Keine Mission unter Muslimen

Gefährdet Mission den Frieden?

Die Verantwortlichen der evangelischen Kirche im Rheinland (EkiR) befürchten, dass die Umsetzung des Missionsbefehls gegenüber Muslimen den Frieden mit ihnen gefährdet. Daher hat die zweitgrösste evangelische Kirche Deutschlands beschlossen, auf eine Muslim-Missionierung zu verzichten.
Muslime
Redaktor Hauke Burgarth

Die Leiterin der Ökumene-Abteilung in der evangelischen Kirche im Rheinland (EkiR), Barbara Rudolph, hat dazu ein Positionspapier zum Verhältnis von Christen und Muslimen verfasst. In dieser Arbeitshilfe für die Gemeinden werden jegliche Bekehrungsversuche gegenüber Muslimen abgelehnt. Rudolph illustriert dies unter anderem mit ihrer Begegnung mit einem Reformmuslimen: «Wie käme ich auf die Idee, einen solchen Menschen für das Christentum missionieren zu wollen? Das hätte er zu Recht als Ohrfeige verstehen müssen.»

Die Idee: Brücken bauen

Bislang hat sich keine andere evangelische Landeskirche beim Umgang mit Muslimen so deutlich positioniert. Doch was die einen als zeitgemässe Pioniertat würdigen, ist für viele ein geistlicher Ausverkauf, ein Kniefall vor dem Islam. Es gehört einfach zum christlichen Selbstverständnis, andere für den Glauben zu gewinnen. Dabei verfolgen Barbara Rudolph und die Mitverfasser des Positionspapieres durchaus ein positives Ziel: «Brücken bauen zwischen Christen und Muslimen». Die aktuelle Flüchtlingssituation im Blick, wollen sie das Miteinander und die Verbundenheit der Menschen verbessern – unabhängig von deren Religionszugehörigkeit.

Der Anlass: unfaire Missionsmethoden

Die Verantwortlichen der rheinischen Kirche haben allerdings nicht nur eine Begegnung auf Augenhöhe im Sinn. Sie verstehen ihr Papier auch als «klares Nein zu unfairen Missionsmethoden». Auf jeden Fall wollen sie verhindern, dass durch Missionieren Druck ausgeübt wird, dass Menschen überrumpelt oder mit kirchlichen Leistungen bestochen werden, die sie nur in Anspruch nehmen können, wenn sie sich bekehren. So ehrenhaft sich diese Bedenken anhören: Realistisch sind sie nicht. All diese Dinge sind bereits einmal vorgekommen, doch sie entsprechen in keiner Weise gängigem missionarischen Vorgehen.

Die Chance: Begegnung mit «Gesicht»

Beim vorliegenden Beschluss der Kirche wird aus (falscher) Angst das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Das Papier geht nicht nur von einem ungesunden, praktisch nicht existenten Missionsverhalten aus, es verkennt auch die kulturelle Seite einer Begegnung mit islamischen Flüchtlingen. Anders als bei uns, wo Religion Privatsache ist, wird im Orient oder in Afrika sehr offen auch mit Fremden darüber gesprochen, was man glaubt. Eine völlige Zurückhaltung auf diesem Gebiet stösst bei vielen Neuankömmlingen auf absolutes Unverständnis. Zu einer echten Begegnung von Christen und Muslimen kommt es erst, wenn sie auch auf geistlicher Ebene stattfindet, wenn der Glaube dabei eine Rolle spielt. So bekommt der christliche Glaube für die Muslime ein Gesicht – unser Gesicht.

Die Mission: Menschen gewinnen

Die rheinische Kirche interpretiert durch ihren Ansatz den Missionsbefehl neu: Er ziele nicht auf das Überzeugen Andersgläubiger, sondern auf ein gelebtes Zeugnis, das aber niemanden gewinnen wolle… Die Ökumene-Beauftragte Rudolph nennt dies einen «modernen Missionsbegriff». Leider ist es hauptsächlich ein verkürzter Missionsbegriff. Dies unterstreicht auch Hans-Hermann Pompe, Leiter eines Missionszentrums der EKD, der diese Umdeutung «weder für überzeugend noch für biblisch» hält: «Der Wert des guten interreligiösen Zusammenlebens und des offenen Dialogs» werde stark betont, der Wert von Mission dagegen nicht. Ihm fehlt auch «ein Hinweis, wie wichtig es ist, für die Schönheit des christlichen Lebenskonzepts zu werben». Denn genau das ist Mission: Ein Schwärmen von Gott, das andere überzeugen kann, wenn sie es wollen.

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Datum: 16.10.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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