Reinhard Frische

Missionarischer Eifer allein reicht nicht

Reinhard Frische hatte 11 Jahre als Pfarrer in Brig Gelegenheit, in der Diaspora Erfahrungen zu sammeln und sich über die Entwicklung von Landes- und Freikirchen Gedanken zu machen. In einem idea-Interview spricht er aus Anlass seiner Pensionierung über seine Erfahrungen und Einsichten, und wieso er sich auch Evangelisationen zusammen mit der katholischen Kirche vorstellen könnte.
Reinhard Frische

Nach seiner Zeit als Direktor am Theologischen Seminar St. Chrischona bedeutete das Pfarramt in Brig eine echte Herausforderung für den profilierten Theologen Reinhard Frische. Zuerst galt es, eine zerstrittene Gemeinde wieder zusammenzuführen. Sodann mussten die Kontakte zu den katholischen Wortführern im Oberwallis aufgebaut werden. Dabei stellte er fest: «Eine Kirchgemeinde in der Diaspora in absoluter Minderheitslage ist beweglicher, aber auch bedürftiger.» Und: «Sie verträgt innovatives Denken, ein starkes Miteinander in der Führung, Offenheit und Integrationsbereitschaft.» In der Zusammenarbeit mit den Katholiken sei er indessen positiv überrascht worden. Er wurde gar zu den Pastoraltreffen der katholischen Kollegen eingeladen, konnte gleichberechtigt Sonntagsbeiträge für den Walliser Boten schreiben und Sendungen im Lokalradio machen. Allerdings habe die Zusammenarbeit mit den Katholiken oft Fingerspitzengefühl – und Festigkeit – verlangt, räumt Frische ein.

Tauwetter im Oberwallis

In dieser Zeit haben sich aber auch Türen zu den Walliser Freikirchen geöffnet, und es kam 2013 in Visp im Rahmen von ProChrist zu einer Zusammenarbeit der Reformierten mit den dortigen Freikirchen. Frische: «Ich wünschte mir solche Zusammenarbeit natürlich auch mit der katholischen Kirche.» Die Signale, die der aktuelle Papst gerade in Sachen Evangelisation aussende, seien ja klar und einladend. Frische wörtlich: «Eine vorurteilsfreie Lektüre des von Papst Franziskus veröffentlichten Lehrschreibens 'Evangelii gaudium' (Freude am Evangelium) könnte gefährlich Lust machen auf gemeinsame missionarische Aktionen!»

Sprachfähig werden

Zu den Chancen der aktuellen Evangelisation und zur Vorbereitung dazu in den theologischen Ausbildungsstätten betont Frische: «Ausbildung zur Evangelisation heisst für mch, dass Männer und Frauen befähigt werden, die Botschaft und Einladung des Evangeliums verständlich und milieugerecht weiterzusagen. Evangelisation zielt auf Menschen, die von der Bibel keine wirkliche Ahnung haben. Um diese zu gewinnen, reicht missionarischer Eifer allein nicht aus. Christen müssen auch sprachfähig gemacht werden, um die Möglichkeit des Glaubens im säkularen Umfeld ansprechend zu präsentieren.»

Mutige Freikirchen und eine Kirche des Wortes

Zu seiner Einschätzung der Freikirchen befragt, beobachtet Frische, dass Gemeinden und Verbände Beachtliches in der Kinder- und Jugendarbeit leisten. Die Freikirchen hätten das Sektenimage weitgehend abgelegt. Nebst der ökumenischen Zusammenarbeit und der Weltmission hätten sie auch die gesellschaftliche Mitverantwortung als Aufgabe erkannt. Als weitere Herausforderung sieht er für sie Integrationsprojekte für Ausländer, Arbeitslose und Benachteiligte, einen mutigen Dialog mit Muslimen und „mehr kritischen Sachverstand im professionellen Journalismus“.

Für die Landeskirchen wünscht er sich eine Entwicklung zu einer «Kirche des Wortes» im reformatorischen Sinne. Denn die Zeit der Kirche der Privilegien werde in absehbarer Zeit zu Ende sein. Die Landeskirchen müssten eine Kirche sein, «die Leben spendet, Oasen inmitten einer säkularisierten Gesellschaft». Frische fügt jedoch bei: «Um dies sein zu wollen, dazu muss man sich auch entscheiden.»

Datum: 30.08.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet / idea Spektrum Schweiz

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