Michael Dufner

Menschen, keine Gewinnoptimierungs-Fachkräfte

Ich liebe es mit Menschen unterwegs zu sein. Sie zu motivieren, motiviert zu werden. Die Menschen zu fördern, zu fordern und auch selber an ihnen zu wachsen. Mit ihnen zu lachen, inspiriert zu werden, Energie zu spüren und Leidenschaft zu teilen. Doch vor nicht allzu langer Zeit habe ich aufgrund von Matthäus, Kapitel 20, eine erschreckende Entdeckung gemacht.
Michael Dufner trat am Männertag als Redner auf.
Michael Dufner

Da ist ein Weinbauer, der Arbeiter für seine tägliche Arbeit anheuert. Der erste arbeitet den ganzen Tag. Der letzte, der dazukommt, nur eine Stunde. Doch am Schluss bekommen alle denselben Lohn. Jedes Mal ärgerte mich diese Geschichte. Denn aus meiner Perspektive war und ist das nicht gerecht.

So würde ich es nicht machen

Wenn ich meine Angestellten so behandeln würde, bekäme ich schnell Ärger – und zu Recht, finde ich! Der Bauer fragt: «Blickt dein Auge böse, weil ich gütig bin?» (Matthäus, Kapitel 20, Vers 15). Dabei geht es doch nicht um Güte, es geht um Gerechtigkeit, finde ich. Wieso kann nicht derjenige zuerst ausbezahlt werden, der am längsten gearbeitet hat? So würde ich das machen, dann würde nicht auffallen, dass alle gleichviel bekommen. Aber nein – der, welcher am längsten gearbeitet hat, muss auch noch mitanschauen, wie alle denselben Lohn bekommen! Das geht gar nicht!

Ich gebe alles

Diese Geschichte hat in mir etwas ausgelöst. Nicht nur, dass ich Gott in diesem Gleichnis nicht verstand, sondern es löste in mir etwas aus, das tief sass. Ich sah mich selbst im Text. Wie ich arbeite, die Trauben zurückschneide, die Sonne brennt, es ist harte Arbeit. Ich allen voran, ich motiviere, ich mache Leidenschaftsseminare, ich rufe zu Jesus und ich gebe Vollgas beim Predigen, ich erzähle den Nachbarn von meinem Glauben, ich nutze jede Gelegenheit, ein guter Christ zu sein. Ich verzichte und ich übe mich in Disziplin. Ich suche die Stille, ich bete, ich mache Sport, um meinen «Tempel» heilig zu halten. Ich lese Bücher, ich lerne Bibelverse auswendig, ich versuche ein guter Vater und Ehemann zu sein, usw.

Klar, da kommen mir neue, frische Mitarbeiter sehr gelegen. Das ist super, die können gleich meine Arbeit übernehmen. Je mehr Mitarbeiter, desto produktiver. Auch derjenige, der nur eine Stunde arbeitet, ist herzlich willkommen, denn schliesslich will ich auch heute noch einen Baum pflanzen, selbst wenn die Welt morgen unterginge.

Wo ist mein Lohn?

Doch dann ist da der Feierabend. Der Moment, indem die Rechnung nicht so aufgeht, wie ich erwartet habe. Ein Jugendlicher, den ich jahrelang begleite und den ich wirklich zu Jesus führen will – er geht zu jemand anderem und gibt sein Leben Jesus. Dabei hätte ich diese Ermutigung so gebraucht! Wieso bekommt jemand anders den Lohn, der mir zusteht? Das ist doch einfach ungerecht!

Zielerreichnung oder Güte?

Ich habe durch einen Prozess erkannt, dass ich einfach EXTREM zielorientiert arbeite und lebe. Ich will etwas erreichen. Doch zu welchem Preis? Ist das überhaupt das, was Jesus will? Ich habe gewinnorientiert, fokussiert auf Erfolg gehandelt, gelebt, geleitet und bin daran fast zerbrochen. Ich habe meine Familie ganz schön ausgebeutet, bis ich erkannt habe: Was, wenn es im Leben nicht um Erfolg oder um das Erreichen eines Zieles geht, sondern um das «Kennenlernen» der Güte Gottes?

Die Optimierungsfachkraft

Güte bezeichne ich heute als die Herzenshaltung Gottes hinter dem Gnadenwerk von Jesus. Seine Güte hat es zugelassen, dass Jesus dieses unfassbare Gnadenwerk am Kreuz für mich vollbracht hat. Seine Güte zu uns. Und wenn ich lernen kann, dass mein Alltag, mein Arbeiten nicht von Leistung und Zielfokussierung bestimmt wird, dann gelingt es mir auch, im Menschen nicht einfach eine Funktion oder eine Optimierungsfachkraft zu sehen, sondern ein Wunder von Gott. Den MENSCHEN, der geliebt ist und der Gottes Güte in sich trägt.

Durch Güte angezogen

Werde ich dadurch weniger «Erfolg» haben? Nein, der Lohn in dem Beispiel von Matthäus 20 bleibt, aber das Miteinander, das Füreinander, das «Kennenlernen» der Güte im Miteinander, das ist wahres Lebensglück. Wo das gelingt, werden sich Menschen angezogen fühlen und möchten Teil werden davon – auch in der heutigen Zeit. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Zum Thema:
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Datum: 15.08.2018
Autor: Michael Dufner
Quelle: Männerforum «Männer aktuell im Juli 2018»

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