Wenn Gottesbilder an ihre Grenze kommen

Der Mythos vom «Allmächtigen»

Die gegenwärtige Situation hat für viele die Frage neu aufflammen lassen: Kann bzw. könnte der Allmächtige den Krieg nicht einfach beenden, quasi per Fingerschnipsen? Ist er nicht allmächtig? Die Frage geht tiefer, als wir zuerst meinen…
Christus-Statue in Brasilien

Gott, der Allmächtige? Viele unserer Zeitgenossen haben sich von ihm verabschiedet – von dem Gott, der wie ein ferner Manipulator alles lenkt, steuert und beeinflusst. Von dem, der alles kann und wo man nie weiss, wo er seine Allmacht auch anwendet. Zu viel Schlimmes passiert in der Welt. «Wenn Gott allmächtig ist und das Böse nicht verhindert, dann ist er entweder ein herzloser Tyrann – oder eben nicht allmächtig», sagte mir ein Bekannter neulich. Recht hat er.

Die erste Variante fällt weg – nach all dem, was die Bibel berichtet und was Menschen in allen Jahrhunderten bis heute erleben. Gott ist KEIN Tyrann und nicht herzlos, sondern Vater und liebevoll.

Gilt dann die zweite Alternative? Ist Gott nicht allmächtig?

Der freiwillige Verzicht

Mehrere Gedankenstränge der Bibel deuten wirklich an, dass der «Allmächtige» – in der absoluten Form – so nicht existiert.

Einige Hinweise:

  • Als Gott Menschen «in seinem Bilde» schuf, kreierte er sie mit einem Willen und der Freiheit, Ja und Nein zu sagen. Das bedeutet: Gott hat seine umfassende Allmacht bereits eingeschränkt, als auf einmal Menschen da waren, die er ja selbst mit Entscheidungsfreiheit schuf, und zwar für oder gegen ihn. Leider ging die Entscheidung in die zweite Richtung. Das Böse in der Welt ist der Beweis: Menschen entscheiden sich bis heute millionenfach gegen diesen Gott, gegen das Gute und für das Böse. Und Gott vernichtet sie nicht einfach, sondern achtet diese Entscheidung. Unser freier Wille schränkt Gottes «Allmacht» ein.

  • Als Gott Mensch wurde, entleerte er sich der meisten Fähigkeiten. Jesus verzichtete auf die übernatürlichen Fähigkeiten, die Gott auszeichnen, und lebte ein normales Menschenleben in totaler Abhängigkeit von seinem Vater.
  • Als Jesus am Kreuz hing, entschied er sich für die äusserste Machtlosigkeit. Der Allmächtige liess sich hinrichten. Er griff nicht ein. Er besiegte das Böse «von innen», indem er sich den Mächten des Todes völlig hingab.

Ein Gott mit Gesicht  

Der christliche Glaube ist nicht Glaube an einen totalitären «Allmächtigen», der im Himmel hockt und tut, was er will. Sondern an einen Schöpfer, der Herz hat, der sich seinen Menschen zuwendet und den wir «Vater» nennen dürfen. Einer der bewegendsten Verse der Bibel findet sich in den Sprüchen (Kapitel 23, Vers 26): «Gib mir, mein Sohn, dein Herz und lass dir meine Wege gefallen.» Hier spricht nicht ein Allmächtiger, der über uns verfügt und uns wie Marionetten manipuliert. Hier spricht ein Liebender, der wirbt. Jeder Mann, der schon mal um eine Frau geworben hat, weiss, wie das mit Zittern und Hoffen und Bangen verbunden ist. Liebe kann einfach nicht manipulieren. Der Ausgang ist offen.

Die ganze Bibel macht deutlich: Die uns zugewandte Seite Gottes hat ein Gesicht und einen Namen, nämlich Jesus. Wer Gott auch nur irgendwie verstehen will, kommt an Jesus nicht vorbei. Und uns gegenüber wird sein Handeln nicht vor allem durch seine Allmacht, sondern durch seine Liebe und seine Gerechtigkeit bestimmt.

Reaktion «Glauben»

Unsere Antwort auf dieses liebende Werben Gottes nennen wir «Glauben». Eigentlich: «Ich entscheide mich, mich diesem Gott anzuvertrauen und Jesus nachzufolgen.» Egal ob katholisch, reformiert oder was auch sonst: allein durch Glauben. Wir können ihn durch unsere guten Taten nicht beeindrucken, aber unser Herz, danach sehnt er sich. Der Allmächtige ist auf unsere Ebene herabgekommen und hat alles getan, uns in Liebe für sich zu gewinnen. Denn dafür sind wir geschaffen.

Und hier schliesst sich der Kreis. Wer auf diese Liebe Gottes antwortet, erlebt den «relativ Allmächtigen» auf vielfältige, wunder-bare und übernatürlich kraftvolle Art. Dazu gehört auch, dass er «Menschenherzen lenkt wie Wasserbäche» (Psalm 33, Vers 15). Aber er spielt seine Allmacht nie aus, sondern kanalisiert sie immer in Liebe.

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Datum: 19.05.2022
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch

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