber weltweit gesehen war die Verfolgung von Christen nie so stark wie heute.

5. Verfolgung verletzt die Kirche

Ja, es verletzt die Kirche im Sinne von Schmerz, Leid und Verlust, aber Gott hat die Möglichkeit, all diese Dinge zu nutzen, um sein Evangelium zu verbreiten – so wie er es in der Apostelgeschichte getan hat – und die Kirche zu stärken. Es fällt mir schwer, dies zu begreifen, aber Gott nutzt Verfolgung, um sein Reich zu bauen. Das bedeutet nicht, dass wir darum beten sollten, aber wenn es geschieht, dann nutzt Gott es für seinen Zweck und zur Durchführung seines souveränen Planes.

6. Die weltweite Verfolgung von Christen hat keine Auswirkungen auf die Kirche im Westen

Falsch. Ich selbst hab das gedacht – und es ist gefährlich, so zu denken. Wir sind ein Leib. Wenn ein Körperteil leidet, leiden alle. Deshalb ist es so wichtig, zu wissen, was weltweit in der Kirche los ist. Wenn eine Bombe in Ägypten gezündet wird, explodiert eine Bombe in jeder Kirche weltweit. Wenn in Indien ein Christ wegen seines Glaubens aus dem Dorf geworfen wird, werden wir alle aus unserem Dorf geworfen. Wenn ein Christ in Nordkorea im Gefängnis sitzt, sitzen wir alle im Gefängnis. Dies zu wissen, zu spüren, zu glauben ist entscheidend. Deshalb hören, lernen, beten, fasten, trauern und preisen wir zusammen. Wir sind ein Leib Christi.

7. Christenverfolgung ist kulturell bedingt

Es gibt viele kulturelle Unterschiede, das stimmt. Von Somalia bis nach Syrien sind kulturelle Unterschiede tief in den Menschen verwurzelt und tragen zur Verfolgung bei, egal ob das regierungsbedingte, nationalistische oder glaubensbedingte Verfolgung ist. Doch Verfolgung geht noch viel tiefer. Und die Wurzel davon ist, dass es ein geistliches Thema und ein geistlicher Kampf ist. Paulus schreibt an die Epheser: «Denn unser Kampf richtet sich nicht gegen Wesen von Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte und Gewalten der Finsternis, die über die Erde herrschen, gegen das Heer der Geister in der unsichtbaren Welt, die hinter allem Bösen stehen.» Dieses Element der Verfolgung dürfen wir nicht übersehen.

8. Da können wir nicht viel machen…

Das ist vielleicht die gefährlichste falsche Auffassung, die es gibt. Man kann Christenverfolgung leicht abtun als etwas weit Entferntes, nicht Änderbares und zu Komplexes als das man es ändern könnte. Doch es gibt so viele Dinge, die wir jeden Tag tun können, um in den Kampf einzusteigen und unsere Glaubensgeschwister hochzuheben, die auf der ganzen Welt für ihren Glauben leiden. Gebet ist unsere grösste Waffe. Es überschreitet Festungen und kommt bis an Orte, die wir uns nicht vorstellen können. Wenn Sie der Apostelgeschichte glauben, wissen Sie, dass Gebet Ketten zerbrechen, Gefangene befreien, Hilfe und Erleichterung für die leidenden Christen bringen kann, die keinen anderen Ausweg mehr haben. Wir können uns aber auch als Freiwillige einsetzen, um für Verfolgte einzustehen und die Öffentlichkeit aufzuklären, Briefe schreiben, Unterschriftenaktionen durchführen und Gebetsgruppen leiten. Und wir können spenden, um ihnen Hilfe zukommen zu lassen, christliche Literatur, sichere Häuser, Seelsorge – und finanzielle Unterstützung, um Häuser und Kirchen wiederaufzubauen. Ich ermutige Sie dazu, konkrete Schritte zu tun. Bitten Sie Gott um Führung und tun sie heute etwas für die verfolgten Christen in aller Welt.

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Datum: 24.11.2017
Autor: Rebekka Schmidt / Brian Orme
Quelle: Livenet / Open Doors USA

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