Wenn Erfolg der Massstab wird

Sie fallen aufs Wohlstandsevangelium herein, wenn…

Evangelium bedeutet «gute Nachricht». Aber worauf bezieht sich diese Botschaft? Einige meinen, dass es nur eine geistliche Botschaft ist, die die ferne Ewigkeit im «Himmel» betrifft. Andere halten sie für eine geistliche und gesellschaftliche Botschaft, die auch Veränderungen im Hier und Jetzt bewirkt. Wieder andere gehen noch einen Schritt weiter: Für sie ist das Evangelium geistlich, gesellschaftlich und geldorientiert.
Craig Greenfield (Bild: craiggreenfield.com)

Der Missionar und Blogger Craig Greenfield warnt vor letzterer Variante. Er behauptet: «Das Wohlstandsevangelium ist eine verdrehte Form des christlichen Glaubens, die Gehorsam, Geben und Glauben als einen Weg lehrt, um etwas von Gott zu erhalten.» Diese Bewegung kommt aus den USA. Als bekannte Vertreter werden unter anderem Oral Roberts, Reinhard Bonnke, Benny Hinn, Wolfhard Margies, Volkhard Spitzer sowie Kenneth E. Hagin, Kenneth Copeland, Robert Tilton oder Creflo Dollar genannt. Doch der Denkansatz macht sich längst nicht nur bei Prominenten fest, typisch sind folgende Einstellungen.

Sie fallen gerade aufs Wohlstandsevangelium herein, wenn…

... Sie nicht akzeptieren können, dass Christen leiden.

Einige Christen behaupten: «Der sicherste Ort der Welt ist im Zentrum von Gottes Willen.» Stimmt das? Offensichtlich nicht. Etliche Christen starben, als sie anderen halfen. Craig Greenfield unterstreicht: «Ich habe dies immer wieder in meinem eigenen Dienst erlebt. In meinem Haus wurde eingebrochen, während ich weg war, um zu predigen; ich erkrankte an lebensbedrohlichem Krebs, während ich eine Missionsorganisation leitete; ich sah zahllose Freunde an AIDS sterben und verlor Missionsmitarbeiter durch schmerzhafte Krankheiten und Tod.»

Völlig unpassend zu einem permanenten Segen betont der Apostel Paulus: «Von den Juden habe ich fünfmal 40 Schläge weniger einen empfangen; dreimal bin ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten; einen Tag und eine Nacht habe ich in der Tiefe zugebracht. Ich bin oftmals auf Reisen gewesen, in Gefahren auf Flüssen, in Gefahren durch Räuber, in Gefahren vom eigenen Volk, in Gefahren von Heiden, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern; in Arbeit und Mühe, oftmals in Nachtwachen, in Hunger und Durst; oftmals in Fasten, in Kälte und Blösse; zu alledem der tägliche Andrang zu mir, die Sorge für alle Gemeinden» (2. Korinther, Kapitel 11, Verse 24-28).

Ein sicheres Zeichen dafür, dass wir vom Wohlstandsevangelium angesteckt sind, ist das Fehlen einer Theologie des Leidens: Können wir damit umgehen, dass gottesfürchtige Menschen krank werden, verletzt werden und sterben – obwohl sie glauben? Leben, Tod und Lehre Jesu zeigen, dass er hier keine Sicherheit verspricht. Tatsächlich ist es sogar wahrscheinlicher, dass wir leiden und verfolgt werden, wenn wir Jesus nachfolgen. Unsere einzige Garantie ist die, dass Gott uns liebt und uns niemals verlassen wird.

... Sie glauben, dass Armut nur einen Mangel an Glauben bedeutet.

Greenfield rutschte im Gottesdienst immer weiter in sich zusammen, in den er einen kambodschanischen Christen mitgenommen hatte. Der Pastor sprach über Gewinner, die nur nicht realisiert hatten, dass sie schon längst gewonnen hatten. Was sollte er seinem Freund sagen? «Ihr seid nicht arm, weil die kambodschanische Regierung euer Land genommen und euch vertrieben hat. Ihr seid nicht arm, weil eure Eltern von den Roten Khmer getötet wurden und ihr auf der Strasse aufgewachsen seid. Ihr seid nicht arm, weil ihr nicht das Geld habt, um euch durch die Schulprüfungen zu schmieren. Ihr seid nicht arm wegen Unterdrückung, Ausbeutung oder anderen systemischen Gründen. Ihr müsst nur mehr glauben…»

Leider ist das Überwinden von Armut ein wenig komplexer als das. Deshalb ist das Wohlstandsevangelium eine besonders bösartige Lüge, die Arme dazu bringt, sich selbst die Schuld zu geben, wenn sie nicht reich werden.

... Sie sich mehr um persönlichen Wohlstand kümmern als um Gottes Schalom.

Alle wollen Segen in ihrem Leben erfahren. Das Wort, das im Alten Testament mit «Wohlstand» übersetzt wird, ist eigentlich das hebräische Wort «Schalom». «Und wahrscheinlich wissen Sie bereits, dass Schalom viel tiefer und weitreichender ist, als nur etwas Extrageld in der Tasche Ihres Armani-Anzugs zu haben», unterstreicht Greenfield.

Dieser Schalom beinhaltet jeden empfangenen Segen – und all das, was wir weitergeben können. «Denn ich weiss, was für Gedanken ich über euch habe, spricht der Herr, Gedanken des Friedens [Shalom] und nicht des Unheils, um euch eine Zukunft und eine Hoffnung zu geben.» (Jeremia, Kapitel 29, Vers 11).

... Sie nicht erkennen, wie revolutionär das Evangelium für Arme ist.

Es ist erstaunlich, wie viele Bücher über das Evangelium geschrieben werden können, ohne Gottes Herz für die Armen zu erwähnen. Was sagt die Bibel dazu? «Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, den Armen frohe Botschaft zu verkünden; er hat mich gesandt, zu heilen, die zerbrochenen Herzens sind, Gefangenen Befreiung zu verkünden…» (Lukas-Evangelium, Kapitel 4, Vers 18).

Greenfield behauptet: «Wir haben gute Arbeit geleistet, diese Verse zu vergeistlichen, sodass sie ihre politische und wirtschaftliche Spitze verlieren. Aber der weitere Kontext des Lukasevangeliums zeigt, wie irreführend das ist.»

Das beginnt bei dem Freiheitslied Marias (Lukas-Evangelium, Kapitel 1, Vers 46) und hört bei seinem Gleichnis vom Kamel und dem Nadelöhr noch lange nicht auf. «Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt» (Lukas-Evangelium, Kapitel 18, Vers 25).

Greenfield unterstreicht: «Jesus ist nicht verärgert über ein sechsstelliges Einkommen, wenn es zum Segen der Armen eingesetzt wird. Aber er sehr wohl verärgert über einen sechssstelligen Lebensstil in einer Welt, in der Kinder hungern. Und das ist ein Unterschied, den Wohlstandsprediger einfach nicht machen.»

... Sie denken, dass Propheten nur die Zukunft vorhersagen sollten, statt gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeiten aufzustehen.

Gemeinden, die heute noch über die Propheten predigen, betonen meist deren (wunderbare) Vorhersagen. Und sie ignorieren, dass die Propheten sehr deutlich in ihre gesellschaftliche Situation hineingesprochen haben.

«Hört dies, die ihr dem Armen nachstellt und die Wehrlosen im Land vernichten wollt» (Amos, Kapitel 8, Vers 4).

«Lernt Gutes tun, trachtet nach dem Recht, helft dem Bedrückten, schafft der Waise Recht, führt den Rechtsstreit für die Witwe!» (Jesaja, Kapitel 1, Vers 17).

«Bedrückt nicht die Witwen und Waisen, auch nicht den Fremdling und den Armen, und keiner sinne Böses in seinem Herzen gegen seinen Bruder!» (Sacharja, Kapitel 7, Vers 10).

Greenfield betont am Schluss: «Das Wohlstandsevangelium ist keine gute Nachricht. Es ist eine Lüge. Es ist ein falsches Versprechen für diejenigen, die am verzweifeltsten und verletzlichsten sind – die Kranken, Armen und Unterdrückten. Und es ist eine böse Versuchung für alle anderen.»

Wir müssen keine Anhänger eines Vorzeigepredigers des Wohlstandsevangeliums sein, um für seine Botschaft empfänglich zu werden. «Aber das Evangelium, das Jesus predigt, ist gute Nachricht für die Armen. Er macht weder falsche Versprechungen noch malt er Luftschlösser – oder lehrt eine Theologie, die nur für bequeme Westler sinnvoll ist. Die gute Nachricht von seinem Reich, das alles auf den Kopf stellt, ist so unglaublich gross, dass die armseligen Versprechen des Wohlstandsevangeliums daneben verblassen.»

Zum Thema:
Statt Wohlstandsevangelium : «Das Ewige ist der beste Reichtum»
Wohlstandsevangelium: «Eine Beleidigung: Jesus wird zum Lotterielos gemacht»
Neue Töne von Benny Hinn: «Der Heilige Geist hat das Wohlstandsevangelium satt»

Datum: 19.01.2021
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Craig Greenfield

Werbung
Livenet Service
Werbung