Think big?!

Warum du nicht unbedingt eine grosse Vision brauchst

Die Ideologie des «Think big» taucht in vielen Predigten auf. «Denk gross, dein Gott tut es auch! Du bist zu Grösserem berufen!» Doch stimmt das wirklich? Autor und Coach Tobias Illig hat sich über Sinn und Unsinn der grossen Vision, die man scheinbar so dringend braucht, Gedanken gemacht.
Frau beim Sonnenaufgang
Tobias Illig

Solche Predigten zielen auf die grosse Sehnsucht des Menschen nach Bedeutsamkeit, nach Wirksamkeit, nach Spuren hinterlassen. Zumindest bei den einen. Bei den anderen verstärkt der empfundene Druck, Gott wolle nun Grosses von mir, nur das eigene Minderwertigkeitsgefühl und macht ein schlechtes Gewissen. In diesen Predigten werden sehr gerne Glaubensväter aus dem Alten Testament oder heroische Jünger Jesu und Apostel herangezogen. Die Stillen und Leisen muss man schon suchen, weil sie eben nicht so auffallen.

Die Sünde der Ungläubigkeit

Meist gehen solche Appelle an Grossgläubigkeit einher mit dem Argument der Ungläubigkeit. «Du stehst dir selbst und Gott im Weg!», «Du glaubst gar nicht richtig an einen grossen Gott!» und dergleichen. Mir gefällt da eher der ungläubige Thomas, der gar nicht glauben kann (oder will?), dass der auferstandene Jesus vor ihm steht, und «Beweise» fordert. Natürlich sollen wir uns jetzt aber auch nicht kleiner machen als notwendig und schliesslich gilt ja immer noch: «Herr, hilf meinem Unglauben.» Das hat aber nichts mit Grössenwahn zu tun oder damit, gleich ein Missionswerk gründen zu wollen oder den Boom von Hauskreisen oder Gemeindewachstum massgeblich voranzutreiben.

Hochmut kommt vor dem Fall

Zum Glück scheitern auch «grosse Leute» im Christentum. Das sind Dramen, weil jeder eben diese Superchristen in den Himmel lobt. Wenn sie dann fehltreten, sinken die Imagewerte der gefallenen Engel wie im Sturzflug. Es bringt also auch nichts, Massenprediger und Superchrist werden zu wollen und ihnen nachzulaufen. Diese Personenkulte haben den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit längst auf ein goldenes Kalb in Menschengestalt verlagert und sich vom Eigentlichen, von Jesus Christus, dem Herrn, langsam aber sicher entfernt. Nicht der Superprediger oder selbstlose Auslandsmissionar oder Hyperevangelist ist nachzuahmen, sondern jeder Christ soll Jesus nachfolgen. Dann kann man ja dennoch Massenevangelist, Auslandmissionar oder Gemeindegründer werden. Das Motiv ist dabei aber ein anderes. 

Im Kleinen treu sein

Wer im Kleinen nicht treu ist, kann es auch im Grossen nicht sein. Es geht also doch gar nicht darum, gross raus zu kommen oder grosse Dinge zu vollbringen. Ein Meisterwerk des Glaubens abzuliefern. Gott freut sich, wenn wir im Kleinen, im Unmittelbaren treu sind und unseren Glauben leben. Die unscheinbare Witwe, die ihr «Schärflein» einwirft, wird erwähnt. Die Frau am Brunnen. Die Frau, die mit ihren Haaren Jesu Füsse trocknet. Das sind die stillen Leisen, die Jesus nahe sind. Ihre Geschichten und Beispiele werden zum Glück auch in der Bibel berichtet. Daran können wir uns ein Beispiel nehmen, an den zahllos «unbedeutenden» Leuten, die im Kleinen und oft Geheimem ihren Glauben leben, die nicht auf der Bühne stehen. Ganz normale Leute, wie Sie und ich.

Ein Hauch Gottes

Das Christentum verbinden heute viele mit modernen Pop- oder Rockkonzerten und kreativen Predigten. Man denkt an mutige Menschen, die voller Leidenschaft unterwegs sind und neue Kirchen gründen. Doch das Christentum trieft oft nicht vor heroischen Leuten, die bezaubernd predigen können, Missionswerke am laufenden Band gründen (oder Gemeinden gründen) etc. Das kann und darf es zwar. Muss es auch manchmal. Jesus hat auch vor Tausenden von Menschen gepredigt.

Aber das Christentum, das ich meine, ist eher ein bescheidenes Unterfangen. Es ist eher ein Hauch Gottes. Fast unmerklich weht der Geist Gottes durch die Nachbarschaft, durch unsere Häuser, in jedes Zimmer unserer Wohnstatt. Unmerklich wirkt er dort, wo er eingeladen wird. Das sollten wir bedenken, wenn wir einen Menschen auf den Podest stellen oder Predigten hören wie «Gott hat Grosses mit dir vor!». Mit Sicherheit. Aber oft nicht so, wie wir uns das in unserer Fantasie ausmalen. Die Wege des Herrn sind unergründlich.

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Datum: 04.03.2019
Autor: Tobias Illig
Quelle: Livenet

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