Ruth Ruibal: Einheit der Christen ist die Voraussetzung für "Transformation"

Ruth Ruibal

Bekannt wurden sie und ihre Stadt Cali durch das Thema "Transformation". Dr. Ruth Ruibal, Witwe des ermordeten Ehemannes Julio und Senior Pastorin einer grossen Gemeinde in der kolumbischen Zwei-Millionenstadt, spricht auf ihren weltweiten Vorträgen viel über Einheit unter den Christen. Die Kirche von Jesus Christus müsse zuerst an einem Ort Einheit finden und ausleben, bevor Gott eingreifen könne. Was versteht Ruibal unter dieser Einheit? Ende April weilte die Pastorin in der Schweiz. idea befragte sie nach einem Frauentreffen in Basel.

"Viele Christen kennen leider den Unterschied zwischen Zusammenarbeit und Einheit nicht", erklärt Ruth Ruibal dem Reporter. Ein Beispiel: Man macht in einer Stadt eine Evangelisationsveranstaltung mit einem bekannten Prediger. Die Gemeinden arbeiten zusammen und unterstützen die Sache. Wenn der Event vorbei ist, geht jede Kirche wieder ihres Weges bis ein neuer Anlass sie zusammenruft. Das nennt Ruibal Kooperation, zwar ein guter erster Schritt zur Einheit, aber lange nicht genug.

Einheit sei eine Offenbarung Gottes (Eph. 1.17-18), die Erkenntnis, dass Christen alle einander bräuchten. "Meine Kirche kann nicht ohne den Rest sein, sie ist nur ein Stück eines Puzzles", sagt die Pastorin. Man könne nun dieses Puzzle-Teil auf Hochglanz polieren. Sinn mache es aber erst, wenn sich das Teilchen richtig in das ganze Bild einfüge. Und dieses Bild gebe Gott nur der ganzen Gemeinde. "Ich glaube", so Ruibal, "dass sich Gott nur der geeinten Kirche offenbart." Sie ist überzeugt, dass dann Aussenstehende Jesus in der Gemeinde erkennen, auch wenn sie die Bibel noch nicht lesen.

Die gebürtige New Yorkerin, die gleich nach dem Studium als Missionarin nach Kolumbien ging, beobachtet, dass Kirchen oft mit grosser Anstrengung versuchten, alles selber zu machen. Eigentlich müsste aber nach dem Prinzip gelebt werden: ‚Meine Stärken decken deine Schwächen zu und umgekehrt. Meine Brüder und Schwestern haben, was ich nicht habe, und umgekehrt’. In ihrer Stadt hat Ruth Ruibal erlebt, dass die geeinte Kirche etwas sein und haben kann, das die Welt nicht hat. Die Gesellschaft werde die Christen fragen, weil die Antworten bei ihnen sichtbar seien.

Kein Einheitsbrei

Die Frau des 1995 wegen seines Kampfes gegen die Drogenmafia ermordeten Pastors Julio Ruibal versteht unter Einheit weder einen Einheitsbrei unter den Konfessionen noch einen Ökumenismus. Jede Gemeinde bleibt als solche bestehen, hat ihr Bekenntnis, ihre Identität, ihre Pastoren. Aber ihr Denken, ihre Gesinnung und ihr Verständnis des Leibes Christi sei anders geworden. "In Cali drängten wir niemand in die Einheit", sagt Ruibal. Einige Gemeinden begannen gemeinsam für die Stadt zu beten und sie waren offen für andere. Dann kamen weitere hinzu – die Baptisten zum Beispiel als die grösste Kirche erst nach langer Skepsis. Dann schlossen sich die Presbyterianer an, denn sie sahen, was Gott tat. Sie brachten Solidarität in das Ganze hinein und das ist laut Ruibal für die Gemeinde Gottes eine ungeheure Stärkung gewesen. "Gott lässt die Gemeinden dazukommen, wenn die Zeit reif ist", glaubt sie. Auch katholische Charismatiker seien dabei. Einzelne Priester kämen zu den Gebetstreffen. Die katholische Kirche als Institution mache aber nicht mit.

Stolz ist ein Hindernis

Warum tut sich die Christenheit so schwer mit der Einheit? Ruth Ruibal sieht zwei Gründe dafür: Zunächst sei es der Stolz. Eine Gemeinde wolle der andern gegenüber nur ihre Stärken, aber nicht ihre Schwächen zeigen, sich also kein Blösse geben. Mehr noch: viele bildeten sich etwas auf ihre Stärken ein und überhebten sich über andere. Gott habe das aber ganz anders geplant. "Nur zusammen kann die Gemeinde Jesu gegenüber der Welt stark sein", so die Frau aus Cali, die dort in verschiedenen Gremien Höhen und Tiefen des Einheitsprozesses durchgemacht hat.

Als zweites Hindernis sieht sie das falsche Verständnis von Einheit. Viele hätten Angst vor Uniformität und davor, die Identität und ihre Schäflein zu verlieren. In Cali hätten die Christen die Erfahrung gemacht, dass dies kein Problem sei. Auch wenn die Leute vieles zusammen machten, so Ruibal, sie wüssten immer zu welcher Gemeinde sie gehörten und wer ihr Pastor sei. Ruth Ruibal wörtlich: "Es ist ein Trick des Feindes, uns voneinander getrennt zu halten, damit die Kraft der vereinten Gemeinde sich nicht entfalten kann." Positiv formuliert: Es sei bei der Einheit doch etwa so wie bei den Kindern in einer Familie.

Eines sei vielleicht eher künstlerisch begabt, ein anderes eher technisch. Da sei es doch ganz natürlich und selbstverständlich, dass das eine Kind das andere um Hilfe frage, beispielsweise wenn es Computerprobleme zu lösen oder eine Zeichnung zu machen gebe. So lernten sie, einander zu ergänzen und miteinander zu leben. Wer dies einmal entdeckt habe, sagt die Pastorin, der frage sich: "Wie konnten wir nur so lange unsere eigenen Wege getrennt voneinander gehen?

Datum: 23.06.2002
Autor: Fritz Herrli
Quelle: idea Schweiz

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