Médecins sans frontières

Hoffnungsschimmer für AIDS-Kranke in Südafrika

Draussen
Südafrika

Khayelitsha – Kein Land der Welt hat mehr HIV-Infizierte als Südafrika. In Khayelitsha in der westlichen Kapprovinz führt die Hilfsorganisation ‚Médecins sans frontières‘ (Ärzte ohne Grenzen) ein AIDS-Hilfsprogramm. 330 Patienten erhalten die Kombitherapie mit Antiretroviral-Medikamenten gratis – mit einer dramatischen Folge: Hoffnung und Kraft zum Leben kehren zurück.

Doris Matanda hat in drei Monaten über 15 Kilogramm zugenommen. Pumza Charlie glaubt trotz Tuberkulose wieder daran, dass sie dreissig Jahre alt werden wird. Sie will eine Arbeit suchen und ein Haus kaufen. „Hier sterben die Leute jedes Wochenende an AIDS, jedes Wochenende. Aber ich – ich nehme zu. Ich habe keine Probleme.“

Mehr Gratisabgabe

Die meisten AIDS-Patienten in Südafrika sterben innert Monaten oder Jahren, weil die lebenserhaltenden Medikamente, die in den reichen Ländern an Patienten abgegeben werden, für sie unerschwinglich sind. Aber in den letzten Jahren gibt es mehr und mehr Hilfsprogramme, die die Mittel gratis oder sehr billig abgeben, wie die New York Times berichtet.

Die Ärzte in Khayelitsha behandeln seit 2001 auch Schwerkranke, die kaum mehr gehen oder schlucken können. Die meisten Behandelten gewinnen wieder Kraft und überstehen Krankheiten, die sie sonst unter den Boden brächten. Die ‚Médecins sans frontières‘ führen das grösste Gratis-Programm im Land. Unterstützt wird die Hilfsorganisation von den Bergbaukonzernen Anglo American und De Beers, die neu die Medikamente für ihre Arbeitnehmer anbieten.

Grosses Versprechen Washingtons

Auch jene Südafrikaner, die eine Krankenversicherung haben, kommen zunehmend an die Mittel heran. Die Preise sind seit zwei Jahren am Sinken. (Diese Woche hat auch der Schweizer Pharmakonzern Roche die Preise gesenkt.) Im ganzen dürften allerdings nur etwa 25‘000 der schätzungsweise 4,7 Millionen HIV-Infizierten Zugang zu lebenserhaltenden Medikamenten haben; die meisten durch ihre Krankenversicherung. Auf dem schwarzen Kontinent sind letztes Jahr zweieinhalb Millionen Menschen an AIDS gestorben.

Der amerikanische Präsident George W. Bush gab in seiner Ansprache zur Lage der Nation am 28. Januar bekannt, dass die USA die Behandlung von zwei Millionen AIDS-Patienten finanzieren werden. Die Hilfsorganisationen mit Gratiskliniken zeigen, wie die Dollars eingesetzt werden könnten. Dies in einem Land, dessen Regierung sich bisher mit seltsamen Argumenten gegen Behandlungen gesträubt hat.

Widerstände im ANC

Präsident Thabo Mbeki hat sich gegenüber der Kombitherapie reserviert gezeigt, und Funktionäre der Regierungspartei ANC haben die Medikamente gar als Gift bezeichnet und den Pharma-Konzernen vorgeworfen, sie missbräuchten Afrikaner als Versuchstiere. Andere lehnen die Massenverschreibung als viel zu teuer ab. Aber immer mehr Generika kommen auf den Markt, gleichartige Medikamente, die viel billiger sind.

Auch Nelson Mandela gehört zu denen, die ihre Abgabe im grossen Stil fordern. Dies obwohl immer wieder gesagt wird, nur wenige Afrikaner könnten sich an das strikte Regime halten, das die Einnahme mehrerer Pillen pro Tag zu bestimmten Zeiten während des ganzen Lebens bedeutet. Experten warnen davor, dass bei unregelmässiger Einnahme resistente Stämme des HI-Virus entstehen könnten, die nicht mehr auf Medikamente ansprechen.

In Khayelitsha sind von 159 Patienten im ersten Jahr drei ausgestiegen. 13 Schwerkranke starben trotz der Behandlung. Den allermeisten geht es viel besser; sie nehmen die Pillen diszipliniert ein. Nach drei Monaten war das Virus bei 90 Prozent nicht mehr im Blut festzustellen. Statt viermal erkrankten sie im Jahresverlauf durchschnittlich bloss einmal.

Medi aus dem Süden viel billiger

Das Hilfsprogramm von ‚Médecins sans frontières‘ kämpft mit einem gravierenden Ärzte- und Schwesternmangel. Die Kapprovinz versucht auszuhelfen. Laut der New York Times bezahlt das Hilfswerk für die Generika in Brasilien bloss einen Dollar pro Patient und Tag. Die Provinzregierung kommt für andere Medi, Labortests und die Hälfte der Personalkosten auf. Zudem stellt sie der Organisation drei Kliniken zur Verfügung. Der stellvertretende Chef der Gesundheitsbehörde in der Western Cape Province hofft, dass das Programm landesweit Schule machen wird.

Dabei übersteigt der Bedarf bei weitem das Angebot. Nach UN-Schätzungen benötigen derzeit vier Millionen Afrikaner die Medikamente. Wenn die Initiative Washingtons greift, könnte sich diese Zahl halbieren. Aber immer noch werden zwei oder mehr Millionen ohne Medi bleiben – und früher oder später sterben. Allein in Khayelitsha warten wohl gegen 1'000 Infizierte darauf, ins Gratis-Programm aufgenommen zu werden.

‚Die Pillen tun mir gut‘

Die Glücklichen müssen regelmässig in die Klinik kommen und das monatliche Treffen der Unterstützungsgruppe besuchen. Da bringen sie zur Sprache, was sie gefehlt haben und was sie beschäftigt. Eine Mutter erzählt, dass sie vor ihren Kindern die Pillen als Mittel gegen hohen Blutdruck ausgibt. Andere sagen, dass sie als die Bevorzugten Schuldgefühle haben, wenn Bekannte ohne Therapie leiden und sterben. Nobantu Kwinana, 54, hat ihre Furcht vor der Krankheit verloren. „Ich weiss, dass ich HIV-positiv bin, und ich bin imstande, mich am Leben zu erhalten. Die Pillen tun mir gut.“

Datum: 15.02.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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