Befreiungsschlag

Die Reformation entstammt einer finsteren Epoche

Am Sonntag, 6. November feiert die Schweiz den Reformationssonntag. Martin Luther forschte in der Bibel und entdeckte einen Gott, der uns liebt. Diese Einsicht bildete die Grundlage der Reformation. Die Kirche und unser Verständnis von Gott wurden dadurch nachhaltig verändert.
Pfarrer Ulrich Salvisberg

Ulrich Salvisberg, Pfarrer in der Kirchgemeinde Olten, Pfarrkreis Hägendorf, erklärt die Reformation in unserem Hintergrund-Gespräch.

Was feiern wir am Reformationssonntag?
Ulrich Salivsberg: Der Reformationssonntag weist auf das Wort «Reformatio», das bedeutet «Wiederherstellung» und meint eigentlich die Erneuerungsbewegung, die Anfangs des 16. Jahrhunderts zur Entstehung der evangelischen, lutherischen, protestantischen Kirche führte. Innerhalb der Konfessionen führte das aber auch zu einer Spaltung.

Wie war die Lage damals?
Die Pestepidemien waren gerade vorbei, man führte Totentänze auf und war sich der Sterblichkeit bewusst. Angst vor dem Tod und das Wissen um die Sünde prägte damals alles. Man zelebrierte Seelenmessen, Wahlfahrten und sorgte sich um das Seelenheil. Die Kirche nutzte das schamlos aus. Mit Ablassbriefen konnte man die Zeit im Fegefeuer verringern, also die Strafzeit nach dem Sterben – man kann es nicht anders sagen: Die Religion wurde «fiskalisiert».

Auch das Papsttum war in einem desolaten Zustand: Mehrere Päpste erhoben Ansprüche auf die Nachfolge von Petrus und sie exkommunizierten sich gegenseitig. Es war Grossverrat an Treu und Glauben. Ein Reformer, der das schon lange vor der deutschen Reformation spürte, Jan Hus, erhielt freies Geleit zugesprochen, um am Konstanzer Konzil teilzunehmen, man verbrannte ihn dann 1415 aber trotzdem.

Dennoch hat sich die Reformation durchgesetzt und gilt bis heute?
Martin Luther, ein Mönch, erkannte im Studium der Bibel, dass da etwas gar nicht stimmt. Der Mensch wird aufgrund der Liebe Gottes gerecht gemacht. Wer ihm vertraut, kann vor Gott leben und muss überhaupt nicht mit Fegefeuer und solchen Dingen rechnen. So prägte Luther die Begriffe «Sola Gratia», allein durch die Gnade, «Sola Fide», allein durch den Glauben, «Sola Scriptura», allein durch die Bibel, und nicht eine Tradition, die irgend jemand bestimmt. Und vor allem: «Solo Christo», alleine durch Jesus Christus kommt das Heil zu den Menschen.

Und weshalb feiern wir das heute?
Weil wir nicht nur zurückschauen wollen, sondern weil das «alleine durch Jesus Christus» wieder an Bedeutung gewinnt, denn immer mehr wird erzählt, dass man in allen Religionen Gottes Heil erfahren kann und dem widerspricht der Refromationssonntag. Er sagt: Nicht einmal im Christentum kann man Gott erfahren, sondern in Christus. Es geht nicht um eine Institution die wir feiern, sondern um ein wieder entdecken in der Schrift und in Gott – und den Zugang zu Gott über Christus, der allen Menschen offen steht.

Und wie ist der Reformationssonntag entstanden?
Eingans des 19. Jahrhunderts, zu Zeiten der französischen Revolution, nach den napoleonischen Kriegen. Im Zuge der Revolution wurde auch die Religion in Frage gestellt. Da wollte man wieder ein Fundament und hat einen solchen Sonntag definiert. Es waren die Vorläufer des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes und die den ersten Sonntag im November definiert haben, also möglichst nahe am 31. Oktober, da zu diesem Datum, anno 1517, Luther seine Thesen an die Kirchentür von Wittenberg nagelte.

Welche Bedeutung und Stellenwert hat er heute?
Heute ist es so, dass das Christentum eine sehr weite Interpretationsgrösse erhalten hat, vieles ging verloren, was eigentlich die Grundlage des Glaubens war. Drum ist es gut, sich wieder einmal daran zu erinnern, was die Reformatoren einst herausfanden. Die Rückbezüge auf den Glauben, die Gnade, die Schrift – und dass das genügt und man nicht noch alles mögliche dazu braucht oder man Spezialvarianten braucht, um mit Gott ins Reine zu kommen. Deshalb ist der Rückblick gut, damit wir die heutige Position überdenken und sie vielleicht modernisieren und vereinfachen.

Wie feiern Sie in Hägendorf?
Wir feiern nicht in der Kirche, sondern wir organisieren einen Brunch-Gottesdienst, also mit integriertem «Zmorgen». Zu viel Werbung dürfen wir gar nicht machen, weil bei dieser Gottesdienst der Raum immer voll ist. Wir machen eine fröhliche Sache daraus.

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Datum: 07.11.2011
Quelle: Jesus.ch

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