Im Moment kursieren sie wieder: die
Versprechen, dass man, wenn man nur richtig glaubt, nicht an Corona stirbt.
Verspricht die Bibel nicht, dass uns «kein Böses treffen wird»? Viele Christen
sind innerlich im Konflikt.
Die
gegenwärtige Krise hat ein Gutes: Sie fordert Christen unerbittlich heraus,
ihre Glaubensgrundlagen zu durchdenken (Zeit genug haben wir ja dafür, oder?). Wie
ist das: Wenn man so richtig an Gott glaubt, geht dann Corona an unserem Haus
vorbei, so etwa wie der Würgeengel beim Auszug aus Ägypten? Verspricht die
Bibel nicht, dass uns «kein Böses treffen wird»? Wie verhält sich unser Glaube
zur Tatsache, dass eben doch schon überzeugte und gläubige Christen an Corona
gestorben sind?
«Wenn auch zehntausend fallen»
Besonders
beliebt und wahrscheinlich am häufigsten zitiert ist der Psalm 91 (bitte mal
lesen). Der Psalm scheint zunächst der Fraktion recht zu geben, die lehrt:
«Wenn du nur richtig glaubst, dann wirst du nicht krank.» Und es ist festzuhalten:
Gott hat Menschen vor der Infektion und dem Tod bewahrt und sie wieder zum
Leben gebracht. Wunder sind möglich.
Immer,
wenn Krankheit uns trifft, sollen wir um Heilung beten, das ist die einfache
Anweisung von Jesus. Tausende haben erlebt, dass Gott eingreift und das Leben
wieder schenkt. Daran wollen wir nicht rütteln.
Nur für Top-Athleten?
Das
Problem entsteht, wenn wir aus solchen Wundern Gottes die Idee ableiten, dass
man gar nicht krank werden kann, wenn man nur «richtig» glaubt. Diese
«Theolüge» hält sich bis heute hartnäckig, bis in Corona-Zeiten hinein. Hier
wird Glaube als Leistungssport gesehen – wenn du geistlicher Top-Athlet bist,
ist Gott zufrieden und heilt dich. Wehe aber, du bist normal, hast manchmal
Zweifel oder Zeiten der schwachen Kondition. Dann gelten die Verheissungen
Gottes für dich nicht mehr. Dann hat er seine Liebe von dir abgezogen.
Wir
können es nicht bestreiten: Diese Frage ist eine der vielen Bereiche des
christlichen Glaubens, die sich nur als «Spannung» auffassen und lösen lassen.
Wie müssen wir die vielen Zusagen Gottes denn verstehen?
Was ist «Böses»?
Psalm Kapitel 121
verspricht: «Der Herr bewahrt dich vor allem Bösen.» Diese Zusage steht, auch in
Corona-Zeiten. Die Frage ist: Was ist «Böses»? Der folgende Vers gibt einen
Hinweis: «Er behütet deine Seele.» Das Böse findet also in unserer Seele statt.
Es ist der nagende Zweifel: Ist Gott gut? Ist er für mich? Existiert er
überhaupt? «Sage Gott doch ab und stirb» – diesen guten Rat gab Frau Hiob ihrem
Mann, der gerade seine Kinder und seinen ganzen Besitz verloren hatte und
jetzt, von Geschwüren bedeckt und in Lumpen, am Boden sass. Das ist das
ultimative Böse: Gott gibt's ja gar nicht. Und wenn, dann ist er nicht gut.
«Keine
Literatur ist realistischer und ehrlicher mit den harten Fakten des Lebens als
die Bibel», schreibt Eugene Peterson. «Sie verspricht nirgendwo, dass das Leben
im Glauben uns vor Schwierigkeiten bewahrt. Was sie verspricht, ist die
Bewahrung vor dem Bösen in den Schwierigkeiten. Auf jeder Seite der Bibel wird
anerkannt, dass Glaube auf Probleme trifft.» Darum lehrt uns Jesus beten:
«Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Bösen.»
Das Wasser und das Schiff
«All das
Wasser des Ozeans kann ein Schiff nicht zum Sinken bringen – es sei denn, dass
es ins Schiff eindringt», schreibt Peterson weiter. «Der einzige ernsthafte
Fehler, den wir machen können, wenn Krankheit kommt und wenn Angst uns bedroht
(…) ist der, dass wir denken, dass Gott sich gelangweilt von uns abgewandt hat
und sich lieber um interessantere Christen kümmert, oder dass ihn unser schwacher
Gehorsam anwidert und er uns eine Zeitlang uns selbst überlässt, oder dass er
mit der Erfüllung einer Prophetie im Nahen Osten so beschäftigt ist, dass er
keine Zeit für unsere kleinen Probleme hat.»
Lesen Sie
Gottes Verhältnis zu Ihnen nicht daran ab, ob Sie Corona bekommen oder nicht.
Die Wechselfälle unseres Lebens sind kein Indikator für Gottes Beziehung zu
uns. Sondern schauen Sie auf die beiden Punkte in den Händen von Jesus, wo er
angenagelt worden ist. Da ist Gottes Liebe zu uns ein für alle Mal festgemacht
– niet- und nagelfest. So landen wir unvermeidlich beim Römerbrief 8, Vers 28 und 31-32:
«Nichts, was dich trifft – Tod oder Leben (!), irgendwelche Mächte, Hohes,
Tiefes, Vergangenheit oder Zukunft – nichts hat die Macht, zwischen dich und
die Liebe Gottes zu kommen, die er in Christus, unserem Herrn, beweist.» Mehr
geht nicht. Weniger hilft nicht.
Diskussion über theologische Fallen in Zeiten von Corona im Livenet-Talk
Eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Thema gibt's hier im Livenet-Talk vom 3. April 2020:
Datum:
31.03.2020 Autor: Reinhold Scharnowski Quelle: Livenet
Kommentare
Submitted by blumenwanderer on 1. April 2020 - 13:30.
aus welchem Buch von Peterson stammen die Zitate im Artikel?
Submitted by reinholdscharnowski on 1. April 2020 - 17:28.
aus dem Buch "A Long Obedience in the Same Direction", gibts m.W. leider nicht auf Deutsch, sehr schade :-)
Submitted by blumenwanderer on 2. April 2020 - 7:20.
besten dank, Herr Scharnowski! Habe es soeben auf Englisch bestellt.
Ich schätze sein Bibelübersetzung "The Message" sehr.
Danke auch für Ihren Artikel, der es einmal mehr auf den Punkt bringt!
Submitted by reinholdscharnowski on 2. April 2020 - 17:51.
Merci und viel Segen beim Lesen :-)
Submitted by Regula Aeppli-F... on 1. April 2020 - 10:26.
Kommentare