«Sind Sie überzeugt, dass Sie diese Redewendungen schon
einmal gehört haben? Nein, sie stammen nicht von Shakespeare», sagt
Schriftsteller und Comedian Paul Kerensa. Er las sie in der Bibel. «Darin
steckt mehr Weisheit, als Sie vielleicht ahnen.»
Manchmal überrasche ihn die Bibel mit ungewöhnlich
modernen Formulierungen, sagt Paul Kerensa. Es sei, als würden sie «von
Shakespeare oder 'Game of Thrones' stammen. Aber nein, sie waren schon immer da.
Sie gaben unseren Vorfahren Weisheit – und jetzt uns.» Einige dieser
Trouvaillen und Wortperlen hat Paul Kerensa zusammengetragen und kommentiert.
1. Stolperstein
Ich bin in meinem Leben schon mit einigen davon
konfrontiert worden. Aber die ersten, die ihnen begegneten, waren die Menschen
in Levitikus (3. Mose). «Du sollst den Tauben nicht fluchen und den Blinden keinen
Stolperstein in den Weg legen, sondern deinen Gott fürchten», heisst es in 3. Mose, Kapitel 19, Vers 14.
Vielleicht denken wir bei «Stolpersteinen» an etwas
Modernes – etwa einen Legostein. Aber die ersten
Stolpersteine waren einfach Steine: Eine landwirtschaftliche, biblische
Redewendung wie beispielsweise auch «Sündenbock» oder «Wölfe im Schafspelz».
2. Blinde führen Blinde an
Vielleicht klingt es modern, weil Kritik an einer
Führung eine zeitlose Gewohnheit ist. Aber bereits in Matthäus, Kapitel 15, Vers 14 wird uns
das zum ersten Mal gesagt: «Wenn nun ein Blinder einen anderen Blinden führen
will, werden beide in die Grube fallen!»
3. Den Geist aufgeben
Ich war überzeugt davon, dass es sich hier um Worte
von Shakespeare handelt – er liebt es, über Geister zu schreiben, von Banquo
bis zu Hamlets Vater. Aber dieser Satz stammt aus der King James Version (Johannes, Kapitel
19, Vers 30). Hier übergibt Jesus seinen Geist Gott, bevor er «den Geist aufgibt» (wie
in deutscher Sprache beispielsweise Menge und andere übersetzten).
4. Zeichen der Zeit
Lange bevor es den Song von Harry Styles oder ein
Album von Prince gab, sagte Jesus zu den Pharisäern und Sadduzäern, dass sie «die
Zeichen der Zeit nicht deuten können» (Matthäus, Kapitel 16, Verse 2-3).
5. Durch das Schwert leben, durch das Schwert sterben
Selbst Atheisten müssen anerkennen, dass Jesus sehr wortgewandt
war. Er vermittelte nicht nur Weisheiten, sondern er «malte» auch Bilder, die
einprägsam und weltverändernd sind. «Da sprach Jesus zu ihm: Stecke dein
Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert
umkommen», steht in Matthäus, Kapitel 26, Vers 52.
6. Arzt, heile dich selbst
Jesus sagte dies in Lukas, Kapitel 4, Vers 23 und erinnert uns daran,
selbst über die Bücher zu gehen, bevor wir andere kritisieren. In der
rabbinischen Lehre gibt es ähnliche Versionen, wie etwa im alten jüdischen Text
Genesis Rabbah aus den Jahren 300 bis 500 nach Christus: «Arzt, Arzt, heile
dein eigenes Hinken!»
7. Königin des Südens
Der «Queen of the South F.C.» ist wohl die einzige
schottische Fussballmannschaft, die ihren Namen aus der Bibel übernommen hat.
Die ursprüngliche Königin des Südens war die Königin von Saba (Matthäus, Kapitel 12, Vers 42; Lukas, Kapitel 11, Vers 31). In «Die Ankunft der Königin von Saba», einer heute populären
Komposition von Händel, besucht sie König Salomo (beschrieben in 1. Könige, Kapitel 10).
8. «Britain's Got Talent»
Zugegeben, der ganze Satz ist nicht biblisch. Aber
ohne das Gleichnis von den Talenten hätte die Fernsehshow vielleicht einen
anderen Namen gehabt.
Als Jesus in Matthäus, Kapitel 25, Verse 14 bis 30 von einem «Talent»
sprach, war das eine Währungseinheit im Wert von 6’000 Denaren. Jeder Denar
entsprach einem Tageslohn, so dass es zwanzig Jahre dauern würde, ein Talent zu
verdienen – wohl so lange, wie es dauert, eine Fähigkeit für «Britain's Got
Talent» zu erlernen.
Im erwähnten Gleichnis werden die Knechte, die das
ihnen gegebene Talent (in Form von Geld) nutzen und vermehren, belohnt. Doch derjenige,
der es vergräbt, wird bestraft. Wir werden also gelehrt, unsere von Gott
gegebenen Fähigkeiten zu nutzen und sie nicht zu verstecken.
9. Land des Nod
Kein verschlafener Ort der Träume, auch kein magischer
Ort in einem Kindermärchen. Dies ist der Ort, an den Kain verbannt wurde
(1. Mose, Kapitel 4, Vers 16), wo er die erste Stadt gebaut hatte (benannt nach seinem Sohn
Henoch).
10. The Quick and the Dead
Der Western-Titel «The Quick and the Dead» erinnert an
einen Begriff, der in der Tyndale-Bibel von 1526 verwendet wird, in 2. Timotheus, Kapitel
4, Vers 1. Hier bedeutet «quick» eigentlich «lebendig». In dieser biblischen Passage
geht es darum, dass Jesus kommen wird, um alle zu richten, Lebende und Tote.
Andere biblisch inspirierte Filmtitel sind «Roter
Drache» (Offenbarung, Kapitel 12, Vers 3, lange vor dem Hannibal Lecter-Film) und «Die zehn
Gebote».