Schädliche Kraft durch verborgene Motive und Verletzungen
Oft
sind es nicht erkannte Motive und Verletzungen, die in Gemeinden Schaden
anrichten. Ehrlichkeit vor Gott kann der Anfang einer tiefgreifenden
Veränderung sein.
Es ist ein grosser Moment! Die Predigt war
kraftvoll, Menschen wurden angesprochen und merken: «Das gilt mir!» Jetzt kommt
der Aufruf, Hände gehen nach oben, Menschen folgen dem Ruf nach vorne zur Bühne
– überwältigt von der Erkenntnis von Gottes Liebe und mit dem festen
Entschluss, von diesem Tage an ganz für Jesus zu leben.
Einige Zeit später: Das Leben hat sich
tatsächlich verändert! Das ist Freude und Erfüllung. Doch mit der Hingabe
klappt es nicht wie beabsichtigt. Wie gehen wir damit um?
Lieber ein ehrlicher als ein «erfolgreicher»
Christ
So echt eine Bekehrung auch gewesen sein mag, sind
Christen doch als Teil ihrer Gesellschaft von dieser beeinflusst. In westlichen
Ländern gilt Erfolg als Ideal, nach welchem gestrebt werden soll. Und zwar im
Beruf, in Beziehung und Familie, im Sport oder wo auch immer. Dieses Paradigma
begleitet junge Christen meist auch in ihrem Glaubensleben. «Ich muss ein
erfolgreicher Christ sein!», lautet das Motto und oft braucht es Jahre, bis
erkannt wird, wie wenig Erfolgsdenken und Evangelium miteinander zu tun haben.
Selbst reifere Christen können in die
Perfektionismus-Falle geraten. Zu gesellschaftlichem Erfolgsdenken gesellt sich
Menschenfurcht, das Bedürfnis, als besonders geistlich betrachtet zu werden und
schon verstecken sie sich hinter einer gutaussehenden Fassade. Dabei verlieren
sie aus den Augen, dass Ehrlichkeit, Demut und Schwachheit viel mehr dem
Evangelium entsprechen als sichtbarer Erfolg (selbst wenn dieser nicht
grundsätzlich gering geachtet werden soll).
«Ich darf nicht eifersüchtig sein!»
Es gibt ein paar verbreitete Stolpersteine, die
in Gemeinden oft vorkommen und nicht selten grossen Schaden anrichten. Einer
davon ist Eifersucht. Da Eifersucht eine inakzeptable Eigenschaft ist, fällt es
oft schwer, sich diese einzugestehen. Unerkannt wird sie zum Beweggrund für
Machtstreben, Verleumdung oder resigniertem Rückzug. Christen können ihre
Begabungen ausspielen, um das zu «erobern», was eigentlich einem anderen gehört
(zum Beispiel eine Position/eine Aufgabe) oder sie beginnen, den anderen zu
bekämpfen, um ihn von seinem Platz zu verdrängen. Interessanterweise kann dies
sogar im Glauben geschehen, damit etwas Gutes zu tun. Früher oder später werden
die schlechten Früchte aber sichtbar.
Die Geschichte verläuft ganz anders, wenn sich
der Betroffene von Anfang an seiner Eifersucht bewusst ist. Dies erfordert
Demut und Ehrlichkeit und bringt letztlich grossen Segen hervor. Mit Fragen wie
«Weshalb bin ich eifersüchtig?» ins Gebet zu gehen und dabei plötzlich die
Langeweile im eigenen Leben festzustellen, kann einen konstruktiven Prozess
auslösen. Vielleicht wird auch festgestellt, dass der eigene Wert in
Äusserlichkeiten und nicht in Jesus gesehen wird. Auf jeden Fall ist Ehrlichkeit
der Weg, der zu Vertrautheit mit Gott und zu Reife führt.
«Ich darf nicht verletzt sein!»
Es gibt noch viele andere Dinge, denen wir uns
ehrlich stellen müssen. An dieser Stelle soll nur noch auf einen Punkt
eingegangen werden. Nämlich auf Verletzungen. In christlichen Kreisen ist es
oft verpönt, verletzt zu sein. Das ist ein grosser Fehler, denn ein liebender
Mensch ist immer verletzbar und wird als Folge von seinen Mitmenschen verletzt
werden. Es ist enorm wichtig, sich Verletzungen einzugestehen. Sie gehen
nämlich nicht weg, wenn wir sie verleugnen, sondern entwickeln sich zu Groll,
Bitterkeit, Zynismus, Isoliertheit, Selbstmitleid und manch anderem Übel.
Von Mitmenschen verletzt zu werden, ist Zeichen
unserer Schwachheit, aber auch ein Indiz, dass wir lieben. Aus Sicht des
Evangeliums also kein Grund, sich dafür zu schämen. Wir müssen ehrlich sein und
sagen: «Das hat mir weh getan.» Manchmal hilft es, dem Verletzenden dies direkt
zu sagen. Damit machen wir uns natürlich erneut verletzbar, haben aber die
Chance, dass die angeknackte Beziehung wieder hergestellt wird. Die Frage ist
nun, ob es uns das Risiko wert ist? Liebe oder Selbstschutz – was wählen wir?
Es ist wichtig, sich erlittene Verletzungen
einzugestehen, gerade wenn es um scheinbare Bagatellen geht, denn verleugnete
Verletzungen schaden dem Charakter.
Wer oder was bestimmt das Verhalten?
Unserem Verhalten liegen immer irgendwelche
Motive zugrunde. Es ist wichtig, sich diesen Beweggründen bewusst zu sein – und
hierzu braucht es Ehrlichkeit. Wollen wir den Menschen gefallen? Tun wir etwas,
um uns selbst wertvoll zu fühlen? Oder geht es uns darum, eine konkrete Person
zu beeindrucken oder ihr etwas heimzuzahlen? Wollen wir uns rechtfertigen oder wollen
wir uns vor möglichen Verletzungen schützen?
Beweggründe können ganz tief in unserer Seele
verborgen sein. Es lohnt sich, mit Gott darüber zu sprechen. Beim demütigen, suchenden
Bibellesen wird uns manches über uns selbst bewusst und wir richten uns ganz
neu an Gott aus. Bei Gott erfahren wir, worin unser Wert liegt. Das macht uns
ruhig und nimmt falschen Motiven die Kraft. Bei Gott werden wir heil und satt
und dienen aus einer Fülle heraus.
Um es kurz zu machen: Seien wir ehrlich vor Gott!
Das wird unsere Gottesbeziehung bereichern und unweigerlich auch fürs
menschliche Miteinander positive Konsequenzen haben.