BILD-Reporter Daniel Böcking

Wie hört man auf Gott, wenn man ihn nicht hört?

Viele Christen schreiben mir Leserbriefe. Immer wieder kommen darin Formulierungen vor, bei denen ich bis vor einigen Jahren noch die Stirn gerunzelt hätte: «Das hat mir Gott aufs Herz gelegt» oder «Das hat der Herr mir eingegeben». Oft habe ich mich dann gefragt: Bin ich der einzige, dem Gott nicht wie auf Knopfdruck klipp und klar sagt, was er von ihm will?
Daniel Böcking

Wie hört man auf Gott, wenn man ihn nicht ständig hört? Darüber möchte ich hier schreiben und freue mich, wenn Sie mir Ihre Erfahrungen schildern (daniel.bocking@googlemail.com). Denn gerade diese lebendige Beziehung – dieses Unfassbare, das irgendwie Spirituelle – ist es doch auch, was die Einzigartigkeit unseres Glaubens ausmacht und unseren Weg zu einem Abenteuer werden lässt.

Drei Dinge habe ich bei meinen Besuchen in über 40 Gemeinden, in Gesprächen mit unzähligen Christen und in vielen Stunden im Gebet in den letzten Jahren gelernt:

1. Gebetserfahrung ist individuell

Jeder erlebt die Präsenz Gottes anders. Eine Dame, die mir regelmässig schreibt, berichtet immer wieder davon, dass sie Gottes Stimme akustisch hört und er ihr ganze Geschichten erzählt. Andere halten das für Humbug und sehen allein die Bibel als Möglichkeit, auf Gottes Wort zu hören.

Bei mir läuft es oft so: Wenn ich über einer Entscheidung brüte, nehme ich mir Zeit für ein Gebet. Ich bete Optionen durch und spüre irgendwann (nicht immer, aber oft) ein inneres Nicken. Ich bohre gedanklich nach und merke, wie sich eine Ruhe ausbreitet. Ich habe das mal «sich richtig fühlen» genannt. Es fühlt sich einfach richtig an. So, als würde innerlich eine kleine Lampe freundlich aufleuchten und mir den Weg weisen. Danach krame ich gern in meinem Kopf, was mir aus der Bibel zu dem Thema einfällt. Und oft stelle ich fest, dass sich der innere Hinweis mit dem deckt, was ich aus Gottes Wort weiss. Das ist dann nicht immer die Antwort oder der Ratschlag, den ich mir gewünscht habe – aber ich fühle mich sicher mit ihm und nehme es als Trainingsstunde in «Gott-Vertrauen», diesem Weg zu folgen.

2. Beten kann man lernen

Man kann üben, auf Gott zu hören. Mir war das Spirituelle im christlichen Glauben lange Zeit ein wenig suspekt. Aber da ich neugierig bin, habe ich einfach verschiedene Ansätze ausprobiert. Wenn ich früher gebetet habe, war ich es, der geredet hat – und wenn mir nichts mehr einfiel, schloss ich mit einem feierlichen «Amen». Dann lernte ich das «hinhörende Beten». Einfach mal die Klappe halten, sich auf Jesus konzentrieren und zur Ruhe kommen. Das fiel mir anfangs recht schwer. Doch nach und nach lernte ich die Entspannung und den Frieden schätzen, der sich ausbreitete.

Und hin und wieder erlebte ich die schon beschriebenen Momente: Dass plötzlich Antworten oder Hinweise kamen, die sich auch bei näherem Betrachten als gut und richtig und im Einklang mit Gottes Wort erwiesen. Ich will christliche Meditation nicht überbewerten (obwohl ich inzwischen einige Kurse besucht habe) – aber wenn jemand sagt, dass Gott für ihn nicht greifbar und spürbar ist, wäre es vielleicht einen Versuch wert: Einfach mal die Tür hinter sich schliessen, sich die Bibel schnappen, zur Ruhe kommen – und Zeit exklusiv mit Gott verbringen.

3. Gott kann auch schweigen

Vorsicht, Abenteuer! In der Bibel steht, dass Gott uns nah ist. Aber es steht nirgends, dass er uns immer und sofort antwortet oder uns jede Entscheidung abnimmt. Deshalb bleibe ich vorsichtig, wenn Menschen (besonders in Leserbriefen) sofort zu allem eine Gottes-Antwort parat haben: «Donald Trump ist der grösste aller Präsidenten. Das hat mir Gott eingegeben!» – Das kann ich nicht kommentarlos hinnehmen. Ich denke, es ist gut und richtig, dass wir alle eine ganz menschliche Meinung haben und selbständig denkende Wesen sind. Und wir sollten lieber zweimal prüfen, ob etwas Gottes Wille ist – oder vielleicht nur mein persönlicher Wunsch oder eben meine Meinung.

Es gibt den schönen Satz: «Gott ist nur ein Gebet entfernt.» Ich durfte oft erfahren, dass das stimmt. Aber ebenso oft, dass es drei oder zehn Gebete brauchte, eh ich spürte, dass die Leitung steht. Das Schöne, auch wenn ich mal ohne Antwort bleibe: Ich weiss, dass Gott dennoch da ist, mich sieht und mich hört. Gottes Liebe braucht nicht viele Worte.

Zum Autor:

Daniel Böcking ist Co-Chefredaktor der Zeitung BILD. Dieser Kommentar von ihm erschien zuerst im Newsletter des Männerforums

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Datum: 13.08.2019
Autor: Daniel Böcking
Quelle: Männerforum

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