Der Kultur-Rebell

Jesus im Gespräch mit der Ausländerin

In Johannes Kapitel 4 wird uns eine sehr spezielle Geschichte beschrieben von Jesus und einer Frau am Jakobsbrunnen. Es ist der längste Dialog von Jesus, der in der Bibel aufgeschrieben wurde. Warum nahm sich Jesus so viel Zeit für diese Frau?
Jonathan Roumie als Jesus in der Serie «The Chosen»
Die Frau am Brunnen, in der Serie «The Chosen» dargestellt von Vanessa DeSilivo
Die Freude der samaritischen Frau, wie sie in der Serie «The Chosen» dargestellt wird.
Egzon Shala (Bild: leben-live.net)

Als Jesus mit seinen Jüngern von Judäa nach Galiläa reiste, führte ihr Weg mitten durch Samaria. Müde setzte sich Jesus an einen Brunnen. Seine zwölf Jünger schickte er zum Einkaufen. Es brauchte anscheinend zwölf Männer, die einkaufen. Zwei von den Jüngern delegieren und koordinieren, zwei andere warten vor dem Laden mit dem Café in der Hand und vier weitere tragen die Sachen. Die übrigen schauen, ob alles vollständig ist und finden weitere leckere Sachen. Eine typische Männeraktion! Hier ein Tipp: Schick nie zu viele Männer zum Einkaufen, besonders nicht bei IKEA.

«Gib mir zu trinken»

Aber zurück zur Geschichte: Jesus sass also am Brunnen. Mittags kam eine samaritische Frau, um Wasser zu schöpfen, denn damals gab es kein fliessendes Wasser aus dem Wasserhahn. Jesus sprach die Samariterin an: «GIB mir zu trinken.» Er fragte nicht höflich: «Kannst du mir bitte auch etwas Wasser geben, weil ich so müde bin?», sondern «GIB».

Die Frau war schockiert darüber. Noch nie hatte sie erlebt, dass ein jüdischer Mann mit ihr spricht. Und erst noch ein Rabbiner, ein ehrenhafter jüdischer Gesetzlehrer wie Jesus! Sie war doch eine Frau? Und erst noch eine Samariterin? Aber warum galt es unter Juden als verpönt, mit Samaritern Kontakt zu pflegen?

  • Juden sahen sich als auserwähltes Volk und als die einzig wahren und richtigen Menschen.

  • Sie sahen sich als rein an, alle anderen galten als unrein.

  • Sie glaubten nur an einen Gott, alle anderen hatten viele Götter und galten als Götzendiener.

Die Juden hatten diese Haltung und gaben sie auch allen zu spüren – besonders den Menschen aus Samarien. Heute wäre das vielleicht vergleichbar mit den Spannungen zwischen Israel und Palästina. Die Juden wählten im Normalfall einen extra grossen Umweg um Samaria. Aber Jesus ist halt nicht normal, er machte Dinge extra anders, extra himmlisch.

Verändert

Jesus war nicht erstaunt darüber, dass die Frau schockiert war über seine Aussagen, sondern blieb im Gespräch. Er machte sie neugierig und sprach vom lebendigen Wasser und vom ewigen Leben. Die Frau hatte nichts verstanden, es war zu geistlich für sie. Jesus forderte sie auf: «Hol doch deinen Mann.» Die Frau sagte: «Ich habe keinen Mann.» Ups, hatte Jesus falsch prophezeit? Nein, Jesus sagte zu ihr: «Das stimmt, du hast keinen Mann. Du hattest fünf Ehemänner, und mit dem Mann, mit dem du jetzt zusammenlebst, bist du nicht verheiratet. Das hast du richtig gesagt.»

Die Frau war schockiert und fragte sich sicher, woher dieser Jesus das wusste. Sie ging zurück in die Stadt und erzählte weiter, was gerade passiert war. Die Bewohner der Stadt baten Jesus, zwei Tage bei ihnen zu bleiben. Das Ergebnis war: Die Frau glaubte an Jesus! Und viele Bewohner ihrer Stadt hörten seine Botschaft und glaubten auch an ihn. Ein ganzes Dorf wurde verändert.

Was können wir aus dieser Geschichte lernen? Wie hat Jesus das Gespräch aufgebaut mit der Frau? Ich bin als muslimischer Flüchtling mit meiner Familie zuerst nach Deutschland und danach in die Schweiz geflüchtet. Wenn ich zurück auf die Zeit als Flüchtling blicke, gab es einige Christen, die mir ähnlich begegneten wie Jesus der Frau in diesem Kapitel. Gott hat mein Leben durch diese Christen verändert. Gott hat sie gebraucht, so wie er auch dich brauchen möchte.

Ich will gerne zwei Punkte unterstreichen, die mir selbst begegnet sind und mein Leben verändert haben:

Begegne Menschen auf Augenhöhe

Als wir als Flüchtlinge in die Schweiz kamen, hat uns eine christliche Familie immer wieder besucht, mit uns Zeit verbracht und Anteil an unserem Leben genommen. Das hat unsere Herzen für Jesus geöffnet. Viele Flüchtlinge oder Ausländer haben keine Arbeit, nicht viel Geld und sprechen oft kaum Deutsch. Wir dürfen Menschen nicht aufgrund ihres Mangels bewerten, sondern sollten sie als Menschen wertschätzen, die von Gott geschaffen wurden. Deswegen begrüsse freundlich, sei dankbar und hilfsbereit gegenüber allen Menschen, die dir über den Weg laufen. Wertschätzung schenkt Vertrauen, und Vertrauen öffnet Herzen.

Liebe alle Menschen, auch eigenartige

Jesus durchbricht alle Vorurteile und kulturellen Gewohnheiten. Er sprach mit einer deprimierten, mehrfach geschiedenen, ausländischen Frau. Er begegnete ihr, obwohl er von ihren Fehlern wusste. Fünf Mal geschieden ist sogar für unsere heutige Zeit nicht gerade wenig. Das ist für uns so schwierig: Wir sind oft blockiert gegenüber anderen Menschen, wenn sie anders aussehen, seltsam sind, wenn wir wissen, dass sie viele Fehler machen. Aus menschlicher Sicht können wir nur Menschen lieben, die uns passen.

So ist aber Gottes Liebe nicht. Jesus war nicht blockiert von Vorurteilen, sondern bewegt von Liebe ohne Bedingungen. Als Flüchtlinge durften wir die praktische Liebe hier in der Schweiz oft erleben. Wir wurden von einer Gruppe von Leuten immer wieder zum Grillieren und auf Ausflüge eingeladen. Das war für uns speziell, denn wir waren ja Ausländer und viele Schweizer wollten nichts mit uns zu tun haben. Die praktische Liebe dieser Menschen hat uns berührt. Später ging ich mit diesen Leuten in die Kirche und habe mich so für Jesus entschieden.

Zum Autor

Egzon Shala ist Koordinator für die «Arbeitsgemeinschaft Interkulturell» der Schweizerischen Evangelischen Allianz und im Leitungsteam von &cultures. Er wohnt mit seiner Familie in Thun.

Dieser Artikel erschien zuerst im SNACK Magazin. Die Veröffentlichung des Artikels ist ohne ausdrückliche, schriftliche Erlaubnis nicht gestattet.

Zum Thema:
Bedingungslos und felsenfest: Was wahre Liebe bedeutet
Sein Dorf im Kosovo brannte nieder: Leid, Krieg und Schlägereien hatten nicht das letzte Wort
Ein Ausländer in der Schweiz: «Jesus füllte die Leere in mir!»

Datum: 18.12.2020
Autor: Egzon Shala
Quelle: SNACK Magazin

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung