Die Sehnsucht des Predigers

Ein Skeptiker sucht das Glück

Sehnsucht. Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich der Grosse, Voltaire, Heinrich Heine, The Byrds, Dolly Parton – sie alle waren von ihm angetan. Die Rede ist von einem biblischen Buch mit dem Titel «Prediger».*
Ein Mann steht an einem Pier

Wer in diesem alten Buch stöbert, kann sich schon mal fragen, ob er tatsächlich die Bibel in den Händen hält. Dieses Werk klingt eher wie der neuste Wurf eines Skeptikers oder Protestsong-Schreibers in unserer Zeit.

Der Mensch, ein Windfänger

«Alles ist sinnlos», wird hier 41 Mal in schon fast ätzender Monotonie wiederholt. Resigniert stellt der unbekannte Autor fest: Alles, wonach der Mensch so eifrig strebt, ist wie eine sinnlose Jagd. Der Versuch, sich mit Arbeit ein verlässliches Leben zu sichern – sinnlos. Der Versuch, sich freiem Genuss hinzugeben und darin Erfüllung zu finden – sinnlos. Der Versuch, sich durch Bildung oder Religiosität innere Werte zu verschaffen – sinnlos. Der Schreiber wird nicht müde, alles menschliche Bemühen, egal in welcher Richtung, als vergeblich zu bezeichnen. «Ich habe es selbst versucht», schreibt er. «Ich weiss, wovon ich spreche: Alles, wirklich alles, ist ein sinnloses Jagen nach Nichts!»

Glück mit Verfalldatum

Rabenschwarzer Pessimismus eines Lebensmüden? Nein, es ist die ungeschönte Analyse eines grundehrlichen Realisten, der das Leben, die Welt und sich selbst durchschaut. Der es wagt, den mit rosa Blümchen dekorierten Vorhang menschlicher Traumbilder und Illusionen wegzureissen. Der uns die gern verdrängte Wirklichkeit zeigt: Seit Menschengedenken mühen wir uns darum, Glück und Sinn zu finden. Jede Generation erfindet eigene Varianten des uralten Strebens nach Erfüllung: Sex, Genuss, militärische Übermacht, Klugheit, Karriere, privates Glück oder religiöser Eifer. Wer es darin zu etwas bringt, den berauscht einen Moment lang das selige Gefühl, die gesuchte Befriedigung gefunden zu haben. 

Doch dann verpufft die Trophäe innert Kürze in der Bedeutungslosigkeit, wird Geschichte, kalter Kaffee. Die Liebe zerbricht, die Karriere bröckelt, die Gesundheit geht bachab, die materielle Sicherheit wird von Wirtschaftskrisen fortgeschwemmt. Zurück bleiben verbrannte Seelen – leerer als zuvor. Darum, so die Behauptung des Predigerbuchs, ist all unser Rennen nach Besitz, Ansehen oder Genuss vergeblich. «Am Ende», so sein Fazit, «trifft uns alle, König oder Knecht, dasselbe Schicksal – der Tod.»

Das Grosse liegt im Kleinen

Menschliche Illusionen und Traumbilder – der Autor reisst sie alle nieder. Doch er bleibt nicht dort stehen. Er stampft nicht alles ein, um danach hoffnungslos in Drogenrausch, Rücksichtslosigkeit oder den Exzess der Sinne abzutauchen, weil man sich dort wenigstens in den Nebel des Vergessens hüllen kann. Stattdessen skizziert er andere Definitionen von «Glück» und «Erfüllung». Sie liegen in unerwartet einfachen Dingen: Ein gutes Essen. Freundschaft. Eine gute Tat. Die Liebe. Und Gott. Ja, Gott! Gut beraten ist, wer ihm inmitten aller Nichtigkeit vertraut und ihn verehrt. Und dabei auf die Vermessenheit verzichtet, Gott durchschauen und eigene Lebensrätsel knacken zu wollen. Hier rät der Prediger zur Demut: Wohl dem, der nicht aus den Augen verliert, wie vorläufig und brüchig diese Welt und alles Leben ist – auch das eigene.

Christus, Sehnsuchtsstiller

Noch eine andere Türe öffnet uns der Prediger. Seine Schrift ist Ausdruck einer Sehnsucht, die Jahrhunderte nach ihrer Niederschrift in der Person von Jesus Christus ihre Erfüllung findet. Er ist die Antwort auf das Suchen des Predigers nach Sinn und Perspektive. Jesus Christus zeigt uns den Weg zum Herzen Gottes. Im vertrauenden Glauben an ihn findet unser Stochern im Nebel ein Ende. Man kann in einer persönlichen Beziehung zu ihm leben und findet darin ungeahnte Erfüllung und Lebensfreude. Was für den Prediger noch unerreichbar war, ist für Christen (und die es werden wollen) ein verfügbares Angebot. Dank Jesus findet der Mensch nach Hause. Er findet bei Gott eine neue Dimension von Annahme, Hoffnung und Frieden.

*in manchen Bibelausgaben mit dem hebräischen «Kohelet»

Datum: 05.01.2014
Autor: Thomas Härry
Quelle: viertelstunde für den Glauben

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