Weihnachten neu nationaler Feiertag in Ägypten

Kairo

Kairo - Zum erstenmal hat das Weihnachtsfest im modernen Ägypten als Feiertag gegolten. Präsident Mubarak hatte im Dezember den 7. Januar, an dem die Kopten, die Angehörigen der alten Grosskirche, Weihnachten feiern, zum nationalen Feiertag erklärt. Bisher waren nur die Kopten von der Arbeit befreit, nun auch die grosse Mehrheit der Muslime. Das Echo auf Mubaraks Schritt war laut der Neuen Zürcher Zeitung zwiespältig. Sprecher der koptischen Gemeinschaft begrüssten den Schritt, doch sei er ein Tropfen auf den heissen Stein. Sie fordern, endlich als vollwertige Bürger des Landes ernst genommen zu werden.

Ein prominenter Vertreter der Muslimbruderschaft dagegen fragte, warum es zu den 17 offiziellen Feiertagen in Ägypten noch einen Ruhetag brauche. Und eine islamistische Webseite schrieb, Mubarak habe das koptische Weihnachtsfest nur unter dem Druck der USA, die dem Land jedes Jahr Milliarden von Dollars an Hilfe gewähren, zum nationalen Feiertag gemacht. Die USA fordern von den Empfängerländern die Achtung der Rechte von Minderheiten.

Christliche Präsenz weckt Neugier

Laut der NZZ kann der neue Feiertag dazu beitragen, dass junge Ägypter vermehrt ihrer Neugier nachgehen und auch einmal eine Kirche besuchen. Als der greise Patriarch Schenuda III in der grössten Kirche Kairos die Weihnachtsmesse las, waren Gamal Mubarak, der älteste Sohn des Staatspräsidenten, sowie einige Minister und Botschafter zugegen. Die dreistündige Messe wurde in der Kirchensprache Koptisch und Arabisch mit viel Weihrauch gefeiert. Das ägyptische Fernsehen übertrug sie bereits zum drittenmal.

Eine Epoche der Geschichte verdrängt

Vor zwei Jahren hatte die Regierung angeordnet, die bisher weitgehend ignorierte Geschichte der Kopten, einer der ältesten christlichen Kirchen überhaupt, in den ägyptischen Lehrplan aufzunehmen. Dies ist eine der Hauptforderungen der Kopten an den Staat; sie wurde von westlichen Menschenrechtsgruppen aufgenommen. Eine unabhängige Gruppe, der der Bürgerrechtler Saad Eddin Ibrahim angehörte, stellte Material zur Geschichte der Kopten für die staatlichen Schulen zusammen, doch wurden laut dem Koptenbischof Pisenti nur "sehr wenige Kapitel den Lehrplänen zugefügt". Ibrahim wurde letztes Jahr von einem Gericht verurteilt, das Ansehen des Landes geschädigt zu haben; man warf ihm dabei seine Offenheit für koptische Forderungen vor.

Das US-Aussenministerium hat in seinem letzten Menschenrechtsbericht festgehalten, Muslime und Christen lebten zumeist nachbarschaftlich zusammen, doch brächen religiöse Spannungen zwischendurch auf. Die Kopten, immerhin ein Zehntel der Bevölkerung, haben derzeit vier Abgeordnete im 454-köpfigen Parlament von Kairo: drei wurden gewählt, der vierte von Mubarak ernannt.

Christen unter Druck

In Ägypten ist der Islam Staatsreligion. Die enormen sozialen Probleme und das Aufkommen der Islamisten in ihrem Gefolge haben dazu geführt, dass die Verfolgung aktiver Christen seit 1980 zunahm. Alte diskriminierende Gesetze wurden harsch angewendet und Kirchen abgerissen; der Neubau von Kirchen ist sehr schwierig. Bis zum letzten Jahr konnte nur der Staatspräsident persönlich Kirchenrenovationen bewilligen! Nun können auch einige seiner Berater die Unterschrift dafür geben. Der soziale Druck auf Christen, zum Islam überzutreten, ist mit materiellen Anreizen verbunden: Kopten werden nach eigenem Bekunden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert. Christen gelangen kaum in einflussreiche Stellungen in Wirtschaft und Staat.

Gewaltausbrüche

Vor allem im Süden Ägyptens, wo manche Dörfer koptisch geprägt sind, haben militante Muslime Christen mit Anschlägen und Drohungen eingeschüchtert. Vor bald drei Jahren kamen 21 Kopten und zwei Muslime im oberägypten Dorf el-Kusheh ums Leben, als eine Meinungsverschiedenheit zwischen einem koptischen Händler und einem muslimischen Kunden zu Racheaktionen führte. Im letzten Jahr kam es in einem anderen Dorf zu Streitigkeiten, die elf Verletzte forderten und die Behörden zu 50 Festnahmen veranlassten. Der Grund: Muslime beschwerten sich über ein zu lautes Glockengeläut.

Kleine Schritte

Im Nachschlagewerk ‚Operation World' schreibt Patrick Johnstone, die Regierung Mubarak suche westlichem Druck seit 1998 mit Massnahmen zu begegnen. Laut Nabil Abdel Fatah, einem Beobachter der religiösen Szene, verbessert die Regierung Mubarak die Stellung der Kopten in kleinen Schritten. So hätten koptische Autoren in halbamtlichen Zeitungen Raum für Kommentare erhalten, und Ministerien hätten einige Kopten eingestellt. Die Erhebung des 7. Januar zum nationalen Feiertag sei ein weiterer Schritt im Rahmen dieser Bestrebungen.

Die grösste Kirche im Nahen Osten

Die orthodoxe koptische Kirche ist mit schätzungsweise acht Millionen Anhängern (4,6-6 Millionen Mitglieder, es gibt auch noch höhere Schätzungen) bei weiten die grösste Kirche im Nahen Osten. In Ägypten mit seinen 69 Millionen Einwohnern gibt es kleinere orthodoxe, evangelische und katholische Kirchen mit insgesamt etwa 400'000 Mitgliedern. Die Kopten führen ihre Gründung auf die Verkündigung des Glaubens durch den Evangelisten Markus zurück. Seit den 30-er Jahren entwickelt sich im Schoss der Kirche eine Erneuerungsbewegung, die Wert legt auf Bibelstudium und persönliche Frömmigkeit.

Datum: 10.01.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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