Fragekultur

Glauben wie ein Kind – wie geht das?

«Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.» So fordert Jesu einmal seine Jünger heraus. Doch was bedeutet das? Sollen wir naiv werden? Zu allem ja sagen? Das Gegenteil ist der Fall: Wir können fragen wie die Kinder.
Schulkinder: Junge und Mädchen sind dicke Freunde (Bigstock: 15703490)

Die Bibelstelle ist bekannt. «Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.» (Matthäusevangelium, Kapitel 18, Vers 3) Aber wie glauben Kinder? Und wie sieht solch ein kindlicher Glaube bei einem Erwachsenen aus? Die US-amerikanische Seelsorgerin Krispin Mayfield benennt einige Parallelen und betont dabei, welche Rolle das Fragen spielt.

200 Fragen pro Tag

Auf den ersten Blick scheint kindlicher Glaube davon bestimmt zu sein, dass man Dinge einfach akzeptieren kann. Doch sobald man selbst Kinder hat, merkt man, dass die Realität anders aussieht. Vorschul- und Grundschulkinder fragen einem geradezu ein Loch in den Bauch. Um die 200 Fragen täglich stellen sie jedem, der für sie greifbar ist. «Hat Gott auch Goliath lieb?» «Hat Gott nur eine Welt gemacht?» «Wie alt ist Gott eigentlich?» «Warum müssen Menschen sterben?» Einen bedingungslosen Glauben kennen Kinder nicht. Sie stellen viele Fragen und sind damit im Zentrum dessen, was Glaube wirklich ausmacht.

Das Vorbild der Eltern

Kinder orientieren sich in ihrem Glauben am Glauben ihrer Eltern. Dies ist nicht nur ein Klischee oder ein Bauchgefühl, der Kinderpsychiater Robert Coles hat es in seiner Studie «The Spiritual Life of Children» (Das geistliche Leben von Kindern) gründlich erforscht. Vieles im Glauben kleinerer Kinder spiegelt das wider, was ihre Eltern tun. «Mama hat gesagt…», «Papa macht hier immer…» sind typische Ausgangspositionen für kindlichen Glauben. Doch ihr Glaube bleibt hier nicht stehen. Sie fragen weiter: «Mama, du hast doch gesagt, dass Jesus weiterlebt. Was hat er denn getan, nachdem er gestorben und auferstanden ist?»

Auch mit dem Glauben ihrer Eltern im Blick stellen Kinder Fragen. Sie setzen ihre eigenen Schwerpunkte. Und mehr und mehr kommen sie dabei an den Punkt, wo sie sich bewusst werden, dass ihre Eltern nicht in allen Bereichen Gott widerspiegeln. Coles berichtet dies am Beispiel eines Mädchens, das immer wieder über die Geschichte der Tempelreinigung durch Jesus redete. Es wollte wissen, ob Jesus häufig «ausgerastet» ist. Irgendwann stellte sich heraus, dass das Mädchen aus einem gewalttätigen Familienumfeld kam. Es wollte ihre familiären Vorbilder mit Gott vergleichen.

Eine Fragekultur

Wenn wir älter werden, gewöhnen wir uns in der Regel das Fragen ab. Wir wissen zwar nicht viel mehr, wollen aber lieber so aussehen, als hätten wir alle Antworten. Und wer alle Antworten hat, hat eine gesunde Theologie. Jedenfalls scheinbar. Wer Fragen stellt, beunruhigt damit ja auch andere, er gilt schnell als Nestbeschmutzer oder Zweifler. Der Psychiater Cole erzählt von einer längeren theologischen Diskussion mit Kindern. Im Anschluss fragte ihn ein Mädchen: «Meinst du, dass Gott uns zugehört hat?» Er bejahte: «Das hoffe ich doch.» Die Kinder stimmten ihm begeistert zu. Es war ihnen wichtig, nicht nur über Gott zu reden, sondern auch mit ihm. So entsteht eine Fragekultur, die sich nicht ausbremsen lässt durch das Klassische «Was sollen andere von mir halten?».

«Wie die Kinder werden» bedeutet also nicht, keine Fragen zu stellen. Im Gegenteil. Es steht eher dafür, mit all dem, was uns beschäftigt, zu Gott zu kommen, ungefiltert, ohne zu zögern. Und zu vertrauen, dass Gott unsere Fragen hört.

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Datum: 28.12.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Christianity Today

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