In
unserer Welt gibt es unzählige Weltanschauungen und auch unterschiedliche
christliche Lehren, die sich zuweilen in zentralen Punkten widersprechen. Da
sind Spannungen vorprogrammiert.
Ein Christ hört im Internet die Botschaft eines
internationalen Predigers. «Das ist genau das, was ich gebraucht habe!», ist er
begeistert und will das Empfangene mit anderen Christen seiner Gemeinde teilen.
Sobald diese den Namen des Predigers hören, scheinen sie jedoch kein Gehör mehr
zu haben. Der Christ, welcher durch die Botschaft gesegnet wurde, steht mit
seiner Begeisterung alleine da. Was ist nur das Problem?
Unterschiedliche Lebenssituationen
Es kann vorkommen, dass man in einer Gemeinschaft
von Christen mit Glaubensinhalten auf Widerstand stösst. Stellen wir uns eine
Gemeinde vor, die sich in den vergangenen Jahren stark aus den Klauen von
Gesetzlichkeit und toter Religiosität befreit hat. Gnade und Rechtfertigung
wurden dann entdeckt und wahres, göttliches Leben erfahren. Wenn in dieser
Gemeinde jemand die Wichtigkeit von Gehorsam betont, könnte es passieren, dass
er damit nicht allzu gut ankommt. Er selbst hat Gehorsam als kraftvollen
Ausdruck seiner Anbetung erkannt, während seine Mitchristen beim Wort
«Gehorsam» sofort an einen bösen und strafenden Gott denken.
Wenn jemand von «Leben unter der Gnade» spricht,
denkt einer an ein befreites und begeistertes Leben mit Jesus, während sich der
andere an Christen erinnert, die genau diese Worte als Erklärung ihres
gottlosen Lebenswandels gebrauchten. Er kann die Worte nicht mehr hören, ohne an
Liberalismus, Kompromisse und tolerierte Sünde zu denken. Genauso können Worte
wie Wohlstand, Israel, Wunder, Endzeit oder Vision ganz unterschiedliche
Gefühle auslösen. Dabei meint das Gegenüber damit unter Umständen etwas ganz anderes,
als wir denken.
Prägungen, Biografie und persönliche Erkenntnis
Wir alle wurden in unserem Leben von
Mitmenschen und Gesellschaft geprägt. Das ist normal. Es gibt zwar Christen,
die ernsthaft glauben, dass sie sich nur von Gott und seinem Wort prägen
lassen, doch das ist unmöglich. Unser Umfeld und unsere Erfahrung prägen unsere
Erkenntnis von Gott und seinem Reich. Es ist unmöglich, die Bibel zu lesen und
unabhängig unserer Prägung zu interpretieren. Wer bereits viele Wunder und
übernatürliche Phänomene erlebt hat, wird entsprechende biblische Belege anders
gewichten, als jemand, der noch nie Zeuge davon wurde, wie Gott Naturgesetze
ausser Kraft gesetzt hat. Genauso wird jemand, der noch nie von seinem sündigen
Wesen überführt wurde, Bibelstellen über Gnade, Erlösung oder Gericht ganz
anders aufnehmen, als jemand, der sich selbst als «Sünder in den Händen eines
zornigen Gottes» erkannt hat (um es mit den Worten Jonathan Edwards
auszudrücken).
Viele weitere Beispiele könnten angeführt werden.
Unsere Prägungen und Erfahrungen bestimmen die Art, wie wir weitere
Informationen aufnehmen und bewerten. Es versteht sich von selbst, dass dies
nicht bei allen gleich ist.
Gottes Wort ist Wahrheit, daran halten bibeltreue
Christen fest. Jesus selbst bezeichnet sich als die Wahrheit und somit ist
jeder, der in Christus ist, gleichzeitig auch in der Wahrheit. Es bleibt aber
meist das Bedürfnis, auch in Lehrfragen die volle Wahrheit zu erkennen. Das
Streben nach Erkenntnis kann durchaus gesund sein – jedenfalls so lange, bis
Wissen wichtiger wird als die Verbundenheit mit Christus.
Es ist nun aber so, dass unsere Erkenntnis immer
von unseren persönlichen Prägungen getrübt ist und es in manchen Fragen gar
nicht so einfach ist, seine Sichtweise mit absoluter Wahrheit gleichzusetzen.
Die Kunst des Glaubens besteht nun darin, Gottes Wort als absolute Wahrheit
festzuhalten und gleichzeitig den möglichen Irrtum der persönlichen Sichtweise
zu bekennen.
Worin liegt meine Sicherheit?
Letztlich stellt sich die Frage, worin die eigene
Sicherheit liegt. Wer sie in einer irrtumslosen Lehrmeinung sucht, wird in der
Folge durch die abweichende Meinung anderer Christen herausgefordert sein. Anders
ist es für jemanden, der sich Gottes Gnade über seinem Leben gewiss ist. Dieser
kann Erkenntnis als Stückwerk betrachten und eigene Überzeugungen, wie auch
diejenige von Mitchristen (inklusive berühmter Prediger) hinterfragen.
Wenn es unterschiedliche Auffassungen zu gewissen
Punkten des Glaubens gibt, birgt sich darin schon ein gewisses
Konfliktpotential. Die verschiedenen Sichtweisen können aber als Chance
betrachtet werden, um ganz neu in der Bibel zu forschen. Und wer sich durch die
fremde Meinung von Mitchristen in seiner Glaubensgewissheit bedroht fühlt, kann
dies als Anlass nehmen, um ganz neu Gott zu suchen.
Umgang mit andersdenkenden Christen
Wie gehen wir nun mit andersdenkenden Christen in
unserem Umfeld um? Muss dies zwingend zu zwischenmenschlichen Spannungen oder
gar unüberbrückbaren Differenzen führen? Oder kann ich dies sogar als
Bereicherung oder zumindest fruchtbare Herausforderung annehmen?
Doch auch wenn wir die Möglichkeit von
persönlichem Irrtum festhalten, dürfen wir doch an unserer Sicht der Wahrheit
festhalten. Wir wollen von der Wahrheit einer Sache so sehr überzeugt sein,
dass wir bereit sind, unser Leben dafür zu lassen. Wenn wir überzeugt sind,
dann scheuen wir auch den Konflikt mit Andersdenken nicht. Wofür wir aber nicht
zu sterben bereit sind, scheint wohl auch nicht Grund genug zu sein, einen
Streit mit anderen Gläubigen vom Zaun zu brechen.
Datum:
06.11.2020 Autor: Markus Richner-Mai Quelle: Livenet
Kommentare
Submitted by pisteuo on 7. November 2020 - 18:08.
2) Gott hat sich aber einen anderen Umgang mit seinen „Liebesbriefen“ vorgestellt. Wir sollten sie nach bestem Wissen und Gewissen erforschen, sodass wir auch dazu stehen können. Treten Meinungsverschiedenheiten auf, merkt man meistens, wer noch mehr in die Tiefe und Breite gehen könnte, um dann weiterzudiskutieren (Hintergrundwissen, Kontext, Teilen der Schrift, wörtlich vs. symbolisch u.a. generieren bereits unterschiedliche Sichtweisen). Wenn nicht - siehe Artikel oben.
Submitted by pisteuo on 7. November 2020 - 17:49.
1) Ich stimme zu, v.a. mit den letzten Abschnitten. Dem Protestantismus wird zuweilen der Vorwurf gemacht, allzu zersplittert zu sein und keine geistl. Einheit zu haben. Das trifft für die grundlegenden Glaubensinhalte nicht zu, und die Einheit ist bei allen Unterschieden doch erstaunlich, da geistgewirkt. Was die Differenzen betrifft, gibt es die falsche Einstellung, diesen nicht weiter nachzuspüren, da dies nur zu unfruchtbaren Konflikten führe. Ich habe z.B. schon gehört „Ich befasse mich nicht mit Genesis und Offenbarung, weil es so viele verschiedene Ansichten dazu gibt und man nichts Genaues wissen kann“ (Genau die Bücher, die Wichtiges zu unserer Identität, dem Woher und Wohin sagen).
Submitted by Annika on 6. November 2020 - 14:04.
Ich finde auch dass verschiedene theologische Meinungen in Gemeinden Platz haben können.
Wir haben alle nur ein Stück der ganzen Erkenntnis, und wohl wichtigeres in dieser Welt zu tun als uns zu streiten!
Nur schade ,dass wenn man als Christ zb.eine andere Meinung zum Zehnten hat,
teilweise in Freikirchen abgelehnt oder von einer Leitungsaufgabe ausgeschlossen,
oder als weniger gläubig angesehen wird!
Obwohl es einige Studien zb.von Dr.Rudolf H. Edenharder zum Zehnten gibt,
welche ihn im NT als unbiblisch ablehnen!
Statt solche Themen wirklich theologisch zu hinterfragen,eine andere Meinung stehen zu lassen,werden Leute mit dem Zehnten unter Druck gesetzt!
Sonst würden Finanzen f
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